Tichys Einblick
WDR

Flüchtiges Vertrauen

Die Causa "Umweltsau" zeigt, dass öffentliche und veröffentlichte Meinung nicht einfach identisch sind - und sollte den gebührenfinanzierten Medien ein Warnschuss sein.

imago images / Future Image

Was Deutschland – einst Hort der politischen Stabilität und des fein tarierten sozialen Konsenses – für ein Nervenbündel geworden ist, zeigt sich an der Causa „Umweltsau“. Ein albernes Kinderlied – ökologisch korrekt umgetextet – treibt die öffentliche Fieberkurve nach oben. Die einen sehen das Lied als jüngste Schweinerei der „Lügenpresse“, die anderen rufen angesichts heftiger Reaktionen zu einem noch stärkeren „Kampf gegen rechts“ auf. Als dann noch ein freier WDR-Mitarbeiter die im Lied veralberte Großmüttergeneration verunglimpft und aus „Umwelt-“ „Nazisäue“ macht, geht die Bombe endgültig hoch.

Die Krise der deutschen Öffentlichkeit offengelegt

Wie unter einem Brennglas wurde so die Krise der deutschen Öffentlichkeit offengelegt. Etablierte, zwischen Gedankenlosigkeit und Machtwillen schwankende Medien wurden aufgeschreckt von der Wucht, mit der die Nicht-Repräsentierten den Hegemonialen die rote Karte zeigen. Das Jahrzehnt endete damit, wie es begonnen hatte: Schon mit Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ zeigte sich 2010, dass öffentliche und veröffentlichte Meinung nicht einfach identisch sind.

Kapitaler Bock, der systematische Fehlentwicklungen offenlegt

WDR-Intendant Tom Buhrow hat dabei das einzig richtige getan, als er das Kinder instrumentalisierende und Generationen gegeneinander hetzende Video löschen ließ und sich entschuldigte. Aber das reicht noch nicht, wollen die gebührenfinanzierten Medien die Erosion des Fundaments aufhalten, auf dem sie stehen. Und dieses Fundament wird nicht durch Rundfunkstaatsverträge gesichert, sondern durch ein viel flüchtigeres Material: Vertrauen. Kommerziell unabhängige Medien können Plattformen ausgewogener Berichterstattung und legitimer Meinungsvielfalt sein – also echte Schulen demokratischer Diskussionskultur. Sie können aber auch zu mit Zwangsgebühren gepäppelten Blasen linksliberalen Dünkels verkommen, in dem Andersdenkende wegmoralisiert und allenfalls als therapeutisches Problem betrachtet werden.

Mitarbeiter des WDR haben einen kapitalen Bock geschossen, der systematische Fehlentwicklungen offenlegt. Ob man den Schuss auch in Hamburg, Mainz und den anderen Hauptstädten der Öffentlichen gehört hat?


Dieser Beitrag von Oliver Maskan erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

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