Tichys Einblick
Steinmeiers „Patriotismus“

FAZ mit PR für Steinmeiers Buch „Wir“

Jahrelange Spaltung der Gesellschaft - und sich dann wundern, dass sich kaum noch jemand unterhaken will. An dem Punkt stehen Ampel-Politiker und Steinmeier. Der hat ein Buch geschrieben ("Wir") und bekam eine ganze Seite in der FAZ freigeräumt.

picture alliance / Noah Wedel - Screenprint FAZ - Collage: TE
An einem Montag rechnet man üblicherweise nicht mit einer Sonntagspredigt. Schon gar nicht mit einer pastoral-nichtssagenden. Und auch nicht in einer Zeitung, „hinter der immer ein kluger Kopf steckt“. Oder eher steckte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat uns eines besseren belehrt. Sie hat uns am Montag, 15. April, ganzseitig einen typischen Steinmeier-Text präsentiert. Es handelt sich um einen Auszug aus Frank-Walter Steinmeiers Buch mit dem Titel „Wir“, das mit seinen 141 Seiten exakt eine Woche später, am 22. April, im Handel erscheint. Bei welchem Verlag? Bei Suhrkamp, wo denn sonst! Die Frage, warum es die FAZ nötig hat, eine solche PR-Aktion mittels Teil-Vorabdruck (Bezahlschranke) mitzumachen, sei an dieser Stelle übergangen.

Was hat uns das Staatsoberhaupt mitzuteilen, was es nicht schon in allen möglichen Weihnachtsansprachen (bislang sieben), Reden zu Ordensverleihungen oder zu irgendwelchen mehr oder weniger wichtigen Jubiläen gesagt hat? Damals schon wenig, und jetzt kaum mehr.

Greifen wir ein paar Worte, Wörter und Sätze heraus.

Von Patriotismus, Patriotinnen und Patrioten schreibt Steinmeier: fünfmal kommen diese Wörter vor. Was Patriotismus ist, wird uns indes verschwiegen. Außer dass er „neuen Typs“ „nachdenklich“ und der „leisen Töne“ sein soll. Nein, Steinmeier ersetzt das Wort Patriotismus 75mal durch das Wort „wir“. Wahrscheinlich genau ausgezählt, weil das Grundgesetz am 23. Mai exakt 75 Jahre alt wird. Aber das wollen wir nicht unterstellen.

Was freilich ist Steinmeiers „Wir“. Folgende „Wir“-Assoziationen bietet das Staatsoberhaupt: Vielfalt, Freiheit, diskussionsfreudig, reisend in die Vergangenheit (Weimar, Auschwitz), mutig, mit vielen Identitäten, bürgergesellschaftlich, frei von Hochmut, ohne Furcht usw. „Leitkultur“? Nein, ein solcher Begriff kommt nicht aus Steinmeiers Feder. Implizit hält er es mit dem schrägen Narrativ der damaligen Integrationsbeauftragten in Merkels Kanzleramt und heutigen Bundestagsvizepräsidentin, Ayan Özeguz (SPD), vom 4. Mai 2017: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ Oder dieselbe schon 2015: „Unser Zusammenleben muss täglich neu ausgehandelt werden.“ So tickt man eben in der SPD, deren Mitglied Steinmeier – offiziell über den Parteien stehend! – im Moment nicht ist.

Vor allem „Vielfalt“ will Steinmeier, bloß nichts „Homogenes“. Da betet Steinmeier implizit die universalistischen DIE-Kriterien nach: diversity, inclusion, equity. Hierzu muss man denn doch zwei Steinmeier-Sätze zitieren: „Aber noch immer gibt es poli¬tische Kräfte, die nationale Homogenität herbeiwünschen und sich davon die Lösung unserer Probleme versprechen. Einige unter ihnen wollen eine solche Ho¬mogenität sogar gewaltsam herstellen und Deutsche ausbürgern, die für sie nicht ins Bild passen. Gegen solche verfassungsfeindlichen Phantasmen stellt sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.“ Hier wird Steinmeier vermeintlich topaktuell, denn er sitzt doch tatsächlich der Correctiv-Inszenierung von einem Potsdamer „Geheimtreffen“ auf, wo im November 2023 die „Deportation“ von Millionen „Deutschen“ projektiert worden sei. Mein Gott, Walter, einfach mal TE und die Entlarvung dieser Kampagne in vier Teilen lesen:

Zurück zum „Vielfalt“-Bekenntnis: Irgendwie erinnert das an einen alten Spruch Walter (ohne „Frank-W.“) Ulbrichts aus dem Jahr 1945 und der Aufbauphase der DDR: „Es muss nur nach Demokratie aussehen.“ Hier übertragen auf Vielfalt und auf Steinmeier: „Es muss nur nach Vielfalt ausschauen.“ Wörtlich Steinmeier: „Verschiedenheit ist das Signum moderner Gesellschaften. Realismus kann uns also lehren, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und die Eigenheiten sowie die abweichenden Haltungen von anderen Menschen in unserer Nähe zu akzeptieren, solange sie sich friedlich äußern.“ Was heißt das? Multikulturalismus ja, LSBTIQ-Diversity ja! Aber Vielfalt in der öffentlichen Debatte? Nein! Bloß nicht, das könnte ja schnell in den „Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“ einmünden, Zensuren im Netz „notwendig“ machen oder gar Heldenwang (pardon: Haldenwang) auf den Plan rufen, der dann zum Gefallen seiner Chefin Faeser das große Besteck von wegen „Beobachtungs- und Prüffall“ auspackt. Dass etwa 60 Prozent der Bundesbürger sich nicht mehr trauen, bestimmte Kritikpunkt auszusprechen, scheint im Bellevue bzw. bei des Bundespräsidenten Redenschreibern nicht angekommen. Nicht angekommen scheint im Schloss auch das Urteil „gelernter“, kritischer DDR-Bürger, die hinter vorgehaltener Hand sagen: „Was politisch und medial derzeit in Deutschland los ist, erinnert uns sehr an DDR.“

Habermas’scher Verfassungspatriotismus oder Habecks „Patriotismus“?

Übrigens: Der Begriff „Verfassungspatriotismus“ kommt Steinmeier nicht über die Feder bzw. die Lippen. Aber er meint ihn, weil der „Begriff des Staatsvolkes aus der Klammer des Völkischen befreit“ sei. Er betet damit nach, was Deutschlands Groß- und Staatsphilosoph Jürgen Habermas vorgebetet hat: ein steriles Bekenntnis zum Grundgesetz: postnational, globalistisch, universalistisch. Schließlich, so Habermas, sollten sich die Bundesdeutschen überhaupt nicht mehr an Sprache, Tradition, Kultur orientieren, weil der nationale Bezug durch den Nationalsozialismus diskreditiert worden sei. Die Folgen sind übrigens in den Multikulti-Klassen der sog. Bildungsnation zu sehen. Für Habermas (und für Steinmeier) ist die Republik eine Republik ohne nationale Exklusivität, dahinvegetierend im angeblich herrschaftsfreien Dauerdiskurs über universalistische Verfassungsprinzipien.

Also doch so, wie es „grüne“ Minister vorlebten?

Im Mai 1990 demonstrierte die damalige Europaabgeordnete, Ex-Zwei-Semester-Studentin, spätere Bundestagsvizepräsidentin und heutige „Kultur“-Staatsministerin Claudia Roth unter dem Motto „Nie wieder Deutschland!“ in Frankfurt gegen die deutsche Wiedervereinigung. Roth trug diese Parole mit mehreren prominenten Parteikolleginnen an der Spitze des Zuges vor sich her Im Jahr 2015 marschierte Roth, nunmehr Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, bei einer Demonstration in Hannover gegen die AfD hinter einem Block vermummter Linksradikaler her, die „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ und „Deutschland verrecke“ skandierten Im Jahr 2010 schrieb Robert Habeck, zu diesem Zeitpunkt Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im schleswig-holsteinischen Landtag, in einem seiner Bücher: „Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

Weiß Steinmeier etwas damit anzufangen – jenseits seines „Wir“-Geschwurbels?