Tichys Einblick
Deutsche Religionen

Fasten für den Klimagott

Carl Christian Bry (1893 - 1926) schrieb, dass es die Todsünde aller Ideologien sei, totale Welterklärung garantieren zu wollen. Mit verkappten Religionen meint Bry: Marxismus, Faschismus, Naturgläubigkeit, Vegetarismus, Astrologie, Pazifismus, Anthroposophie, Nacktkultur, Okkultismus. Heute müsste er die Klimareligion hinzufügen.

Flyer: EKD

Früher gab es den Wettergott. Er wurde flehentlich angerufen, wenn man als Landwirt Regen oder wenn man als Urlauber schönes Wetter brauchte. Petrus hieß er. Er war kein Gott, sondern eigentlich nur Apostel und der erste von bislang 307 Päpsten. Aber wer weiß das heute noch? Wahrscheinlich weiß man es nicht einmal mehr in den sogenannten großen Kirchen.

Petrus wurde ersetzt durch den Klimagott. Und siehe da: Dieser Klimagott fordert anders als Petrus seinen Tribut und seine Opfer. So wollen es die Hohepriester der Klimareligion. „Fasten für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit“ ist jetzt ab Aschermittwoch, 6. März, unter dem Motto „So viel du brauchst…“ (2. Mose 16) angesagt. Dahinter stehen die elf Ev.-Luth. Kirchen in Norddeutschland, in Oldenburg, in Bremen, in Hannover, in der Berlin-Brandenburg-schlesischen Oberlausitz, in Westfalen, in Lippe, im Rheinland, in Kurhessen-Waldeck, in Baden, in Württemberg, ferner die drei katholischen Laien-Diözesanräte der Bistümer Berlin, Hildesheim und Passau.

„Fasten“ soll man unter anderem in folgenden Bereichen: „Energiehaushalt“, „achtsam kochen und essen“, „fairer Konsum“, „anders unterwegs sein“, „plastikfrei leben“. Tipps und Anregungen gibt es unter www.klimafasten.de. Schauen wir uns „achtsam essen“ an; es ist für die 3. Fastenwoche vorgesehen. „Achtsam“ – das neue Modewort, das zwar keiner so recht definieren kann – interessiert uns doch, zumindest im Zusammenhang mit „essen“: Und siehe da, „achtsam essen“ heißt unter anderem: ich koche selbst und probiere ein veganes Rezept aus; ich verzichte auf Fleisch; ich wähle gezielt Produkte aus artgerechter Tierhaltung; ich verschaffe mir einen Überblick über meine Vorräte und prüfe, welche trotz vielleicht abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbar sind.

Womit wir fast schon an unser allerliebster grüner Verbots- und Volkspädagogikpartei wären. Wie man ja überhaupt unterstellen darf, dass es zwischen der Partei der Grünen und den Kirchen kaum noch große Unterschiede gibt. Man muss sich ja bloß die grünen Parteitagsprogramm und die Programme der Kirchentage anschauen. TE hat darüber berichtet. Siehe auch den Einsatz der evangelischen Kirche für Tempo 130.

Was ist nur los mit unseren Kirchen? Sind ihnen die spirituellen Motive für das Fasten ausgegangen? Ist ihnen im politisierenden Eifer insgesamt der Glaube ausgegangen, wie TE-Autor Klaus-Rüder Mai in seinem markanten Buch schreibt? Oder wird Religion hier „verkitscht“, wie Alexander Grau in seinem Buch „Die neue Lust an der Empörung“ (2017) feststellt?

Wenn der Mensch keine Religion mehr hat, dass bastelt er sich Ersatzreligionen

1828 hat Friedrich von Schlegel (1772 – 1829) in seiner „Philosophie der Geschichte in achtzehn Vorlesungen“ einige „fromm erleuchtete Geistliche“ sagen lassen: „Wenn man den Deutschen keine Religion gibt, so machen sie sich eine.“ Eric Voegelin (1901 – 1985) setzte 1938 (!) ein Buch mit dem bezeichnenden Titel „Die politischen Religionen“ darauf. Wie weitsichtig beide klugen Geister! Die Klimareligion gehört dazu, weil mit ihr Politik und Umerziehung gemacht werden.

Ein anderes großartiges Buch ist in diesem Zusammenhang lesenswert. Es ist das Buch „Verkappte Religionen. Kritik des kollektiven Wahns“ (1924) von Carl Christian Bry (1893 – 1926). Bry führt darin aus, dass es die Todsünde aller Ideologien sei, totale Welterklärung garantieren zu wollen. Mit verkappten Religionen meint Bry übrigens: Marxismus, Faschismus, Naturgläubigkeit, Vegetarismus, Astrologie, Pazifismus, Anthroposophie, Nacktkultur, Okkultismus. Heute müsste er die Klimareligion hinzufügen. Klima, Klima über alles! Über all diese „Religionen“ sagt Bry: Verkappte Religionen haben ein Grundmerkmal: sie sind monomanisch geprägt von der „Elephantiasis“ eines einzigen Motivs.

Religionssoziologisch mutet die aktuelle und mittlerweile auch kirchliche Klimadebatte mit ihren halbwüchsigen Heiligenikonen jedenfalls an wie der Ausdruck eines unstillbaren Devotionsbedürfnisses. Eine „gerechte“ Politik, hier Klimapolitik, wird zum säkularisierten Credo, zum Religionsersatz. Was der Schöpfer am Jüngsten Tag vollziehen kann, nämlich eine absolute Gerechtigkeit, das will der Klimabewegte schon im Diesseits installieren. Friedrich August von Hayek wusste zu gut, auf was der Anspruch totaler irdischer Gerechtigkeit hinausläuft: Für ihn ist „Gerechtigkeit“ das Trojanische Pferd des Totalitarismus.