Tichys Einblick
Gender-Propaganda in der Akademie Tutzing

Die evangelische Kaderschmiede – auf allen Augen blind

In der evangelischen Kaderschmiede Tutzing wird über Geschlechtergerechtigkeit gesalbadert, aber um die Unterdrückung der Frau im Islam geht es nicht. Zu den Protesten für Frauenrechte im Iran schweigt man dröhnend in einer dreitägigen Gender-Tagung.

Die Evangelische Akademie in Tutzing bei München (Aufnahme vom 26.2.2010)

IMAGO / epd
Schön ist es am Starnberger See. Schön ist es im herrschaftlichen Schloss der evangelischen Akademie Tutzing. Hohe Mauern bewahren es vor den Einflüssen der profanen Umwelt. Der Strand ist privat und ist wie ganz selbstverständlich, Jesu sei dank, nicht der normalen Bevölkerung zugänglich. Das eiserne Tor ist gesichert, Einlass erst nach phonologischer Kontaktaufnahme mit den Pförtner*Innen.

Die Nachfolger*Innen von Himmelspförtner Petrus lassen zahlende Gäste ein. Gäste, die vor allem Gläubige der herrschenden woken Ideologie sind. Der Leitspruch in Tutzing ist die „große Transformation“. Nicht zufällig erinnert das Motto an „The Great Reset“ von Klaus Schwabs Weltwirtschaftsforum. Alles soll transformiert werden, vor nichts soll der Reset halt machen. Und alles soll natürlich „gerecht sein“.

Dummerweise fehlt die Definition von gerecht. Was ist denn gerecht? Das, was die Christen vor 500 Jahren für ewig „gerecht“ hielten (zum Beispiel die Hexenverbrennung)? Das, was die arabischen Muslime heute für gerecht halten? Das, was die Chinesen in 100 Jahren für gerecht halten werden? Nein, gerecht und richtig ist das, was hoffärtig und dünkelhaft die evangelischen Funktionäre in Tutzing für richtig gerecht halten.

Drei Tage währt die Tagung Geschlecht – Eine persönliche & politische Geschichte im evangelischen Schloss hinter hohen Mauern, abgeschottet von der weniger pittoresken wirklichen Welt. Im Rund der Versammlungshalle versammeln sich unter Aufsicht universitär-akademischer Missionar*Innen etwa 50 Besucher*Innen, um ihren ideologischen Gottesdienst zu zelebrieren. Innen sind gar viel, Besucher gar wenig, und Sternlein? Weißt du, wie viel Sternlein stehen? Wahrscheinlich keine, aber wer weiß das schon so genau in einer Zeit, in der man das Geschlecht so schnell wechseln kann. Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort …, hat schon Hannes Wader gedichtelt.

Der Tagungsleiter Dr. Wagner bekennt in seinem Vortrag „Geschlecht“ spornstreichs, er wüsste auch nicht, was an ihm männlich sein sollte. Da werfen viele Innen mitleidsvolle und gar manche enttäuschte Blicke auf ihn. Und schon sind wir mitten im Thema. Das Geschlecht, ein toller Begriff, der uns sagt, dass wir nichts über ihn wissen. Aha. Aber ganz so unklar ist es doch nicht. Die Ultrafeministin Christina von Braun, die 1997 in Deutschland erstmals den Studiengang Gender Studies an der berüchtigten Humboldt-Universität in Berlin einführte, weiß immerhin, dass alle Geschlechter toll seien, außer, ja außer dem männlichen. Dr. Wagner stört das nicht weiter, da er eh nicht weiß, was an ihm männlich sein soll.

Und von Braun hat in ihrem Vortrag „Geschlecht – Plädoyer für einen altmodischen Begriff“ flugs ein angeblich wissenschaftliches Beispiel bei der Hand. Bei schwulen Paaren, die sich beide um ihre Kinder sorgten, fand man angeblich heraus, dass sich dadurch deren Gehirnstrukturen und deren Testosteronlevel verringerten. Belege dafür präsentierte Frau Prof. Dr. phil. zwar nicht, aber sie fand, sie habe das Ei (oder vielleicht sogar die Eier?) des Kolumbus gefunden. Je weniger Testosteron, desto weniger Bosheit in der Welt.

Auf Nachfrage präsentierte sie die Lösung der Menschheitsprobleme: Die Männer sollten sich in Zukunft um die Kinder sorgen, dadurch weniger Testosteron produzieren und ruckzuck wird die Welt besser. Der schwule Nachbar im Rund findet das irgendwie nicht so lustig und murmelt irgendetwas vom Dritten Reich, ist aber dann doch schnell zufrieden, weil von Braun ja auch den Schwulen den Bart balbiert. Dass das Testosteron für Risiko und Draufgängertum steht, ohne das vieles erst gar nicht entdeckt und erforscht worden wäre, das steht nicht zur Diskussion.

Kontroverse Diskussionen gibt es keine in Tutzing. Leise hervortastende Widermeinung erfährt zuerst ein ungläubiges Staunen und dann einen scharfen Ton, natürlich mit gefrorener Freundlichkeit garniert, denn: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Schein-Heiligkeit nennt man die unterdrückte Aggression mit einem Lächeln auf den Lippen. Und natürlich denken die Rechthaber, dass sie für ewig Recht haben, und sie denken, dass sie die intellektuelle Speerspitze der Zukunft sind. Und wenn sie Recht haben, dann haben natürlich die Anderen Unrecht.

Der Name Tutzing stammt übrigens von der Adels-Familie Tozzi und Tuzzo. Die sind zwar ausgestorben, aber die neuen kirchlichen Besitzer des Schlosses haben keinen geringeren Wahrheitsanspruch als der alte Adel. Und das entspricht schließlich auch dem christlichen Glauben. Monotheismus heißt schließlich Eingottglaube. Und wenn es nur einen Gott gibt, gibt es nur eine Wahrheit, und das ist natürlich die eigene.

Prof. Dr. Renate Jost richtet ihren feministisch theologischen Blick auf „G*tt- m/w/d“ (das steht doch hoffentlich nicht etwa für männlich, weiblich, deutsch?) und das Geschlecht im Buch Exodus und anderen biblischen Texten. Jost vertritt die Ansicht, im Polytheismus seien die Götter geschlechtsunabhängig nach ihrer Funktion geordnet. Wer sich aber den indischen Götterhimmel anschaut, sieht, dass es genau umgekehrt ist. Das Geschlecht der Götter bestimmt ihre Funktion. Shiva ist der Erzeuger und der Zerstörer, der Gott der Ekstase, während Parvati, Kali und Lakshmi Elemente der Weiblichkeit repräsentieren.

Nun ist es in Tutzing so wie überall in der Welt: Was man sehen will, sieht man, und wenn man es umgekehrt sehen will, findet man auch Belege dafür. So spricht Prof. Renate Jost von einer Vergöttlichung des Männlichen. Aber wer heute das woke Fernsehen schaut, sieht, dass das Weibliche vergötzt wird. Es gibt vor allem starke gute Frauen und schwächlich bösliche Männchen. Die guten Männchen sind die, die nicht mehr wissen, ob sie Männchen oder Weibchen sind.

Und wenn man so in die Runde schaut, ist tatsächlich kaum zu erkennen, wer Männlein oder Weiblein ist. Hosen haben fast alle an. Die wenigen Männlein sind vor allem daran zu erkennen, dass sie entweder ungekämmt sind oder Glatze tragen. Weiblichkeit, wie man sie aus anderen Kulturkreisen kennt, ist gar nicht zu beobachten.

Ines Geipel, Ex-Spitzensportlerin der DDR und wie viele Athletinnen einst durch Testosterongaben gedopt, also vermännlicht, beschreibt die ganze Katastrophe der gezielten hormonellen Veränderung der Mädchen zwecks sportlicher Leistungssteigerung. Sie sind weder Mann noch Frau, fühlen sich immer zwischen den Geschlechtern und viele enden im Suizid. Ines Geipel hält praktisch ein Plädoyer gegen die Geschlechtsumwandlung. Da es aber um die DDR geht, fällt dies keinem der Zuhörer*Innen auf.

Prof. Dr. Jörg Scheller ist der Außenseiter, der wohl das Männliche der Tagung repräsentieren soll. Bei seinen Reflexionen gerät das Männliche allerdings zum Monsterhaften, der Mann wird zum Freak. Es geht um Bodybuilder, es geht um muskuläre Berliner Punks, die auch nicht wissen, ob sie männlich oder weiblich sind. Es geht um alles, nur geht es nicht um den normalen Mann. Prof. Scheller ist der „Respekt“ sehr wichtig. Leider ist der Respekt immer so einseitig definiert, dass er zum Kampfbegriff gerät. Respekt gegenüber von den Woken definierten Opfergruppen, den Schwulen, den Muslimen, den Transen usw. Von Respekt gegenüber AfD-Wählern, Respekt gegenüber Trump-Wählern, gegenüber Querdenkern und Impfskeptikern redet niemand. Da ist man gerne respektlos. Und doch wird Scheller als Einziger vom Publikum angegangen. Sein Plädoyer für Männlichkeit stößt auf Ablehnung, besonders unter den Männern, die nicht wissen, ob sie … Sie wissen schon.

Frau oder Herr Ganserer benimmt sich in seinem Vortrag so, wie sich ein Mann benimmt, der unbedingt eine Frau sein will: höchst emotional, mit hell erhobener Stimme höchst empört. Mit dem Thema „Unser Geschlecht – unser Menschenrecht“ hat biologisch Herr, genderisch Frau Ganserer, Vater von zwei Söhnen, das Wort, klagt er oder sie ein angebliches Menschenrecht auf jegliches Geschlecht ein. Und wer sich getraute, der Empörung zu widersprechen, der sähe sich ganz schnell auf der harten Bank der Anklage. Wie die AfD und all das rechte sexistische Pack.

Empörung!

Empörung ist heute das emotionale Totschlagsargument, mit dem man sich gut fühlen und gleichzeitig den anderen an die Wand drücken kann. Empörung duldet keinen Widerspruch. Empörung ist die autoritäre Rhetorik des Haltungsbürgers, um nicht auf die Argumente des anderen eingehen zu müssen. Empörung ist: Du bist böse und ich zeige ja nur meine berechtigten Gefühle dazu.

Und wieder kocht die Empörung hoch: „Kein Familiendrama – nennt es Femizid:  Geschlechtsspezifische Gewalt als strukturelles Problem“, vorgetragen von Christina Clemm. Was schon zu erwarten war: Gewalt ist männlich! Weibliche Gewalt? Was nicht sein darf, kann nicht sein. Diese Diskussion verbieten wir uns.

Mindestens genauso wichtig wie das Gesagte ist immer das Nichtgesagte. Es steht ein riesiger Elefant in der Tagungshalle, und er wird einfach ignoriert. Wenn es in Tutzing um die in Deutschland angeblich strukturelle Gewalt durch Männer geht, geht es unausgesprochen immer um den bösen weißen deutschen Mann. Es geht nie um den riesigen Anteil der wirklich strukturellen Gewalt der islamischen Männer in Deutschland. Dort, wo die Untersuchung von Gewalt-Struktur wirklich bitter nötig wäre, genau dort wird sie vermieden.

Es geht in Tutzing auch nicht um die Gewalt gegen Frauen in der arabischen Kultur. Wer aber einmal in arabischen Ländern gelebt hat, weiß auch, wie weit diese strukturelle Gewalt geht. Und wie weit sie durch immerwährende Gehirnwäsche besonders auch in den Gehirnen der Frauen verankert ist. Wer in einer feministischen Tagung zu der Frauenrechtsbewegung im Iran schweigt, dessen Scheinheiligkeit ist unfassbar unmoralisch. Wenn die Außenministerin Annalena Baerbock in einer Bundestagsrede behauptet, die Gewalt gegen Frauen im Gottesstaat Iran habe mit Religion und Kultur „nichts, aber auch gar nichts zu tun“, das sei „schlicht ein entsetzliches Verbrechen“, dann ist das ein neuer Tiefpunkt, in dem Willen, die Ursachen für Unterdrückung und Ungleichberechtigung NICHT zu benennen.

Das zeigt plastisch, dass eine Diskussion über die wirklich gravierende Unterdrückung der Frau im Islam tabuisiert wird. Das zeigt auch in Tutzing, dass es offensichtlich gar nicht um eine Diskussion der Unterdrückung der Frau in der Welt geht, es geht offensichtlich nur um eine sexistische Diffamierung des „alten weißen Mannes“. Hier gilt der Umkehrschluss des Wortes Jesu: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Hier gilt es, den Balken im Auge des Islam zu sehen, das Splitterchen im eigenen Auge ist dagegen geradezu harmlos. Wenn es in Tutzing um Feminismus und bei Baerbock um feministische Außenpolitik geht, warum wird dann die Sache der Frauen im Islam verraten und ganz aktuell zum Freiheitskampf der Frauen gegen islamistische Unterdrückung im Gottesstaat Iran geschwiegen?

Hat Jesus noch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten diskutiert und diese mit ihm, so steht den modernen Schriftgelehrten in der evangelischen Akademie danach nicht der Sinn. Meinungsvielfalt? Das ist in der evangelischen Akademie nicht vorgesehen. Das würde die heilige Einfalt nur stören. Es ist erhebender, das Immergleiche aus unterschiedlichen Perspektiven vorzubeten. Wirklich andere Meinungen werden nur hinter vorgehaltener Hand beim mittäglichen Bio-Eintopf geäußert. „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“, soll Luther gesagt haben. Und fröhlich gefurzt wird in Tutzing nicht. Offen traut sich niemand, aus dem engen Meinungskorridor auszubrechen. Das Schäflein, das zu weit von der Herde irrt, wird in Tutzing misstrauisch beäugt, Exkommunikation aus der Gemeinde der Erleuchteten droht.

Und so esset die karge Biokost und träumet von bayrischen Köstlichkeiten außerhalb der Schlossmauern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns … Und tja, selbst Jesus war fast der Versuchung des Teufels erlegen. Als er in der Wüste 40 Tage fastete und Satan ihn versuchte, erlag er wahrscheinlich deshalb der Versuchung nicht, weil weit und breit keine gegrillte Schweinshaxe zu sehen war.

Im Kloster Andechs, wenige Kilometer von Tutzing entfernt, sieht die Versuchung schon ganz anders aus. In der katholischen Andechser Klosterbrauerei gibt es frisches Klosterbier und knusprige Schweinshaxn und bei der Evangelischen Akademie in Tutzing Bio-Eintopf, und für die, die mal die Sau rauslassen bzw. reinlassen wollen, ein Rädchen magere Schweinswurst.

Also führt man sich am Sonntagnachmittag gerne in Versuchung. Außerhalb der Schlossmauern atmet man regelrecht auf, vermeint zu spüren, dass plötzlich ein freier Geist weht. Und in der Andechser Klosterbrauerei bei frischem Schwarzbier und einer Schweinshaxn am Tisch mit zwei Lokführern führt man schon ganz andere Gespräche. Es geht um das Leben und nicht um Hirnfürze. Und fröhlich gefurzt wird nicht in Tutzing, sondern in der Klosterkneipe in Andechs.