Tichys Einblick
Wiedergänger

Eine Messe unter Linken

Mit großer Selbstverständlichkeit trugen unübersehbar viele Besucher eine Karl Marx Tasche über der Schulter. Die Auferstehung des Heiligen Vaters aller Roten war auf der Messe nicht zu übersehen. „Grüß Gott. Da bin ich wieder.“

Torsten Preuß

Als Kind des Kommunismus bin ich quasi von Geburt an aus tiefster menschlicher Überzeugung Antikommunist und jeder, der mich kennt, weiß das. Als Verleger und Schriftsteller mache ich daraus kein Geheimnis. Auch nicht auf der Leipziger Buchmesse, auf die ich mich gefreut hatte. Aber der liebe Gott hatte mal wieder andere Pläne und so stand ich als Aussteller plötzlich mitten drin im „Red Light Distrikt“ der Leipziger Messe. Dass es so etwas überhaupt geben würde, hätte ich nicht gedacht. Aber, es war nicht zu übersehen. Lenin, Marx, Honecker, alle waren vertreten auf Flyern, Bildern, Büchern und ich mittendrin. Im Rücken die westdeutschen Zentralorgane der „Linken“, die Taz und der Freitag, und im Gesicht das ostdeutsche Zentralorgan aller ewig Gestrigen, das sogar noch so heißt, wie damals: Neues Deutschland. Keine fünf Meter vor meinen Augen. Und, noch schlimmer, vor meinen Ohren, lobten die Genossen die alten Zeiten, als würde es die „DDR“, die „Sowjetunion“, den „Warschauer Pakt“ und all die anderen roten Zutaten der kommunistischen Welt immer noch geben. Die ist 1989 untergegangen und wenn uns damals jemand gesagt hätte, sie würde 30 Jahre später wieder auferstehen, um das nächste Mal die Welt zu erobern, dann? Hätten wir nicht mal darüber gelacht. Zu absurd und gruselig wäre diese Vorstellung gewesen.

Ein Augenzeugenbericht
Tellkamp - Im Namen der Wahrheit
Jetzt könnte man sagen, das ist alles nur noch Folklore am Rande. Deutschland hat heute ganz andere Probleme. Nicht die Kommunisten, sondern die Islamisten sind nun die wahre Gefahr. Aber auch die könnten ohne die „Linken“ hier nicht machen, was sie wollen. Immerhin sitzen sie ja nicht nur an ihren Messeständen, sondern mit im Bundestag. Und so wie dort war auch an den Ständen vor und hinter mir das Hauptthema der „Antifaschistische Widerstand“. Nicht der von Früher, sondern der von Jetzt. Im „Kampf gegen rechts“. Damit ist weiterhin jeder gemeint, der nicht 100 Prozent ihrer Meinung ist. Und jeder, der das nicht einsieht, ist und bleibt ein „Nazi“, ein „Faschist“, also ein „Feind“, den es zu bekämpfen gilt. Ein Originalton, der nicht nur am Stand des „Neuen Deutschland“ immer wieder fiel: „Wenn wir regieren würden, dürften die ganzen Braunen gar nicht wählen.“

Darüber waren sich alle „Linken“ einig. Am liebsten würden sie alle „Rechten“ verbieten, verhaften, verjagen, was auch immer, Hauptsache, sie sind erledigt. Auf meine Frage, warum die „bösen Rechten“ denn nicht hier seien, um die „guten Linken“ zu bekämpfen, wussten sie erst mal keine Antwort.

Stattdessen lief es weiter andersherum. Das „Kommando Compact“ übte vor seinem Angriff auf das „Faschistenblatt“ im Untergeschoss die „Internationale“. Und ihre linken Kampfgenossen zogen durch die Hallen und rissen Plakate von Büchern ab, die ihnen nicht gefielen. Weil ich einen von ihnen dabei filmte, war ich danach ein „Faschist“, der zu den „hässlichen Deutschen“ gehört. Die müssen natürlich mit allen Mitteln bekämpft werden. Als er danach vor meinem Stand auftauchte, war ich froh, dass es noch Aussteller gab, die so dachten wie ich und mich beschützten. Die linken „Aktivisten“ wirken ja oft, als stünden sie unter Drogen, wenn sie gegen jeden, der anders denkt als sie, verbal und auch mit Gewalt vorgehen. Damit sind aber sie die wahren Bösen, die wahren Antidemokraten, die wahre Gefahr für uns, also Deutschland. Und sie scheinen immer mehr zu werden.

Das war das, was mir in diesen vier Tagen am meisten Angst gemacht hat. Mit ihren Vorstellungen von Deutschland und der Welt sind die „Linken“ nicht mehr allein.

Mit einer absoluten Selbstverständlichkeit trugen unübersehbar viele Besucher eine Karl Marx Tasche über der Schulter. Ohne jedes schlechte Gewissen, nicht mal einem schlechten Gedanken oder einer wenigstens kritischen Überlegung dabei. Die Auferstehung des Heiligen Vaters aller Roten war auf der Messe nicht zu übersehen. Titel: „Grüß Gott. Da bin ich wieder.“ Obwohl er der Vater der blutigsten Ideologie aller Zeiten war, ist und bleibt. Ganz egal. In ihrem Weltbild steht er weiterhin für das Gute und jeder, der anders denkt, ist weiterhin ein Böser. Also jemand, gegen den zu kämpfen jedes Mittel Recht ist. Ich hatte unter ihnen, den Linken, oft das Gefühl, dass ich jederzeit ein Auserwählter auf dem Weg zum roten Schafott hätte werden können. Sie schauten mich an, wie eine Laus, die man entsorgen muss. Und, sobald Menschen wie sie wieder das Sagen haben, wäre es auch wieder soweit.

Noch sind wir zwar in einer Demokratie, aber die allgemeine Grundstimmung scheint schon ins Gegenteil zu weisen. Ausgehend von ganz normalen Menschen, die plötzlich keine mehr sind. Und immer, wenn es in einer Gesellschaft so weit ist, ist sie in Gefahr. Es sieht wirklich nicht gut aus. Das ist mein Eindruck nach vier Tagen unter Linken. Echt gruselig.

Torsten Preuß ist Journalist und Schriftsteller.

http://www.1liebe2welten.de