Tichys Einblick
Marode Sicherheit in Berlin

Ein Land, das aus den Fugen gerät

Es gibt noch Wachstum in Deutschland. Die Zahl der Angriffe auf Sanitäter, Pflegekräfte und Feuerwehrleute steigt. Das Beispiel Berlin gibt ein gutes Bild davon, warum Menschen in Deutschland unzufrieden sind.

Bilder eines Tatorts: Am 11. Dezember 2023 wurde in der Eisenacher Straße in Berlin Charlottenburg ein Mann erschossen

IMAGO

In Platons Höhlengleichnis sitzen die Gefangenen vor einer Wand und sehen von der Welt nur deren Schatten. Wenn sie die Welt schildern, schildern sie folglich nur deren Schatten. Wer sich mit Hilfe von ARD, Süddeutsche oder Correctiv informiert, der sieht ein Land, dessen Mitte anschlussfähig für den Rechtsextremismus sei, wie es Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt. Deshalb erstarke die AfD. Wer sich die Hauptstadt des Landes anschaut, statt deren Schatten, der bekommt ein Bild davon, warum die Wähler von den Ampelparteien und der CDU weglaufen, die diese Ampelparteien in anderen Koalitionen an der Macht halten will – und sogar vor den Linken nicht mehr zurückschreckt.

Das Beispiel Berlin zeigt ein Land, das aus den Fugen gerät. In dem ein Krankenhaus kein sicherer Ort mehr ist. 12.300-mal fuhr die Polizei zu Einsätzen in Krankenhäuser. Allein 2023. Allein in Berlin. In Sachen Angriffen auf Pflegekräfte verzeichnet die Hauptstadt Rekorde: 140-mal wurden Pflegekräfte 2023 in Berlin attackiert – 101-mal kam es dabei zu Körperverletzungen. Eine Zunahme der Fälle um 40 Prozent in fünf Jahren. Die Polizei geht obendrein von einer hohen Dunkelziffer aus.

Zählt man die Feuerwehrleute und Rettungskräfte dazu, kam es im vergangenen Jahr zu 1080 Angriffen – darunter Nötigungen, Bedrohungen und sexuelle Übergriffe. Das gesellschaftliche Zusammenleben ist in der Hauptstadt in Gefahr. Immer weniger respektieren die Angreifer Menschen, die für andere einstehen. Das zeigen nicht nur die tätlichen Übergriffe auf Rettungskräfte. Das gilt auch für den Umgang mit deren Arbeitsmaterial. Immer wieder brechen Täter in Berliner Feuerwachen ein, haben dort im vergangenen Jahr einen Schaden von rund 200.000 Euro angerichtet. Die Politik stellt jetzt 1,2 Millionen Euro bereit, um die Wachen zu beschützen. Sie muss sich aber beeilen. Im jungen Jahr 2024 hat es schon wieder die ersten drei Einbrüche in Feuerwachen gegeben – allein in Berlin.

Aber nicht nur Pflegekräfte, Sanitäter und Feuerwehrleute leben in Berlin gefährlich. Auch Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes müssen um Leben und Gesundheit fürchten. 247 Angriffe gab es auf sie im vergangenen Jahr. Nicht in Berlin. Nur im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Jeden Werktag wird ein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von einem Besucher attackiert – in nur einem Bezirk. Im Vorjahr waren es laut Bezirksamt nur 73 Vorfälle. Ein Anstieg von deutlich über 200 Prozent in einem Jahr. Nur etwas mehr als jeder zehnte Fall kommt zur Anzeige – die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes lassen die Attacken offensichtlich über sich ergehen.

Keine Zahlen erhebt die Stadt Berlin zu Übergriffen psychisch Kranker. Doch, die nehmen zu – zeitgleich mit der Zunahme des Drogenkonsums. Sodass die Berliner Morgenpost von der „Angst in der U-Bahn“ titelt. Das Blatt schildert den Fall eines Vaters, der samt seinem kleinen Sohn von einem offenbar psychisch Kranken attackiert wird und gibt Tipps, wie Passanten mit solchen Situationen umgehen sollen: Es mache keinen Sinn, „sich auf Diskussionen einzulassen“, sondern besser „die Situation zu verlassen“.

Einen Eindruck von den Schwerpunktsetzungen in Berlin gibt dann noch Helen Niemeyer von der Freien Universität: „Es darf nicht das Ziel sein, sie (psychische Erkrankungen) im öffentlichen Raum unsichtbar zu machen.“ Wer hart arbeitet, um Frau Niemeyers Gehalt mitzufinanzieren, soll auf dem Weg dorthin und zurück auch noch einen Slalom um psychisch Kranke machen, die ihn bedrohen. Dann hat Frau Niemeyer nicht nur ein gutes Gehalt, sondern auch ein gutes Gefühl, denn sie kann sich über die Sichtbarkeit von Bedrohungen freuen.

Fällt der Arbeitnehmer dann am Freitag abends erschöpft ins Bett, soll er bloß nicht überlegen, etwas anderes als Ampel oder Union zu wählen. Sollte er unzufrieden sein, bloß weil er hohe Steuern für eine Sicherheit zahlt, die ihn nicht schützt, muss er wissen, dass er damit laut Faeser anschlussfähig für Rechtsextremismus ist. Da bleibt dem Staat dann nichts anderes übrig, als gegen seinen Steuerzahler zu demonstrieren. In der Höhle von SPD, ZDF und TAZ sind dann alle Probleme gelöst. Mit Schatten kämpfen können sie dort.

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