Tichys Einblick
So manches Geschäft stinkt eben doch

„Echo“-Auszeichnung für antisemitische Rapper

Medial verkommt dieses Land jeden Tag ein Stück mehr. Wo blieb der Boykott der ach so zivilgesellschaftlichen „Stars“?

© Andreas Rentz/Getty Images

Am Donnerstag (12. April) wurde in Berlin der „Echo-Preis 2018“ in insgesamt 18 Kategorien verliehen. Für einen Skandal sorgte, dass die Rapper Kollegah (33) und Farid Bang (31) trotz antisemitischer und frauenfeindlicher Ausfälle einen Preis gewannen – und zwar in der Kategorie Hip-/Hop/Urban National mit ihrem von der Bertelsmann Music Group herausgegebenen Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ (JBG3).

Darin finden sich Textzeilen wie: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen / Ich tick‘ Rauschgift in Massen, ficke Bauchtaschenrapper (…) / Fuck mich ab und ich ficke deine schwangere Frau / Danach fick‘ ich deine Ma, die Flüchtlingsschlampe.“ „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ – gemeint ist damit wohl die exhibitionistisch-narzisstische Pose von Bodybuildern, die ihren Körper über hervorstechende fettfreie und dehydrierte Muskelpakete „definieren“ möchten. Und das, unmittelbar nachdem Israel wie jedes Jahr am 12. April der sechs Millionen Opfer des Holocaust gedachte!

Die im Dunkel sieht man nicht
Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit im Deutschrap
Aber beim „Echo“ herrschte weitgehend ungetrübt Friede – Freude – Eierkuchen. Helene Fischer tanzte mit Luis Fonsi zu seiner neuen Single. Nur Campino („Tote Hosen“) versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war; er kritisierte das Rapperduo unter anderem wie folgt: „Für mich persönlich ist eine Grenze überschritten, wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme, antisemitische Beleidigungen geht und auch um die Diskriminierung jeder anderen Religionsform.“ Das war’s fast schon. Moderatorin Ruth Moschner meinte: „Das hat nichts mit Kunst zu tun, das ist für mich Blödheit!“ Musik-Produzent Alex Christensen gab nach der Preisverleihung von sich: „Es ist uns allen ein bisschen peinlich.“ Ein „bisschen“! Vor der Preisverleihung sagte Jan Josef Liefers zu „Bild“: „Grundsätzlich gilt für die Musik genau das gleiche wie für die Kunst – sie ist frei! Natürlich passieren dann Dinge, die Menschen beleidigend finden, aber das muss man dann eben aushalten. Das bringt die Freiheit mit sich.“ Der Deutsche Kulturrat erhob schwere Vorwürfe gegen die Veranstalter des Musikpreises. Schon die Nominierung der beiden zeuge von „wenig Selbstreflexion“, sagte Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann.

Bundesaußenminister Heiko Maas meldet sich auch zu Wort. Er bezeichnet die Verleihung des Echo an Kollegah und Farid Bang am Holocaustgedenktag als „beschämend“. „Antisemitische Provokationen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärtig“, twittert er. Weniger willkommen war den Empörten, dass sich die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel zu Wort meldete und twitterte: „Um #FaridBang mit seinen eigenen Worten zu zitieren: Er ist nichts weiter als ein ‚Asozialer Marokkaner‘, der unsere Werte verachtet und nicht in unser Land gehört!“ Das war all den bei der Echo-Veranstaltung anwesenden Gutmenschen denn doch zu sehr „unter der Gürtellinie“.

Über dieses Rapperduo muss man kein Wort verlieren. Aber ein paar Fragen stellen sich schon: Wie können solche am Rand des Strafgesetzbuches dahinschrammende Texte überhaupt nominiert werden? Wie kann es sein, dass solche „Produkte“ Verkaufsschlager sind? Wer kauft sie? Wie kann es sein, dass solche Texte nicht wenigstens von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien für Minderjährige indiziert wurden?

Vor allem aber: Wie kann es sein, dass „Stars“ wie Helene Fischer, Campino oder Jan Josef Liefers bei solchen Preisverleihungen zugegen sind bzw. nicht zumindest, solange sich die Rapper-Prolos auf der Bühne finden, den Saal verlassen? Leute, die sonst das Lied von der Zivilgesellschaft leicht und schnell im Munde führen? Warum machen bei solchen Veranstaltungen „Stars“ überhaupt mit? Warum bleiben sie nicht fern? Sie wussten doch zuvor, was kommt. Welch Echo.

Die Bertelsmann Music Group (BMG) brachte immerhin das Album „JBG 3“ heraus. Die frühere Bertelsmann-Tochter freute sich über diese „außergewöhnliche Veröffentlichung“ und „jene Sorte Erfolg, die belegt, wie wichtig es doch ist, Künstlern und deren Visionen Vertrauen zu schenken“.

Resümee: All dies sind rhetorische Fragen, denn die Antwort ist, dass dieses Land medial jeden Tag ein Stück mehr verkommt. Oder wie der Römer sagen würde: „pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht. Dieser Satz stammt vom römischen Kaiser Vespasian, der eine Latrinen-Steuer eingeführt hatte.