Tichys Einblick
Politische Satire im Klimanotstand

Dieter Nuhr ist ein Klima-Was?

Der politische Kabarettist Dieter Nuhr schwimmt in der ARD gegen den (klima)politischen Allgemeinstrom.

imago images / Agentur 54 Grad

Obwohl sich der politische Kabarettist Dieter Nuhr, einst Gründungsmitglied der Grünen, mit seinen satirisch-kritischen Äußerungen zu Greta Thunberg und Fridays for Future schon mehrfach gehörige Shitstorms von Gretas Jüngern (politisch korrekt: Jünger*innen) und seinen früheren Parteifreunden eingehandelt hat, will er von seiner Frevelei offenbar nicht lassen. In seinem am 19. Dezember von der ARD ausgestrahlten Jahresrückblick hat er an dessen Ende erneut erhebliche Zweifel angemeldet, ob wir vor einer klimatischen Apokalypse stehen und wir deswegen wichtige Errungenschaften des technisch-industriellen Fortschritts, zu denen nicht nur die fossile Energieerzeugung, sondern auch die Atomenergie gehört, einfach komplett abschalten sollten, ohne schon über bessere (technologische) Alternativen zu verfügen. Als Kabarettist garnierte er seine ungewöhnlich ernst vorgetragene Kritik unter anderem mit der kleinen Anekdote, er habe seiner Tochter, die an den Demos von Fridays for Future teilnimmt, angekündigt, sie in ihrem Anliegen aktiv zu unterstützen, indem er im kommenden Winter die Beheizung ihres Zimmers abstellt.

Derlei politisch inkorrekte, gegen den Mainstream schwimmende Satire ist im heutigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dem wohl wichtigsten Förderer und Wächter der Political Correctness in Deutschland, eher ungewöhnlich und erstaunlich. Dominiert wird das dort durchaus häufig vertretene politische Kabarett, etwa in Gestalt von Sendungen wie „Die Anstalt“ oder die „Heute-Show“, durch Künstler, deren Kritik an den herrschenden Verhältnissen sich weitgehend darin erschöpft, dass die etablierten Parteien ihrem eigenen Mainstream (noch) nicht ausreichend folgen. Nuhr schwimmt verglichen damit gegen den Strom und sieht sich daher mit seiner Kritik an einigen Grundpfeilern des Mainstreams nicht nur im Internet, sondern gewiss auch in den Gremien der zuständigen Anstalten massiver Kritik vonseiten all jener politischen und gesellschaftlichen Kräfte ausgesetzt, die kein Interesse daran haben, derlei Kritik eine breite öffentliche Plattform zu verschaffen. Das gilt derzeit in besonderer Weise für das mit Hilfe von Greta Thunberg und den Campaigning-Experten ihrer Eltern in den öffentlichen Vordergrund gerückte Thema Klimawandel, der mittlerweile mit dem Segen des EU-Parlaments zum Klimanotstand mutiert ist.

Die Verfechter einer Klima-Notstandspolitik fürchten nicht ohne Grund, ihre mühsam errungene Hegemonie im öffentlichen Diskurs könnte durch prominente Kritiker in ähnlicher Weise Schaden nehmen wie ihre bis zur Kölner Silvesternacht errungene Hegemonie in Fragen der Migration oder ihre bis zur Eurokrise oder auch dem Brexit errungene Hegemonie in Fragen der Weiterentwicklung der EU. Da ist es doch ratsam, den Kritikern der eigenen Position möglichst wenig Präsenz in den Medien, allen voran den öffentlich-rechtlichen einzuräumen, solange diese (noch) von den Anhängern der eigenen Position beherrscht werden. Nicht nur die Funktionäre und Anhänger der Grünen wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig und mühsam es ist, sich solche Möglichkeiten der gezielten politisch-medialen Einflussnahme zu erobern – und möglichst exklusiv für sich zu nutzen.

Dieter Nuhr wird daher als ein mit vielen Wassern gewaschener politischer Kabarettist sehr aufmerksam den Rausschmiss seines Kollegen Uwe Steimle beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) verfolgt und darüber nachgedacht haben, wie er sich ein solches Schicksal bei der ARD ersparen kann. Ein Ergebnis dieses Nachdenkens war sicherlich, dass er sich gegen den Vorwurf wappnen muss, mit seiner Kritik an Greta Thunberg und ihren Jüngern Wasser auf die Mühlen der AfD zu lenken, was nicht nur in der ARD vermutlich einem öffentlich-rechtlichen Todesurteil gleichkäme. Diesem Urteil ist er unter anderem mittels der Dramaturgie seines Jahresrückblicks dadurch entronnen, dass er gleich zu Beginn der Sendung deutlich machte, dass er die AfD, nicht nur in Gestalt von Björn Höcke, für eine Partei hält, die wieder eine nationalsozialistische Diktatur in Deutschland einführen möchte. Ob er dies nun tatsächlich auch so sieht, oder den Nazi-Vorwurf Richtung AfD eher als taktisches Mittel nutzt, um sich von der AfD öffentlich abzugrenzen und so dem Nazi-Vorwurf an die eigenen Adresse zu entgehen, weiß allein Nuhr selbst, vielleicht noch seine Berater. 

Gewiss dürfte allerdings sein, dass ihm die Gefahren für seinen guten Ruf als politischer Kabarettist bewusst sind, die ihm in den Medien dadurch drohen, dass er mit seiner Kritik am Mainstream der Klimapolitik und dessen schwedischer Galionsfigur Positionen vertritt, die auch von der AfD vertreten werden. Ähnliches gilt für das Thema Islam, in dem sich Nuhr bei den Freunden des Mainstreams schon einige Zeit vor Greta sicherlich auch weniger Freunde als bei der AfD gemacht hat. Der Grat, auf dem Nuhr mit seiner satirischen Kritik am politischen Mainstream in der ARD wandert, ist daher recht schmal. Geht er ihn weiter, ist es durchaus möglich, das ihn eines Tages der Vorwurf einholt, er befördere die Zustimmung zu einer Partei, die er selbst in seinen Sendungen als nazistisch bezeichnet. Das wird vor allem dann der Fall sein, sollte nicht nur die Kritik an der klimabezogenen Notstands-Politik mehr öffentliche Resonanz und Zustimmung erfahren, sondern auch die AfD bei kommenden Wahlen noch weiter zulegen. 

Es ist nicht auszuschließen, dass in einer solchen Konstellation klimapolitische Kritiker wie Dieter Nuhr medial nicht mehr als „Klima-Leugner“, sondern als „Klima-Nazis“ verunglimpft werden, teilen sie doch mit ihrer Kritik die Positionen einer solchen Partei. Das hätte den Vorteil, dass auch Nuhr mit einem Auftrittsverbot belegt werden könnte wie Höcke beim ZDF und Gauland bei der ARD. Dass Adolf Hitler Vegetarier war und einem Verbot des Fleischkonsums aus Klimagründen, hätte es zu seiner Zeit die Grünen schon gegeben, wahrscheinlich zugestimmt hätte, sollte im Kampf um die Meinungshoheit angesichts eines immer größer werdenden Nostands dann verständlicherweise keine Berücksichtigung finden. Wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Das wissen auch unsere neuen Notstands-Politiker an der Klimafront.

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