Tichys Einblick
Geht’s noch schräger?

Die Ukraine friert, und der Bund versteigert 36.400 Wolldecken

Während die Bundesregierung die Bürger bittet, unter anderem auch Decken für die Ukraine zu spenden, verkauft sie zigtausende Wolldecken aus Bundeswehrbeständen.

IMAGO / photothek

Es gibt immer wieder Meldungen, bei denen man sich fragt, ob „die da oben“ noch Hirn und Verstand haben. Gerade ist es uns so ergangen, als wir lasen: „Bundeswehr versteigert 36.400 Wolldecken.“ Nun, diese Meldung ist nicht ganz richtig. Es müsste heißen: Die in Vertretung des Bundes dem Bundesfinanzministerium gehörende „VEBEG GmbH“ versteigert in 100er Tranchen gebrauchte Wolldecken der Bundeswehr: „2.100x 2.000 mm, aus Mischwolle, Farbe: gelboliv, in Kartons verpackt und auf ca. 2 Paletten gelagert; mit Gebrauchsspuren.“ Gebote können bis 13. Dezember abgegeben werden, besichtigen kann man die Decken in Blankenburg/Harz.

Auf den ersten Blick könnte man boshaft meinen, das sei ein Beitrag, um Bundesbürgern die empfohlenen 19 Grad Zimmertemperatur erträglicher zu machen. Aber nein, unser Blick schweift in die Ukraine. Dort (er)frieren die Menschen nach den flächendeckenden Angriffen der russischen Armee auf die ukrainische Energieversorgung tatsächlich. Und wir denken, die 36.400 Decken wären dort viel besser aufgehoben.

Es kann doch auch nicht sein, dass die Bundesregierung die Bundesbürger im Internet bittet, an die Ukraine Geld und Sachmittel zu spenden. „Gesammelt werden zum Beispiel: Warme Kleidung, Decken und Schlafsäcke, Powerbanks für die mobile Stromversorgung, Campingkocher, Lebensmittelkonserven, Handlampen und Erste-Hilfe-Kästen. Auch Hygieneartikel sowie Baby- und Kinderkleidung werden benötigt“, heißt es auf einer Informationsseite. Andererseits aber möchte der Bund mit der Versteigerung von 364-mal 100 gebrauchten Bundeswehrdecken offenbar Kasse machen: übrigens bestenfalls eine knappe Viertelmillion Euro. Mehr wird es nicht sein, denn diese gebrauchten Decken sind im Netz je Stück für rund 10 Euro zu haben, in der Mengenabnahme vermutlich weit unter 10 Euro pro Stück

Nun gut, der Bund lieferte bislang außer Waffen laut offiziellen Angaben bis zum ersten Dezember an die ukrainische Armee etwa 14.000 Schlafsäcke, 116 Feldheizgeräte, 116.000 Jacken, 80.000 Hosen, 240.000 Wintermützen. Von der Zivilbevölkerung ist da nicht die Rede. Und die 5.000 Helme, die Verteidigungsministerin Lambrecht im März 2022 auf den Weg brachte, lassen wir mal auch außen vor.

So bleibt uns fast nur die zynische Feststellung: In der Ukraine wird gefroren, während der Bund Wolldecken versteigert. Da können wir nur hoffen, dass ein paar Großsponsoren oder Hilfsorganisationen die 100er Pakete an Wolldecken aufkaufen und in Eigenregie in die Ukraine bringen. Der sonst so smarte Finanzminister Lindner (FDP) hat sich bislang jedenfalls nicht eingeschaltet und nicht auf großzügig gemacht. Immerhin war es ein liberaler Parteifreund, der FDP-Abgeordnete Marcus Faber, der forderte: „Statt Decken aus den Beständen der Bundeswehr über die VEBEG zu verkaufen, sollten wir sie der Ukraine zur Verfügung stellen.“

Zur „VEBEG“ noch ein paar Informationen

Die VEBEG als eine Art Online-Markt ist eine 1951 gegründete bundeseigene Treuhandgesellschaft zur Verwertung von Eigentum des Bundes und anderer öffentlicher Auftraggeber. Der Name stand ursprünglich für „Verwertungsgesellschaft für besatzungseigene Güter“. Alleinige Gesellschafterin ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen.

Vermarktet wird im Auftrag von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden (etwa Straßenbauverwaltungen, Katastrophenschutz und vor allem Bundeswehr) dort per Live-Auktion oder durch Zuschlag nach verdecktem Online-Gebot alles, was nicht niet- und nagelfest ist und was ausgesondert wurde: fahrbereite Fahrzeuge, Fahrzeuge mit Getriebeschaden, Schneepflüge, Kettensägen, Leitpfostenwaschgeräte, Funkgeräte, EDV, Mobiliar, Streumaschinen, Motormäher, Messgeräte … Seit ihrer Gründung erlöste die VEBEG mehr als drei Milliarden Euro für den Staat, im Jahr 2021 waren es 92,4 Millionen Euro. Da macht der mögliche Verkauf von gut dreißigtausend Wolldecken das Kraut auch nicht fett.