Tichys Einblick
Chinesische Außenpolitik

Die Saudis rollen China den roten Teppich aus

Die USA treten im Juli als Bittsteller auf, China wird in Riad als Partner erwartet. Es ist ein Zeichen für den bröckelnden Einfluss der zur Großmacht absteigenden Supermacht – weltweit. Selbst die Ukraine wird Washington untreu.

Treffen zwischen chinesischen und saudischen Vertretern in Peking am 22. Februar 2019

IMAGO / Kyodo News

Wie sehr kann man einen jahrzehntelangen Verbündeten demütigen? Saudi-Arabien möchte wohl ein Beispiel exerzieren. Schon in den letzten Monaten hatte Riad keinen Hehl daraus gemacht, dass die Beziehungen zu Washington auf einem Tiefpunkt sind. Die Förderpolitik der Saudis und die Absicht, das Monopol des Petro-Dollars zu brechen, machte die Spekulation salonfähig, dass das ölreiche Land einen indirekten „Regime change“ zugunsten der Republikaner bei den bald stattfindenden Halbzeitwahlen provozieren wolle. Anders als Joe Biden hatte dessen Vorgänger Donald Trump hervorragende Kontakte zum Langzeitverbündeten im Nahen Osten.

Die letzte Visite Bidens in Riad sollte ein Neubeginn sein. In Wirklichkeit war es nur eine weitere Düpierung. Als Präsidentschaftskandidat hatte er den De-facto-Herrscher des Landes, Kronprinz Mohammed bin Salman, nach saudischer Lesart zutiefst beleidigt, indem er ihm die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi persönlich anlastete. Biden wollte Saudi-Arabien deswegen zum „Paria“ machen. Bei seiner Ankunft begrüßte Biden den Kronprinzen dann mit Faustschlag.

Retourkutsche aus dem Orient
Saudi-Arabien düpiert die USA – und könnte mit Ölsanktionen Trump zurück ins Amt bringen
Der US-Präsident wollte sein Image als Menschenrechtler behalten, sprach die Ermordung des Journalisten gegenüber bin Salman an. Doch die Retourkutsche kam sofort: Saudische Offizielle wiesen auf die Zivilisten hin, die weltweit Opfer von US-Drohnenangriffen würden. Der einstige Vasall rechnete mit dem kränkelnden Hegemon ab. Da half es wenig, dass Biden beteuerte, man werde nicht weggehen und damit ein Vakuum hinterlassen, das Russland, China und der Iran füllen könnten. Mit seiner Bitte um eine höhere Ölproduktion mutierte der Besuch zum Canossagang.

Das nächste Kapitel der abgekühlten Beziehungen schlägt Saudi-Arabien diese Woche auf. Der chinesische Staatschef Xi Jinping wird erwartet. Wenn die USA dachten, sie könnten mit Bidens Worten dem Narrativ entgegentreten, dass der eigene Einfluss abnehme, dann haben sie sich getäuscht. Der Kronprinz macht deutlich, dass es das Vakuum längst gibt. „Dieser Besuch wird eine klare Botschaft sein, dass Saudi-Arabien andere strategische Verbündete als die USA hat und dass es ein starkes Land ist, das im Nahen Osten nicht übergangen werden kann“, bewertete Ahmed al-Faraj, ein saudischer Professor für Internationale Beziehungen, gegenüber der Nachrichtenagentur The Media Line den Vorgang.

„Die chinesisch-saudischen Beziehungen sind stabil. Sie haben keine Erschütterungen erlebt, sondern wachsen jährlich, da China keine militärische oder sabotierende Rolle in der Region anstrebt, sondern vielmehr nach wirtschaftlichen Investitionen und Projekten sucht und Saudi-Arabien als echten Partner behandelt, was den Golfstaaten entgegenkommt“, erklärte Faraj weiter. Um es kurz zu fassen: Während die USA als Bittsteller kamen, kommen die Chinesen als Partner. Wieder macht die Schauergeschichte die Runde: Könnten die Chinesen darauf bestehen, in Zukunft in Yuan bezahlt zu werden?

Mögliches Ende des Petrodollars
Saudi-Arabien erwägt Zahlungen für Öl-Käufe auch in Chinesischen Yuán zu akzeptieren
China ist mittlerweile Saudi-Arabiens wichtigster Handelspartner, beim Import wie beim Export. Das Handelsvolumen betrug 2021 rund 87 Milliarden Dollar. Saudi-Arabien hat Russland als Chinas größte Ölquelle überholt. Zwischen 2014 und 2019, so berichtet die Jerusalem Post, hat China Infrastrukturprojekte in Saudi-Arabien mit 40 Milliarden Dollar gefördert. Die kommenden Gespräche hätten vor allem die Themen Energie- und Nahrungsmittelsicherheit zum Inhalt, weitere Wirtschaftsabkommen seien möglich. Wie wichtig dieses Treffen auch aus chinesischer Perspektive ist, zeigt sich daran, dass es der erste Auslandsbesuch von Xi seit 2020 ist.

Der einstige, sichere amerikanische Vorhof im Nahen Osten bröckelt. Doch es ist kein spezifisches Nahostphänomen. Ähnlich wie Bidens Besuch in Saudi-Arabien sollte die Visite von Nancy Pelosi in Taiwan in Ostasien demonstrieren, dass die USA trotz aller Schwächesignale präsent sein würden. Wie glaubhaft und diplomatisch geschickt diese Auftritte waren, steht auf einem anderen Blatt. Wer nur noch in Symbolen und Gesten handelt, läuft Gefahr, dass man ihn als Schauspieler, aber nicht als Staatsmann wahrnimmt. Im Gegensatz dazu inszeniert sich China nicht nur, sondern liefert.

Das imponiert nicht nur den Saudis. Für Aufregung in US-Medien sorgte nämlich eine weitere Neuigkeit. Ausgerechnet die Ukraine liebäugelt seit neuester Zeit ebenfalls mit dem chinesischen Konkurrenten. Präsident Wolodomir Selenskyj will direkte Gespräche mit Xi aufbauen, um im Krieg und beim ukrainischen Wiederaufbau Hilfe zu leisten. In einem Telefongespräch mit Xi habe Selenskyj angeboten, dass die Ukraine als „Brücke nach Europa“ dienlich sein könnte, so die South China Morning Post. In einer multipolaren Welt ist Nibelungentreue nichts wert.

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