Tichys Einblick
Die Rolle von DITIB

Die Islamverbände und die deutsche Politik

Im Moment schwappt mal wieder eine neue Welle der Kritik am türkisch-islamischen Dachverband DITIB hoch. Wird auch sie wieder folgenlos verebben?

Der türkische Premierminister Erdogan 2014 in der Lanxess Arena in Köln

© Sascha Schuermann/Getty Images

Die deutsche Politik hat den Dachverband der türkisch-islamischen Moscheen, DITIB, als ihren offiziellen Ansprechpartner für Religionsfragen und Integration auserwählt und scheint trotz der seit Jahren von vielen Seiten geäußerten Kritik, der Verein sei das Sprachrohr von Präsident Erdogan und habe Spitzel in seinen Reihen, unverbrüchlich an der Institution festzuhalten. Fakt ist: Der Verband untersteht der türkischen Religionsbehörde DIYANET und diese direkt der türkischen Regierung. Die Moschee-Vorsitzenden sind also türkische Staatsbeamte. Hunderte in der Türkei ausgebildete und bezahlte Imame – die FAZ spricht von 970 – verbreiten in 900 DITIB-Moscheen in Deutschland ihre Ideologie.

Hamburg und Bremen haben bereits Verträge mit dem Dachverband abgeschlossen. Den Religionsgemeinschaften werden darin Rechte zugesprochen, wie sie auch christlichen Kirchen zustehen: u.a. der Bau von Moscheen, die Erteilung islamischen Religionsunterrichts und Bestattungen nach islamischem Ritus. Im Gegenzug bekennt sich der Verband ausdrücklich zur „grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Geltung der Grundrechte, der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen“, heißt es im Vertrag mit dem Hamburger Senat. Schöne Worte. Der Dachverband gibt sich denn auch nach außen hin stets hochseriös; man bekennt sich bei jeder Gelegenheit zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

Deutliche Kritik in Panorama 3 vom 21.02.17

Als ich vor einigen Tagen Panorama 3 einschaltete, hatte ich das Gefühl, ich lebte in besseren Zeiten, in denen man die Dinge noch beim Namen nennen konnte. Schauplatz Hamburg-Wilhelmsburg vor der Muradiye-Moschee. Der Vorsitzende Ishak Kocaman wird mit einigen seiner Facebook-Eintragungen konfrontiert: „Demokratie ist für uns nicht bindend“, schreibt er da. „Uns bindet Allahs Buch, der Koran.“ (Also die Scharia.) Und an anderer Stelle: „Ich spucke auf das Gesicht der Türken und Kurden, die nicht islamisch leben. Welchen Wert haben sie schon, wenn sie keine Muslime sind.“ (Adieu Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen.)

Kocamans Antwort-Gestammel muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: „Wir müssen miteinander kooperieren. Wir müssen zusammenleben, und das andere ist unnötig. Ich poste ja nicht andauernd immer solche Sachen im Endeffekt. Wenn ich arbeite, wenn man in den Medien sieht, was in letzter Zeit so passiert. Ist ja emotional. Ist ja normal. Ich rede manchmal, ja. Was weiß ich.“

Teil 3 unser Tagesserie: Wie leben mit dem Islam?
Wohin wollen islamische Reformer – und wie erfolgreich können sie sein?
Ein Post von einer Gruppe junger Pilger auf einer von DITIB-Nord organisierten Reise nach Mekka zeigt u. a. Erdogan als Kämpfer auf einem Pferd reitend mit dem Kommentar: „Mein Führer, gibt uns den Befehl, und wir zerschlagen Deutschland!“ Starker Tobak! Der Imam lacht, tut ganz unwissend. Ja, er kennt den jungen Mann, der das gepostet hat. Aber „das sind absurde Sachen. Die Tatsachen sind anders, und da passen wir schon auf.“ Dann sind wir ja beruhigt. Dennoch: Annetta Kahane und ihre Truppe sollten vielleicht doch ab und zu auch mal  einen Blick in die Facebook-Einträge der Moschee-Anhänger werfen.

Einige in unserem Land scheinen immer noch keine Ahnung von der im Koran erlaubten und im Islam praktizierten Verstellungstechnik, dem Doppelsprech der „Taqiya“ zu haben, nach der es in prekären Situationen  erlaubt ist, rituelle Pflichten zu missachten und sein wirkliches Denken zu verheimlichen. Allerdings ist Iman Kocaman nun wohl keiner, der diese Technik besonders geschliffen beherrscht.

DITIB-Nord war das auf Panorama 3 Gezeigte denn auch doch wohl des „Guten“ zu viel, denn inzwischen ist der DITIB-Funktionär zurückgetreten (worden?) und bedauert, dass durch einen „aus dem Kontext geratenen Text“ ein Eindruck entstanden sei, der ihn und den Verband „in einem falschen Licht“ stehen lasse.

Liberale Muslime auf verlorenem Posten?

Was ihre angebliche Vorverurteilung betrifft, haben sich die Verbände und ihre Funktionäre ein breites plakatives Vokabular angeeignet. Ständig erklären sie sich als Opfer der Gesellschaft, an den Pranger gestellt, diskriminiert und missverstanden. Doch konkret Stellung nehmen sie nie. Sie jammern nur.

Der allgegenwärtige Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Deutschlands Ayman Mazyek präsentiert sich auch als so ein Daueropfer. Er kann sich nur gewählter ausdrücken als Imam Ishak Kocaman in Hamburg-Wilhelmsburg. Laut taz spricht er von einem ungerechten „Misstrauensdiskurs“ und einem „Extremismusvorbehalt“. Die Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften sei ein „Anspruch“, der sich aus dem Grundgesetz ableite und deshalb notfalls auch eingeklagt werden könne. Die Autorin Sineb El Masrar hat beim Zentralrat der Muslime „Sehr viel Ideologie der Muslimbruderschaft“ entdeckt, und die Integrationsbeauftragte der Partei Die Linke, Sevim Dagdelen wird noch deutlicher, wenn sie sagt: „Mit der Islamkonferenz hofiert die Bundesregierung ausgerechnet reaktionäre islamistische Kräfte, statt liberale Muslime zu stärken.“

Deutschlands Institutionen paktieren mit Fundamentalisten
Vom Glauben zum Wissen: Hamed Abdel-Samads langer Abschied vom Himmel
Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad hat drei Jahre lang im Rahmen dieser vor zehn Jahren für eine bessere Verständigung zwischen Muslimen und Politik gegründeten „Islamkonferenz“ versucht, den Innenminister und seinen Stab davon zu überzeugen, dass die konservativen Verbände sich in Deutschland nicht institutionalisieren dürften. Dass sie nicht noch mehr Macht, mehr Einfluss und mehr Zugang zu Steuergeldern bekommen und mit Religion Politik machen sollten. Seiner Meinung nach führt das zu Parallelgesellschaften und besonders auch zu einer Vereinnahmung der meist moderaten Muslime, die einfach nur ihr Leben führen und nicht gegängelt werden wollten.

Auch die Wissenschaftler Abel-Hakim Ourghi und Bassam Tibi, der Psychologe Ahmad Mansour – um nur einige zu nennen – sind Vertreter eines humanistischen, aufgeklärten Islam. Sie werden viel zu selten gehört. Man fragt sich, wie lange die Politik noch die Ohren verschließen und die reaktionären Islamverbände wider alle Vernunft als Partner bei der „Integration“ behandeln will. Man kommentiert und kritisiert immer nur mit Worten – von Handlungen ist nichts bekannt. Die Bundesregierung mahnt zwar wieder einmal die Türken: „Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass alle Beteiligten sicherstellen werden, dass nicht innertürkische Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen werden“, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Kann er eigentlich seine eigenen leeren Worte noch hören? Bei solchen Tönen klappen die Gemeinten doch gleich die Ohren zu – wenn sie überhaupt noch auf irgendetwas hinhören.