Tichys Einblick
Pflicht zur Tarifbindung

Die Deutsche Energie-Agentur dürfte vom Bund keinen Auftrag bekommen

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte Unternehmen zur Tarifbindung verpflichten. Doch elf von 55 Staatsbetrieben halten sich selbst nicht daran. Darunter die Agentur, die Graichens Trauzeuge führen sollte.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)

IMAGO / Political-Moments

In Deutschland gilt die Sozialpartnerschaft. Grundsätzlich: Gewerkschafter und Arbeitgeber handeln gemeinsam die Löhne aus. Doch in manchen Branchen steigen die Arbeitgeber aus der Tarifbindung aus. Entweder, weil es die Gewerkschaften übertrieben haben und die ausgehandelten Löhne sich nicht mehr refinanzieren lassen. Oder, weil es in der Branche genug Menschen gibt, die bereit sind, unterhalb der eigentlichen Löhne – des Tarifs – arbeiten zu wollen. In den privaten Medien gibt es zum Beispiel kaum noch Tarifbindung. Andere Unternehmen wollen sich selbst in der Gehaltsgestaltung freie Hand lassen.

Die Gewerkschaften beklagen die sterbende Tarifbindung. Ein Deal zwischen dem SPD nahen DGB und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lautet: Der Gewerkschaftsbund hält bei den meisten Projekten der Ampel die Füße still, bekommt aber dafür Zugeständnisse in der Tarifbindung. Heil will diese stärken, indem der Staat nur noch Aufträge an Betriebe vergeben darf, die Tarif zahlen.

Nun hat eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser, Susanne Ferschl und Gökay Akbulut ergeben: Elf von 55 Unternehmen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist, kennen keine Tarifbindung. In vier Unternehmen davon, so erklärt es das Arbeitsministerium in seiner Antwort, fehle es an operativem Geschäft oder gänzlich an Belegschaft. „Die verbliebenen sieben Unternehmen sind in Bereichen mit exponierten Aufgaben … tätig, so dass im Wettbewerb um Fachkräfte angemessene und tragfähige Entgeltsysteme bestehen.“

Das heißt: Für diese Unternehmen möchte man die Mitarbeiter mit überdurchschnittlich hohen Löhnen locken – oder belohnen. Zu diesen Unternehmen gehört die Deutsche Energie-Agentur. Diese wurde einem breiten Publikum bekannt, weil Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen (beide Grünen) dort seinen Trauzeugen unterbringen wollte. Der Logik der Antwort nach zu einem über dem Marktüblichen liegenden Preis. Kennt ja jeder: Wenn einem daheim mal der Trauzeuge hilft, wird’s teuer.

Würde sich die Deutsche Energie-Agentur in Ausschreibungen bewerben, dürfte sie demnach keine Zuschläge für Aufträge erhalten. Das gleiche gilt für die Toll Collect GmbH, die für den Bund die LKW-Maut eintreibt. Dass der Bund von seinen Bürgern etwas verlangt, das er selbst nicht leisten kann oder will, ist nicht neu, es ist sogar neuerdings der Trend. So verlangte der Bund von Hausbesitzern, in kurzer Zeit die Daten für ihre Grundstücke zu erfassen. Bei den eigenen Unternehmen stellte der Staat fest, dass es in dieser Zeit nicht zu machen sei und gewährte sich selbst einen großzügigen Aufschub – verweigerte den aber den Bürgern. So ist die öffentliche Hand 2023: Wein saufen und Wasser befehlen.

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