Tichys Einblick
Regierungspartei ohne Ämter

Bisher ist die CDU still – Schützt sie Robert Habeck?

Zur Stunde hört man von Friedrich Merz nichts. Die CDU muss in der Habeck-Affäre Farbe bekennen: Will sie eine schwarze oder eine dunkelgrüne Partei sein? Wenn die Partei dem Land dienen möchte und nicht vorrangig den eigenen Funktionären, muss sie ihre Machtmittel nutzen – und die sind beträchtlich.

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Blickt man zur Stunde auf das politische Berlin, könnte man eigentlich nur Dantes Divina Commedia zitieren. Denn vor dem Eingang zum Parlament flackert die Schrift: Abgeordneter, wenn du hier eintrittst, lass alle Hoffnungen fahren.

Von Tag zu Tag funktionieren die demokratischen Spielregeln immer weniger. Das Land kippt allmählich in eine plebiszitäre Diktatur. Aufgrund der Atomlüge der Regierung, der bewussten Täuschung von Bürgern und Parlamenten, wie sie die Akten, die das Habeck-Ministerium gezwungen wurde herauszugeben, nahelegen, tagten heute vor der Plenarsitzung die Ausschüsse für „Klimaschutz und Energie“ und für „Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz“.

Die Minister Steffi Lemke und Robert Habeck sollten sich eigentlich den Fragen der Abgeordneten stellen. Mussten sie aber nicht, denn zum Fragen wurden den Fraktionen jeweils 3 Minuten zugestanden. Die „demokratische“ Ampel, die ihr Demokratieverständnis wohl von Walter Ulbricht herleitet, hatte durch ihre Mehrheit die Tagesordnung so gestaltet, dass man als Ausschussmitglied auch der Farce hätte fernbleiben können. Volksvertreter der Union und der AfD fühlten sich verhöhnt – und wir Bürger dürfen uns vom Statement des klimapolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, ebenfalls verhöhnt fühlen: „Und ich möchte auch sagen, so wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat.“

Für die Ampel und für das Ampel-Mitglied FDP ist es vollkommen logisch, dass ein Wirtschaftsminister in vollem Bewusstsein das Land nicht nur wirtschaftlich, sondern insgesamt an die Wand fährt. Doch warum hat dann die FDP ein 12-Punkte-Wirtschaftsprogramm als Notbremse vorgelegt, wenn der „Minister“ „logisch“ agieren würde?

Übrigens ruiniert Robert Habeck das Land, weil er ein knallharter Ideologe ist. Für die Ampel und für das Ampel-Mitglied FDP ist es vollkommen logisch, dass in einer so wichtigen Frage wie in der Energiesicherheit – sowohl in der Verfügbarkeit als auch in der Bezahlbarkeit von Energie – Hasard gespielt wird. Dass die Ampelminister die Abschaltung der Kernkraftwerke durchsetzen, obwohl ihre eigenen Fachleute ihnen sagen, dass Kernkraftwerke den Strompreis senken würden und die AKWs ein sicherer Baustein für die Energiesicherheit wären – in einer Zeit, als die Energiepreise explodierten und die Sicherheit ganz und gar nicht gegeben war.

Die Fachleute schrieben im März 2022: „Da die Residuallast vor allem in den Monaten Januar und Februar besonders hoch ist, ist zu erwarten, dass die Kernenergie häufig Gaskraftwerke verdrängt. Dadurch könnten die Strompreise in vielen Stunden sinken.“ Sie notierten auch, „dass eine echte Laufzeitverlängerung mit neuen Brennstäben für mehrere Jahre sicherheitstechnisch möglich wäre.“ Doch Habecks und Lemkes Ministerien führen grüne Gefolgsleute, nicht die Fachleute, und deshalb wurde die Einschätzung der Fachleute durch das Mantra der Ideologen ersetzt: „Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.“

Nach allem, was bis jetzt bekannt ist, liegt der Verdacht sehr nahe, dass die Öffentlichkeit mindestens von diesen beiden Ministerien, dem Wirtschaftsministerium und dem Umweltministerium, systematisch belogen wird.

Steffi Lemke vertrat nach der Schilderung von Ausschussmitgliedern tatsächlich die Ansicht, dass es Habeck und sie waren, die den Streckbetrieb, also den Weiterbetrieb der AKWs über den Winter 2022/23 bis ins Frühjahr hinein durchgesetzt hätten. Anscheinend hat Steffi Lemke vergessen, dass eine Richtlinienentscheidung des Kanzlers notwendig war, um diese Miniverlängerung durchzusetzen. Lemke soll laut Teilnehmer ausgeführt haben, dass man aufgrund von neuen Meldungen der Betreiber der AKWs und in Angesicht der Wartungen französischer AKWs, die sich auf den Strommarkt auswirkten, die Entscheidung für die Verlängerung getroffen habe. Zu dumm, dass im Ausschuss nicht nachgefragt werden konnte, was plötzlich die AKWs so sicher gemacht hat, hieß es doch kurz davor noch: „Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.“ Entweder waren und sind die AKWs sicher oder sie sind es nicht. Entweder wurde vorher oder es wurde hinterher gelogen.

Habeck versuchte es im Ausschuss so zu drehen, dass es um die Brennelemente, die „ausgelutscht“ gewesen wären, gegangen sei. Die Antwort der Betreiber hätte laut Habeck gelautet: „die Atomkraftwerke haben keinen Saft mehr in den Brennelementen … Das hat sich dann später im Laufe des Jahres verändert, im Juni gab es dann andere Informationen der Betreiber und entsprechend haben wir ja dann die Debatte um die Laufzeitverlängerung noch mal aufgenommen und am Ende ja dann auch positiv beschieden.“ Wunder über Wunder, die der heilige Robert der grünen Religion erwirkt. Plötzlich taugten die ausgelutschten Brennstäbe wieder etwas. Was hat sich denn verändert?

Haben die Betreiber „Saft“ nachgefüllt? Oder hat man plötzlich doch mehr „Saft“ in den Brennstäben entdeckt? Hätte man nachfragen können. Oder man hätte Robert Habeck fragen können, wenn man hätte wirklich nachfragen dürfen, warum nur AKWs in Kriegsgebieten wie beispielsweise in der Ukraine sicher sind, in einem Hochtechnologieland wie Deutschland hingegen nicht? Zur gleichen Zeit, als durch die Grünen, allen voran durch Habeck und Lemke Deutschland die letzten AKWs abgeschaltet hatte, verkündete derselbe Robert Habeck in der Ukraine: „Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar, und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.“ Die deutschen Kernkraftwerke waren anscheinend nicht gebaut.

Abgeordnete der Opposition aus den Reihen der CDU und AfD waren nach der Show in den Ausschüssen dem Vernehmen nach wütend und fühlten sich verhöhnt. Einer sprach von „spätrömischer Dekadenz“. Unbeeindruckt verließen hingegen Lemke und Habeck die Ausschüsse, weil sie wussten, dass den Ausschüssen durch die Ampelmehrheit der Zahn gezogen ist. Die Ampel erniedrigt die Ausschüsse zu Scheinveranstaltungen und missachtet die Opposition sowie die Rechte der Opposition.

Was jetzt zumindest geschehen müsste, wäre die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, weil beide Minister nicht über den demokratischen Anstand verfügen zurückzutreten. Der Schlüssel liegt bei der Union, die Frage lautet, ob die CDU Oppositionspartei oder Regierungspartei ohne Ämter sein will, quasi der schwarze Kasten, in dem die Ampel steckt? In dieser Situation müsste die CDU, wenn sie dem Land dienen möchte und nicht vorrangig den eigenen Funktionären, ihre Machtmittel nutzen – und die sind beträchtlich.

Sie müsste erstens nicht nur Aufklärung verlangen, sondern auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordern. Und zwar jetzt. Heute. Nicht erst in Wochen. Zweitens müsste sie den Rücktritt von Robert Habeck und Steffi Lemke verlangen, die beide die politische Verantwortung für den Skandal tragen. Die CDU hat sogar den machtpolitischen Hebel dafür in der Hand, wenn sie klar formuliert, dass solange sich die Grünen nicht ehrlich gemacht haben, die Koalitionen zwischen CDU und Grüne auf Länderebene nicht fortsetzen werden.

Sollte die CDU ihre Möglichkeiten nicht nutzen, dann bleiben nur folgende Schlussfolgerungen übrig: Die CDU schont Robert Habeck, weil sie ab 2025 mit den Grünen im Bund regieren möchte. Das würde bedeuten, dass jede Stimme für die CDU eine Stimme für die Grünen ist. Die Koalitionen der CDU mit den Grünen in den Ländern wirkt sich im Bund dahingehend aus, dass die CDU die Oppositionsrolle im Bund scheut. Die vereinzelten Twitter-Kommentare von CDU-Politikern wie von Thorsten Frei lassen sich dementsprechend dann nur dahingehend verstehen, dass die CDU „Haltet den Dieb“ ruft, den Dieb dann aber laufen lässt, um hinterher die Beute mit ihm zu teilen.

Die CDU muss in der Habeck-Affäre Farbe bekennen. Schwarz oder grün?, lautet die Frage. Will sie eine schwarze oder eine dunkelgrüne Partei sein? Zur Stunde scheint Friedrich Merz von den eigenen Leuten in der Fraktion eingebrandmauert zu sein. Man hört nichts von ihm. Bisher ist die CDU sehr still. Sie hat auch die heutige Bundestagsdebatte bis jetzt nicht dazu genutzt, den Wirtschaftsminister zu stellen, über ein drolliges Dududu kam sie bisher nicht hinaus.