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Der niederländische Nachbar fragt

Deutschlands EU-Imperium kostet immer mehr Geld

Deutschland ist ein ziemlich provinzielles Land und hatte nie ein Imperium. Wenn es sein "EU-Imperium" halten will, kostet es Geld. Akzeptiert der Mann im Biergarten das, fragt sich Jelte Wiersma.

© Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Imperia oder Imperien sind bemerkenswerte Entitäten. Sie entstanden meist zufällig und sind teuer in der Wartung. Trotz dieser Unannehmlichkeiten geben Herrscher ihre Imperien niemals freiwillig auf.

Das größte und mächtigste Imperium aller Zeiten war das britische Imperium und entstand ‘by accident’ . Britische Händler errichteten weltweit Handelsposten, und wenn sie angegriffen wurden, waren Truppen permanent stationiert. Da auch Angriffe aus dem Binnenland kamen und im Inland manchmal etwas aufzuholen war, kämpften diese Handelsposten bald ständig. Nach zwei Jahrhunderten gelang es den Briten zu ihrer eigenen Überraschung, ein Viertel der Welt zu führen. Es war eine teure Angelegenheit für die Briten und kostete mehr, als es einbrachte.

Die Briten konnten ihr Reich nach zwei Erschöpfungskriegen mit den Deutschen nicht mehr bezahlen. Und unter dem Druck des neuen Imperiums Amerika bröckelte es in halsbrecherischem Tempo.

Deutschland ist dran

Im einundzwanzigsten Jahrhundert scheinen die Deutschen die Kontrolle über ein Imperium zu übernehmen. Die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990, die Expansion im Osten der EU seit 2004, die deutsche industrielle Stärke und ihre niedrigen Löhne machten Deutschland zu einer wirtschaftlichen Supermacht. Der Exportüberschuss beträgt rund 292 Milliarden Euro, nur China mit 566 Milliarden Euro hat einen größeren Überschuss. Billigarbeit aus Osteuropa, billige Produktion deutscher Waren in Osteuropa, ein billiger Euro und der EU-Binnenmarkt: Das Alles bringt Deutschland viel Wohlstand.

Wirtschaftliche Stärke führt immer zu politischer Macht und das ist seit der Eurokrise (2009) sicher der Fall. Berlin bildet die Spitze. Die EU ist so allmählich zu einem deutschen Reich geworden.

So wie die Briten irrtümlich ihr Reich erwarben, kamen die Deutschen durch Zufall an ihr Reich. Aber jetzt haben sie es, sie müssen es führen.

Das ist schwer zu tun. Ein Imperium zu haben, bedeutet nicht nur zu nehmen, es bedeutet auch zu geben, die Briten haben das lernen müssen. Ein König, der keine Gefälligkeiten gewährt, verliert seinen Thron. Wenn das amerikanische Imperium nicht mehr viel Geld für die Verteidigung ausgeben wird, um Europa zu sichern, wird Washington seine Führungsposition verlieren. Viele amerikanische Steuerzahler würden das auch mögen. Ein Imperium zu haben, ist für viele Bürger nicht attraktiv. Deutschland erlebt dies allmählich mit seinem EU-Imperium.

Teures Imperium

Merkel rettete Griechenland und andere Länder. Sie sagte: Wenn der Euro fällt, dann fällt Europa. Um ihr Reich zu erhalten, musste sie zahlen. Zur selben Haltung zählt ihr Wir schaffen das ab 2015. Hunderttausenden Afrikanern und Asiaten, die in Südeuropa und auf dem Balkan gefangen waren, wurde freier Zugang zu Deutschland gewährt. Damit haben die Deutschen die meisten Kosten für Einwanderer übernommen.

So wird es immer und immer weiter gehen. Wenn Deutschland verhindern will, dass die vorläufig geschätzte EU weiter geschwächt wird und der Euro intakt bleibt, muss es Entscheidungen treffen, die einem großen Teil der deutschen Bevölkerung schaden werden.

Verlassene Macht, solange sie anhält

In Europa selbst hat Deutschland nur Geld als Machtmittel. Kurzfristig verlangen die Subventionen für die aufständischen Provinzen Polen und Ungarn und andere noch mehr Geld. In Verhandlungen mit dem – vorerst – abtrünnigen Großbritannien wird die Kaufkraft des deutschen EU-Marktes genutzt, um die Briten wieder in Einklang mit ihm zu bringen.

Es ist nicht leicht für die Deutschen. Sie haben wenig oder keine historischen Erfahrungen mit dem Führen eines Imperiums. Nach ihrem Heiligen Römischen Reich, dem Kaiserreich und dem Nazi-Reich, haben die Deutschen das imperiale Denken beendet und bewusst vergessen, wie Reiche zu managen sind.

Ein deutscher Diplomat sagte der Financial Times mit selbstironischer Art und Weise: „Die letzten beiden Male hatten wir eine globale Strategie, aber es lief nicht wirklich gut.“

Das Deutsche EU-Imperium ist auch weiter behindert. Es will und kann keine Gewalt anwenden wie die vorherigen Imperia. Deswegen kauft Deutschland ein Armee durch Geldtransfer nach Paris. Die mächtige französische Armee wurde für Berlin, was die Schweizer Garde für den Vatikan ist: in diesem Fall der bewaffnete Arm eines deutschen Imperiums. Zumindest in Afrika, um Dschihadisten und Immigranten zu stoppen.

Solange Berlin genug Geld hat, kann sie ihr Reich erhalten. Aber Imperia wird auf Dauer immer mehr Geld kosten. Die Deutschen könnten dies akzeptieren, indem sie sich für den Rum begeistern, den ein Reich mit sich bringt. Ob die Deutschen dafür empfänglich sind, ist zweifelhaft. Ruhm, Stolz, Großartigkeit und imperiale Konzepte in Deutschland sind seit dem Zweiten Weltkrieg in einer tiefen Schublade versteckt.

So wird eine Zeit kommen, in der die Deutschen im Biergarten fragen, ob sie das unvermeidlich immer teurer werdende deutsche EU-Reich noch finanzieren wollen. Die Zukunft der EU liegt in ihren Händen.