Tichys Einblick
Benedikts schwarze Erben

Der nächste Papst muss ein Afrikaner sein

Vor nichts haben Linke mehr Angst als vor einem afrikanischen Papst: Der Klerus auf dem katholischen Zukunftskontinent gilt als konservativ und die Zahl der Gläubigen wächst, während die linksliberalen Theologen des Westens keine Erben haben.

Kardinal Robert Sarah bei einer Messe in Zagreb am 31. Mai 2016

IMAGO / Pixsell

Papst Franziskus war letzte Woche auf Afrika-Reise. Unter Gleichgesinnten, könnte man denken. Denn ähnlich wie bei den Südamerikanern stehen Themen wie Armut oder Globalisierung im Vordergrund. In jüngerer Zeit nimmt die Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutz zu. Typische Franziskus-Themen, mit denen der Argentinier eigentlich punkten müsste.

Doch viele seiner Weggefährten sind nur zum Schein Afrika-Fans. Etwa, wenn es um die obigen Probleme gibt. Vielen westlichen Theologen sind die Afrikaner zugleich suspekt. Der Katholizismus in Afrika gilt als äußerst konservativ. Frauenpriestertum, demokratische Mitbestimmung oder LGBTQ-Avancen, wie sie in Deutschland im Vordergrund stehen, bleiben dem afrikanischen Klerus suspekt.

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Dahinter stehen die völlig verschiedenen Bedingungen, unter denen der afrikanische Katholizismus gedeiht. In Amerika und Europa war das Christentum ein bestimmender Faktor. In Afrika dagegen gehört die Christenverfolgung zur Tagesordnung – etwa in Nigeria. Der Islam beherrscht den Norden des Kontinents und schlägt etwa in der Gestalt von Fulani-Milizen regelmäßig zu, die ganze Dörfer vernichten. Angesichts von Hunger und Krieg ist die Kirche für viele ein Refugium.

Europäische Missionare haben in der Vergangenheit eine Theologie weitergegeben, die im Westen als angestaubt galt. Papst Benedikt XVI. dürfte damit in Afrika mehr Anhänger gehabt haben als in seiner deutschen Heimat. Das ist ein Problem. Denn nachdem man sie missioniert hat, denken viele afrikanischen Priester gar nicht daran, sich dem Zeitgeist zu verschreiben.

Die Drohung steht im Raum: Der liberale Westen erodiert, in Südamerika sind die Evangelikalen auf dem Vormarsch, in Afrika dagegen wächst die Kirche. Die derzeitigen Jahrzehnte prägt ein liberaler Katholizismus, der sich an den Zeitgeist anbiedert und bei Themen wie Klimaschutz und Toleranz vorne mitmischen will. Doch für eine Organisation, die in Jahrhunderten denkt, wird offenbar, dass der Zukunftskontinent Afrika heißt. Das heißt: Der Katholizismus der Zukunft wird wieder konservativer.

Paradebeispiel für die Bestandsängste des Liberalkatholizismus ist eine Persönlichkeit wie Kardinal Robert Sarah. Freilich ist Sarah mittlerweile zu alt, um noch als „papabile“ zu gelten. Doch er vertritt einen Typus, der sich wiederholen könnte. Der guinesische Geistliche war von 2014 bis 2021 Kardinalpräfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Er ist bekannt für seine klaren Anschauungen. Er stellte Islamismus und Faschismus bzw. Kommunismus nicht nur auf eine Stufe, sondern sagte in einer bemerkenswert offenen Art und Weise: „Wie viele Tote braucht es, bis die europäischen Regierungen die Situation begreifen, in der sich der Westen befindet? Wie viele abgeschlagene Köpfe?“ Was Sarah von Gender hält, kann man sich an dieser Stelle denken.

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Zugleich gehört Sarah zu jenen Geistlichen, deren tadelloser Lebenslauf und persönlicher Lebensstil als so vorbildlich gilt, dass er die lang vermissten Kardinalstugenden verkörpert. Während in Europa die abendländische Idee verkümmert, ist Sarah ihr Vorkämpfer. In seiner Zeit als Erzbischof bekämpfte er das Regime von Ahmed Sékou Touré und stand auf einer Todesliste. Franziskus soll ihn gegenüber Dritten einen „Heiligen“ genannt haben. Bergoglio weiß sehr genau, warum er Sarah deswegen nie gerügt oder gar gedemütigt hat: Wer sich an Sarah reibt, muss mit dem Verdacht leben, eine integre Persönlichkeit beschädigen zu wollen.

Ein Afrikaner auf dem Stuhle Petri? Eigentlich nichts Neues. In römischer Zeit gab es den einen oder anderen Vertreter aus den – zugegebenermaßen – nordafrikanischen Provinzen des Imperium Romanum. Doch es ist zugleich eine Befürchtung. Nicht von reaktionären Traditionalisten, die an weiße Suprematie glauben. Sondern von den progressiven Gruppen in Rom und anderswo, die ihr mühsam aufgebautes Werk bedroht sehen, sollte ein afrikanischer Papst auftauchen, der in der Mehrzahl der Fälle deutlich „rechts“ stehen dürfte.

Wie möchte man so jemandem widersprechen? Der Vorwurf unüberwundener kolonialistischer Umtriebe steht ja bereits bei geringeren Anlässen im Raum. Und auch die Presse weiß: Black Lives Matter gut und schön, Diversität klasse – aber was macht man eigentlich, wenn ein Afrikaner irgendwann einmal an entscheidender weltpolitischer Stelle steht und nicht auf dem woken Seil tanzt?

So einen Fall hatte es bereits gegeben, als der erste afrikanische Senator Toni Iwobi ins italienische Parlament einzog. Der gebürtige Nigerianer hatte lediglich ein winziges Problem: Er vertrat die Lega von Matteo Salvini. Die Linke konnte das nur unter dem neokolonialen Gesichtspunkt erklären, Iwobi wisse im Grunde gar nicht, was er tue, und werde von der Lega instrumentalisiert.

Das funktionierte schon bei einem italienischen Senator mehr schlecht als recht. Beim Oberhaupt von einer Milliarde Katholiken wird es noch schwieriger sein. Nicht nur kirchenpolitisch, sondern auch gesellschaftlich und medial könnte man einen schwarzen Benedikt kaum noch angreifen, ohne in den Verdacht des Rassismus zu geraten. Das dahinsiechende Abendland, darbend unter dem woken Hammer, bekäme dann ausgerechnet von seinen Erben aus Afrika möglicherweise den spirituellen wie ideologischen Schutz, den es derzeit dringend bräuchte.

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