Tichys Einblick
Wir werden sehen

Der Grünen Aufstieg

Im vergangenen Dezember haben wir Nils Kahnwald (16) erstmals mit einem Bericht zum CDU-Bundesparteitag zu Wort kommen lassen. Das TE es für wichtig hält, auch zu anderen Themen andere Stimmen als die der „alten weißen Männer“ zu Gehör zu bringen, folgt nun ein Text, in dem unser junger Autor sich mit dem Aufstieg der Grünen beschäftigt.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Seit der Bundestagswahl 2017 erlebt eine Partei einen ganz besonderen Aufschwung: Die Grünen. Noch im März 2017 musste die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt gestehen, dass die Themen ihrer Partei nicht gerade als „der heiße Scheiß“ wahrgenommen werden.

Knapp zweieinhalb Jahre später wirkt diese Aussage wie aus einer lang vergangen Zeit. Bei der Europa-Wahl erreichten die deutschen Grünen mit 20,5 % ihr bestes Ergebnis bei einer bundesdeutschen Wahl. Bei aktuellen Wahlumfragen stehen die Grünen so gut da, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl eine reelle Chance haben, stärkste Partei zu werden.

Da sich der Grünen-Hype, anders als der Schulz-Hype im Frühjahr 2017, auch auf die Wahlen durch Rekord-Ergebnisse überträgt, ist zu erwarten, dass die Grünen, so sieht es derzeit aus, mindestens Mehrheitsbeschaffer, vielleicht sogar stärkste Kraft bei den nächsten Bundestagswahlen werden.

Die Grünen profitieren derzeit allgemein davon, dass die Bundesregierung es nicht schafft, in ,,typisch-grünen“ Politikfeldern wie Klimawandel, Tier- und Umweltschutz zu punkten.

Die globale Erderwärmung- Das dominierende Thema

Das dominierende Thema in den Nachrichten, Talk Shows und Zeitungen ist der Klimawandel. Es ist ein Thema, was gerade die jüngeren Menschen beschäftigt, die noch lange auf der Erde leben werden und die klimapolitischen Entscheidungen, die heute getroffen werden, morgen erleben und „ausbaden“ müssen. Durch die „Fridays for Future“ Demonstrationen und dem heißen Dürre-Sommer 2018 ist der Klimawandel in das Blickfeld der Leute gerückt. Die globale Erderwärmung ist
zweifelsfrei ein Thema, das wie gemacht ist für die Grünen.

Schon der Name „Die Grünen“ suggeriert, dass sich in dieser Partei glaubhaft für den Schutz der Umwelt und des Klimas eingesetzt wird. So überrascht das derzeitige Grüne-Hoch nicht.

Es hilft den Grünen auch ungemein, dass Deutschland mit dem derzeitigen Kurs die gesetzten Klimaziele verfehlt. So können die Grünen den Finger in die Wunde legen, wie es sich für eine Oppositionspartei gehört. Die Grünen haben das Wählerpotenzial, das dieses Thema birgt, derzeit komplett für sich gewonnen. Das ist einerseits natürlich ein großer Glücksfall für die Partei, andererseits stehen die Grünen dadurch auch unter Druck, die großen Erwartungen der Wähler durch konkrete Pläne, die derzeit nicht erläutert werden, um die Wähler nicht zu verschrecken, zu erfüllen.

Planlosigkeit der Regierung im Thema Umwelt- und Tierschutz

Das Thema Umwelt- und Tierschutz spielt beim Erstarken der Grünen eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung schafft es zum Beispiel, nicht ihre Stimme zu erheben, um gegen die Massentierhaltung vorzugehen. Sicher, Schweine, Rinder und Hühner sind Nutztiere, die den Menschen Nahrung geben und sollen. Derzeit fehlt es aber an artgerechtem Umgang mit den Tieren.

Um dieser These zuzustimmen braucht man weder vegan noch vegetarisch sein, da es immerhin um Lebewesen geht. Dass die betäubungslose Kastration weiter geduldet wird, zeigt eindeutig, wie tief Lobbyismus bei den Regierungsparteien Einzug gehalten hat.

Obwohl es Alternativen zur betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel gibt, die aber die Betriebe mehr Geld kosten würde (Kastration mit Betäubung, die Jungebermast oder die Impfung gegen Ebergeruch), wird die betäubungslose Kastration zum Unverständnis nicht nur der jungen Menschen weiter geduldet.

Nicht gerade hilfreich ist die derzeitige Agrarsubventionen-Verteilung aus Brüssel, bei der kleine ländliche Betriebe eher leer ausgehen und große Höfe, die nur auf Profit ausgerichtet sind, bevorzugt werden. Dagegen lehnt sich die Bundesregierung nicht auf. Darf es da überraschen, dass die Leute Grün wählen? Es wird den Grünen durchaus zugetraut, für eine Wende in diesen Politik Feldern zu sorgen.

Baerbock-Habeck – scheinbar unschlagbar

Der grüne Erfolg ist auch durch das Auftreten der beiden Parteivorsitzenden zu erklären. Annalena Baerbock und Robert Habeck sind und wirken beide jung, dynamisch und vertreten Grüne-Interessen scheinbar sehr glaubwürdig. Dass die Parteispitze nicht sonderlich konkrete Forderungen stellt, stört die Anhängerschaft nicht wirklich, da es derzeit cool ist, „grün“ zu sein und zu wählen. Man könnte
meinen, sie hätten eine ,,Grüne-Wohlfühloase“ erschaffen, in der keine konkreten Forderungen gestellt werden, aber die Wähler schon durch das Kreuzchen bei der Wahl das Gefühl haben, etwas für die Umwelt getan zu haben.

Die Parteivorsitzenden der anderen Parteien kommen gegen die glänzende Ausstrahlung des unschlagbar scheinenden Duo Baerbock-Habeck nicht an und bleiben blass.

Die CDU hat mit AKK eine Vorsitzende, die ständig durch unglückliche Aussagen wie zur Ehe-für-alle auffällt und im Versuch, die Partei wieder zu einen, bislang scheitert.

Die SPD steht nach dem Ausstieg von Nahles ohne wirkliche Parteiführung da und beschäftigt sich mehr mit sich selber als mit Themen. Nun ist sie von den Grünen als große linke Partei abgelöst worden.

Die FDP schafft es nicht, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie benötigt, um in der Wählergunst zuzulegen. Tweets von Lindner, dass der Klimawandel eine Sache für ,,Profis“ wäre, sind schwer zu interpretieren und werfen so ein schlechtes Licht auf die Liberalen.

Die Linke wirkt in vielen Bereichen viel zu unrealistisch, und dass die AfD nicht mehr die demokratische ,,Alternative“ darstellt, sieht inzwischen selbst ihr Bundesvorstand in Teilen so. Wenn diese Partei dann auch noch den Einfluss des Menschen auf das Klima anzweifelt, ist klar, dass so eine Partei für die jungen Wähler keine ,,Alternative“ ist.

„Gekaufte Demonstranten“

In der Altersgruppe der unter 44-jährigen lagen die Grünen bei der Europawahl prozentual vor der Union. Je jünger die Altersgruppe ist, desto klarer ist zu erkennen, wie deutlich die Union bei den jüngeren Wählern hinter den Grünen steht. Dass die Union überhaupt noch als stärkste Kraft aus Wahlen hervorgeht, verdankt sie zum größten Teil den über 60-jährigen. Hier wird besonders klar, dass die CDU derzeit ihren Anspruch, Volkspartei zu sein, verliert, da sie es nicht schafft, bei Wählern
aller Altersgruppen zu punkten.

Doch warum sind die Grünen so stark bei den jungen Wählern – und warum ist es die Union nicht?

Hier ist vor allem der herabwürdigende Umgang mit den ,,Fridays-For-Future“ Demonstranten zu erwähnen, denen man falsche Absichten unterstellt und die man nicht ernst nimmt. Dabei ist Klima nur ein Thema, das junge Menschen bewegt.

Statt die Demonstranten, die gegen die Verabschiedung des neuen EU-Urheberrechts protestierten, ernst zu nehmen, behauptete Daniel Caspary, der Vorsitzende der Unionsgruppe im EU-Parlament, folgendes:

„Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern.“

Dass die jungen Leute nach solchen Bemerkungen ihr Kreuz bei seiner CDU machen, ist doch recht unwahrscheinlich, oder? Die Grünen hingegen gehen auf die entsprechenden Sorgen der jungen Leute ein, greifen diese Themen auf.

Das Fähnchen im Wind

Derzeit sind die Grünen in einer sehr günstigen Lage. Sie sind Oppositionspartei, werden in der Bevölkerung als regierungswillig erkannt, da nicht sie es waren, die aus den „Jamaika“-Koalitionsgesprächen ausgestiegen sind. So können sie Aussagen tätigen, die nicht auf die „Goldwaage“ gelegt werden, und dementsprechend unterschiedlichen Wählergruppen Angebote machen.

Für die Konservativen forderte Baerbock im vergangen Jahr schnellere Abschiebungen von Straftätern. So wurde erst einmal ,,Headline“ geschaffen, aber wie schnellere Abschiebungen konkret zu erreichen sind, ohne die Maghreb-Staaten als „sichere Herkunftsländer“ anzuerkennen, was die Grünen im Bundesrat im ersten Anlauf blockierten, erwähnt Baerbock nicht.

Dass die Grünen teilweise scheinheilig handeln, ist auch an einem weiteren Beispiel zu belegen. 2016 gab die rot-grüne NRW-Landesregierung die Genehmigung für die weitere Rodung des Hambacher Forsts. Glück für die Grünen, dass die Landesregierung 2017 abgewählt worden ist, nun schwarz-gelb regiert und den Protest spüren musste. Davon wollen die Grünen nichts mehr wissen und
standen mit dabei an vorderster Protestfront. Hätte ein Grüner der NRW-Landespolizei die Anweisung zur Räumung des Hambacher Forsts geben müssen, wäre die Situation der Grünen in den Umfragen vielleicht eine ganz andere.

Die Grünen- Eine Partei der Mitte?

Von vielen Wählern werden die Grünen als eine Partei wahrgenommen, die nicht mehr nur aus grünen Weltanschauungsideologen besteht, sondern auch ins bürgerliche Milieu vorgedrungen ist. Sie wollen nicht mehr die Verbotspartei von gestern sein, die einen „Veggie-Day“ fordert, sondern die Probleme lösungsorientiert angeht. Dadurch ist sicherlich auch der enorme Anstieg an jetzigen Grünen-Wählern zu erklären, die vorher CDU gewählt haben.

Winfried Kretschmann, laut einer Umfrage beliebtester Ministerpräsident Deutschlands, ist durchaus Magnet für eben solche ehemaligen CDU Wähler. Er weiß, dass Umweltschutz nur dann machbar sein wird, wenn darunter die Wirtschaftskraft eines Landes nicht deutlich geschwächt wird. Eine sehr liberale Aussage, die zeigt, dass es „grüne“ Politiker gibt, die nicht ständig auf Kriegsfuß mit der Wirtschaft stehen. Auch zeigt sich Kretschmann in Sachen Flüchtlingspolitik weitaus konservativer, als viele seiner Parteifreunde. So machte er deutlich, dass für ihn gewaltbereite Flüchtlinge hier keine Zukunft haben.

Teilweise gibt es bei den Grünen aber auch Forderungen, die bei weiten nicht bürgerlich sind, sondern eher radikal links und populistisch. So forderte der Grüne Berliner Abgeordnete Benedikt Lux, Polizisten quasi zu entwaffnen. „Taser“ statt Schusswaffen – das sind Elektroschocker, die nur auf einer Distanz von 6 Metern eingesetzt werden können und bei widerstandsfähiger Bekleidung unbrauchbar sind.
Bei solchen Aussagen fragt man sich, wie realitätsfremd manche der Grünen denken können. Man stelle sich vor, Attentäter, die beispielsweise mit Fahrzeugen über Weihnachtsmärkte fahren, könnten nicht mehr beim Morden gestoppt werden, da die Einsatzkräfte nur mit Elektroschockern bewaffnet sind. Ein Wahnsinn! Hier zeigt sich, dass die Grünen auch auf die Stimmen der radikal-linken Pflastersteinwerfer vom G-20 Gipfel schielen, um erfolgreich zu sein.

Zurzeit stehen sich Grüne ideologisch linke Landesverbände wie Berlin und eher liberale und realitätsnahe Landesverbände wie Baden-Württemberg versöhnlich gegenüber. Wenn die Grünen an die Macht kommen sollten, müsste sich zeigen, welcher Flügel sich durchsetzen wird. Ob ehemalige CDU Wähler auf lange Sicht bei den Grünen blieben, hängt insofern davon ab, welchen Kurs die Grünen anstreben. Wenn wie in Bremen ein Linksbündnis an die Macht kommt, ist es durchaus möglich, dass in Zukunft die Stimmen der neugrünen Ex- CDU-Wähler schnell wieder zurückwandern. Denn sie wählten schwarzgrün – nicht rotgrünrot.

Doch was wird die Zukunft bringen?

Es steht zu erwarten, dass die Grünen nach der nächsten Wahl, in welcher Form auch immer, an der Regierung beteiligt sein werden, was durchaus Chancen birgt. Außerdem wird dann deutlich erkennbar, ob in der grünen Verpackung auch grüner Inhalt sein wird. Dass das nicht zwingend der Fall sein muss, erkennt man am Beispiel des Hambacher Forsts.

Aktuell haben die Wähler große Erwartungen an die Grünen. Eine grüne Regierung würde unter starker Beobachtung der Wähler stehen, da dann bewiesen werden muss, ob die riesengroßen Erwartungen auch erfüllt werden.

Fakt ist, dass der Klimawandel viele Menschen auf der Welt bedroht und die Auswirkungen schon heute durch häufige und stärkere Naturkatastrophen zu spüren sind. Darin herrscht weitestgehend bei fast allen Parteien Einigkeit. Über den Weg, wie man mit dieser globalen Krise umgeht und was es für Lösungsansätze gibt, soll und muss gestritten werden.

Hierbei sollte der Fokus aber auf Innovationen, statt nur auf Verboten und weiterer
Steuerbelastungen liegen. Statt von Rationierungen von Flugreisen zu sprechen, sollte das Augenmerk auf der raschen Entwicklung von umweltfreundlicheren Treibstoffen und alternativen Energieträgern liegen.

Von Deutschland aus wird sich das Weltklima nicht retten lassen. Europäische Lösungen zu finden, muss die Aufgabe sein, weil der Klimawandel nicht an Grenzen halt macht. Denn wie immer man auch die Ursachen der Klimaveränderungen beurteilt: Für die junge Generation steht fest, dass ein Umdenken gefragt ist, um den Planeten für folgende Generationen lebenswert zu erhalten.


Von Nils Kahnwald