Tichys Einblick
Zählkandidat Scholz

Der eiserne Olaf oder „Getreuer Parteisoldat“

Und wieder einmal streiten die Parteien um Personen statt um Politik, denn die Personen sind keine politischen Alternativen, sondern bloß Karrierekonkurrenten.

imago Images/photothek

Persönlichkeiten mit Pflichtgefühl und strenger Selbstdisziplin waren schon immer ein Kennzeichen der deutschen Sozialdemokratie. Dazu muss man gar nicht weit in der Geschichte der ältesten Partei Deutschlands zurück gehen. Figuren wie Kurt Schumacher, Carlo Schmid, Ernst Reuter, Herbert Wehner, Willi Brandt und Helmut Schmidt stehen dafür. Zu dieser Treue gehört eben auch die Annahme von Jobs, die nicht vergnügungssteuerpflichtig sind. Die Kanzlerkandidatur für die SPD im nächsten Jahr zu übernehmen, ist da schon eher ein Himmelfahrtskommando.

Die, die Olaf Scholz jetzt dazu bestimmt haben, mögen ihn in Wahrheit nicht. Er ist der klassische Typ der alten SPD-Haudegen, die pragmatisch, fleißig und wenn es sein muss, kämpferisch für das harmonische Auskommen des bürgerlichen Lagers mit der Arbeitnehmerschaft ohne Schaum vor dem Mund eintreten. Ohne sie wäre der soziale Frieden auch in der Bundesrepublik nicht über all die Jahrzehnte erhalten geblieben. Von den Genossen im öffentlichen Dienst, diesen neuen, aus der 68iger Bewegung entstandenen neomarxistischen Kadereliten trennen sie Welten.

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Aber wenn man Wahlen gewinnen will, kann man – wenn auch schweren Herzens – nicht auf sie verzichten. Wie groß die Gegensätze zwischen den Kandidaten und der Parteiführung in Wahrheit sind, zeigte sich schon am ersten Tag. So ist es unfassbar, dass die Parteivorsitzende Esken kurz vor der Inthronisierung verkündet, auf den Kampf um die Kanzlerschaft komme es eigentlich gar nicht an. Man könne sich auch eine Koalition unter Führung der Grünen vorstellen. Für die SPD hat immer der Spruch gegolten: Wenn wir kämpfen, setzten wir auf Sieg, nur so kann man Massen mobilisieren. Mühsam versuchte sich der Auserkorene, den Pfeil im Rücken wieder herauszuziehen. Doch der Eindruck der Unprofessionalität und mangelnder Abstimmung bleibt.

Viel wichtiger als der Wille zur Macht, so Esken, sei das Zustandekommen einer fortschrittlichen linken Regierung, ganz selbstverständlich mit der Linkspartei, die wie die AfD in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird und in seinen Berichten auftaucht.

Scholz macht als nibelungentreuer Sozialdemokrat verkrampft gutes Gesicht zum bösen Spiel. In seinem Innersten wird er wissen, dass eine Mehrheit der SPD-Wähler, von denen erst viele wieder zurückgewonnen werden müssten, von derlei Zusammenarbeit nichts hält.

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Unabhängig von all dem war der Zeitpunkt für diesen Schachzug gut gewählt. Sämtliche Mitbewerber um die Zustimmung der Bürger stehen vor konfliktreichen Monaten. Die CDU steht unmittelbar vor einem Kampf um die neue Spitze. Ein Bild von Friede, Freude, Eierkuchen ist da nicht zu erwarten.

Nach der Personalentscheidung wird es um die Richtung gehen und schließlich um den Kanzlerkandidaten. „Augsburger Puppenkiste“ vom feinsten. So richtige Wahlkampfstimmung wird wohl nur schwer aufkommen.

Bei den Grünen ist längst der Kampf der Eitelkeiten, so sehr man es auch zurückweist, ausgebrochen. Der ewig jungenhafte Typ aus der „Aftershave-Werbung“ Habeck steht ebenso wie seine Nebenbuhlerin Baerbock morgens eine Stunde vor dem Spiegel und ruft sich gegenseitig selbst zu: „Ich liebe Dich!“. Das Fingerhakeln wird lustig.

Bei der FDP steht auch Zoff ins Haus. Angesichts der miserablen Umfrageergebnisse wackelt der Stuhl bei Parteichef Linder. Das erste Bauernopfer könnte schon zeitnah Generalsekretärin Teuteberg sein.

Zur AfD muss man nicht viel sagen. Sie scheint im eigenen Saft zu ertrinken. Nur die Linkspartei frohlockt und sieht ihre Stunde näher kommen.

Man braucht die großen Herausforderungen für unser Land gar nicht zu benennen, um zu begreifen: In guter Verfassung ist Deutschland nicht.

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