Tichys Einblick
Sie wollen es verschweigen

„Der Afghanistan-Einsatz ist der blutigste in der Geschichte der Bundeswehr“

Donald Trumps Versuch, den US-Abzug endlich abzuschließen, stoßen auf Widerstand selbst des republikanischen Senats-Sprechers Mitch McConnell.

imago Images/T. Röhn

Bitter klingt die Deutsche Welle im September 2020 zum Einsatz deutscher Truppen am Hindukusch: „Der Afghanistan-Einsatz ist der blutigste in der Geschichte der Bundeswehr. / War es das wert? Diese Frage stellen sich nicht nur die Familien der 59 deutschen Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben verloren haben. Der Einsatz sollte für die Bundeswehr ausdrücklich kein Kampfeinsatz sein, sondern nur eine kurze Intervention zur Stabilisierung eines kriegsgeschundenen Landes, in dem sich Osama bin Laden versteckte. Doch es kam alles ganz anders: Die Bundeswehr ist bis heute in Afghanistan im Einsatz – mit derzeit maximal 1.300 Soldaten. In Spitzenzeiten waren es mehr als 5.000.“ Dieser zweitlängste aller deutschen Kriege wird zum größten Fiasko der weltpolitischen Amateure Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Schon 2009 befürworten 69 Prozent der Bundesbürger einen schnellen Abzug der Bundeswehr. Sie scheitern. Mit ihnen scheitert der Autor, der seit 2006 in den USA , in Kanada und in der Bundesrepublik die demografischen Grundlagen für das Durchhaltevermögen aller afghanischen Fraktionen zugänglich macht.

Immer wachsen mehr Krieger nach, als von Russen, Westlern oder eigenen Landsleuten getötet werden. Stehen 1960 erst knapp 1,3 Millionen junge Afghanen im besten Kampfalter von 15 bis 29 Jahren, so sind es 2020 rund 5,9 Millionen. 2030 folgen gut 7,3 Millionen Mann. Sie sind alle schon geboren.

Niemals werden die westlichen Parlamente vor Entscheidungen für die Einsatzverlängerung über diese Entwicklungen aufgeklärt. Der afghanische Kriegsindex liegt heute knapp sechsmal höher als der amerikanische (2020: 1,0) und sogar gut achtmal höher als der deutsche (2020: 0.7). Auf 1.000 Alte folgen in Afghanistan 6.000 Jünglinge. In Amerika sind es 1.000 und in Deutschland 700. Zugleich werden die Zukunftsaussichten in Afghanistan prekärer, weil der Aufbau konkurrenzfähiger Industrien misslingt.

Donald Trumps Versuch, den US-Abzug endlich abzuschließen, stoßen auf Widerstand selbst des republikanischen Senats-Sprechers Mitch McConnell. Verständlich ist, dass Generale keine verlorenen Kriege und nicht einmal sieglose Rückzüge in ihrem Lebenslauf sehen möchten. Nötig ist aber auch die Einsicht, dass der Westen nicht nur demografisch stetig schwächer wird, sondern auch ökonomisch abrutscht, weil bei ihm das Personal für Hightech-Industrien nicht mehr ausreichend nachwächst. Es ist Zeit, nach Hause zu kommen.  


Gunnar Heinsohn (*1943) hat von 2011 bis 2020 Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom gelehrt. Zum 15. Geburtstag der NATO-Kriegsschule in Stavanger (Joint Warfare Center) hat er 2018 die Grundsatzrede gehalten.

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