Tichys Einblick
Dekadenz ist unumkehrbar

Über die Unfähigkeit menschlicher Gesellschaften, mit Wohlstand umgehen zu können

TE-Leser Thomas Hellerberger schrieb zum Beitrag von "Wahlkampf in Zeiten des Niedergangs – ein überflüssiger Luxus?" von Ronald G. Asch den folgenden Kommentar.

imago images / Ralph Peters

Politische Kritiken wie die vorliegende von Herrn Asch leiden meiner Meinung nach stets daran, dass sie sich zu sehr auf das Naheliegende (hier: Niedergang der Union, Aufstieg der Grünen, Linksdrift der Mehrheitspolitik) kaprizieren. Das alles ist wahr und richtig, doch der Ursprung liegt weder in Angela Merkel noch der Gschaftlhuberei von ämtergeilen CDU-Funktionären, sie – selbstverständlich – zum Erhalt ihrer Pfründe und Posten auch mit der Linkspartei koalierten, informell geschieht dies schon mannigfaltig. Nicht einmal die Kräfte des linken Sektors sind „schuld“.

Das unterliegende Problem ist die gar nicht einmal für Deutschland besondere Unfähigkeit menschlicher Gesellschaften, mit Wohlstand umgehen zu können. Historisch haben alle Gesellschaften, die einen innerlich und äußerlich unbedrohten Wohlstand über das Maß elementarer Bedürfnisbefriedigung hinaus erreicht haben, stets nach einer kurzen kumulativen Phase (im Falles Europas: Die Jahre von 1890 bis zum 1. Weltkrieg und dann noch einmal die 1950er Jahre) einen unvermeidlichen Niedergang erlebt.

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Am Ende stand stets eine Mischung aus Dekadenz, Pazifismus, Feminismus (bzw. eher die Ablehnung von Männlichkeit und Wehrhaftigkeit) und Gebärverweigerung. Ob nun „der Westen“ (also auch Deutschland) im 21. Jahrhundert oder das Römische Reich ab dem Ende des 4. Jahrhunderts, davor andere Reiche wie das 2. des alten Ägyptens oder das der Sassaniden, oder auch das China vor der Ming-Dynastie – stets war diese Entwicklung, trotz vielfältiger innerer Reformversuche, nicht umkehrbar. Das Schicksal Europas und Nordamerikas zum Ende dieses Jahrhundert wird das gleiche sein wie vor 1.500 Jahren: Sie werden von kulturell unterlegenen, aber hochfertilen und den Mann in den Vordergrund stellende Völkern überrannt, übernommen und dann durch Bevölkerungsaustausch ethnisch assimiliert. Ein Kultursturz folgt, der sehr resilient sein wird.

Das Problem liegt darin, dass eine dekadente Lebensweise angenehm ist und „Spaß macht“ – nicht umsonst galt das Streben und Sinnen vorherige Generationen verbissen genau dem Ziel, eine solche Gesellschaft anzustreben. Auch kein Querdenker oder AfD-Wähler, geschweige denn wirklich ein Grünlinker oder Klimagläubiger will zurück zu einem Lebensstandard, wie es ihn hierzulande zuletzt Mitte des 19. Jahrhunderts gab, und vielleicht noch im Hungerwinter 1946. Das aber wäre notwendig, um in der deutschen Gesellschaft wieder jene Kräfte, jenen Ehrgeiz, jenes Lebensgefühl und Bewußtsein zu wecken, dass über die Erfindung von 23 Geschlechtern oder den bloßen Erwerbs eines in China gefertigten Kleincomputers zum Schreiben von Whatsapp hinausgeht.
 
Wie gesagt: Es ist kein böser Wille.

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Links und grün zu sein im heutigen Sinne ist eine bestenfalls opportunistisch zu nennende Anpassungsleistung, keine „Gesinnung“ oder tatsächliche Ideologie. Der Mensch, so wie er sich in der afrikanischen Savanne vor 100.000 Jahren entwickelte, ist mental, genetisch und behavioristisch für ein entbehrungsreiches Leben unter ständiger Gefahr ausgelegt – wie übrigens sämtliche Lebewesen auf der Erde. Mit Gefahrlosigkeit, Überfluss und Sattheit kann er nicht umgehen – er wird fett, faul, dekadent und träge. Nicht nur Menschen! Nicht umsonst kennen wir das Phänomen der „Verhaustierung“ – füttere deine Hauskatze nur mit Leckerli den ganzen Tag, sie wird dick und rund, liegt den ganzen Tag nur noch auf dem Bücherregal und betrachtet bestenfalls halbinteressiert, aber ohne erkennbare Aktivität einen Vogel draußen vor dem Fenster. Ein ferner Instinkt in ihr sagt ihre zwar, dass das Futter sei, sie ihn jagen müsse, weil sie sonst verhungern könnte – und schon steht wieder der Napf mit Whiskas vor ihr. Der Vogel kann sie mal.

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Durch diese evolutionär angelegten Mechanismen ist es uns heute unmöglich, der dekadenten Gesellschaft zu entkommen. Der Abstieg, der sich derzeit eben in Klima-, Gender- und sonstigen grünlinken Wahnen äußert, er ist unausweichlich. Andere stehen auch längst ungeduldig bereit, zu übernehmen – und sie werden es tun. Wie lange sie dann in einem „dunklen“ Zeitalter leben werden, wann sie den Zustand dekadentem Abstiegs erreichen werden, wer weiß.

Aber ist es für uns von Belang?
 
Ihr KÖNNTET anders. Aber – wer will es wirklich, wenn er sieht, welche Konsequenz es hätte? Glaubt mir, mit ein bisschen mehr Grenzschutz oder weniger Steuern erreicht Ihr nichts. Denn das Problem seid ja Ihr selbst. Kleine Aufgabe zu Beginn: Duscht ab sofort, also ab morgen früh, grundsätzlich nur noch kalt. Und dann nur einmal die Woche. Im Winter wird nur noch ein Zimmer in der Wohnung geheizt, auf maximal 15 Grad. Der Rest bleibt kalt.
 So war es „vor der Dekadenz“. Wer schafft das? Wer will das? 
Eben.

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