Tichys Einblick
Das politische Jahr 2023

Das sind die Gewinner

Das politische Jahr 2023 hat den Deutschen manche Zumutung gebracht. Trotzdem gab es auch Gewinner.

IMAGO

Wichtig: Es geht in diesem Vergleich nicht darum, ob ein Politiker gut oder schlecht ist – sondern, ob er am Ende von 2023 besser dasteht als an dessen Anfang.

8) Friedrich Merz
Als die AfD in den Umfragen über 20 Prozent kletterte und in erste Rathäuser einzog, wachte Friedrich Merz auf. Endlich. Als konservativer Erneuerer in den CDU-Vorsitz gewählt, war er lange nur eine weitere grüne Stimme in der politischen Landschaft. Doch seit den AfD-Erfolgen bezieht Merz nun liberale und konservative Positionen und stellt sich gegen den grünen Wahnsinn. Zumindest verbal. Mehr kann er als Oppositionsführer auch nicht tun. Was von dieser Neupositionierung in der Tat zu erwarten ist, wird sich letztlich erst nach einem Machtwechsel beweisen. Anfang 2023 schaffte es die Union aber in den Umfragen nicht über 30 Prozent. Dort hat sie sich Ende des Jahres fest etabliert. Deswegen gehört Friedrich Merz in diese Liste.

7) Cem Özdemir
In der Frage um Belastungen der Landwirte hat Özdemir kein gutes Bild abgegeben. Er hat sich selbst für die Belastungen ausgesprochen, hat sie gegenüber dem Führungstrio der Ampel akzeptiert und erst danach sich dagegen ausgesprochen. Doch anders als Finanzminister Christian Lindner (FDP) bewies Özdemir Eier, nahm die Einladung der Bauern zur Demonstration an und stellte sich dort tausenden Menschen, die seine Politik ablehnen. Das mag nicht viel sein. Doch steht die Sonne tief, wirft ein Zwerg auch lange Schatten. Und in Zeiten der Ampel steht die Sonne ziemlich tief.

6) Franziska Giffey
Formal gehört Giffey zu den Verlierern 2023. Ins Jahr ging sie als Regierende Bürgermeisterin Berlins, nach der verlorenen Wahl ist sie nur noch Wirtschaftssenatorin. Doch genau das macht die Sozialdemokratin – trotz aller Fehler und Niederlagen – zur Gewinnerin. Denn sie hätte die Option gehabt, die Koalition mit Grünen und Linken fortzuführen – und damit selbst Bürgermeisterin zu bleiben. Doch sie erkannte, welch Schaden eine Koalition mit den Grünen für das Land oder in dem Fall die Stadt anrichtet. Also opferte sie ihre eigene Position zum Wohle des Landes. Der Schritt hat Respekt verdient.

5) Volker Wissing
Unter den Blinden… Volker Wissing ist der letzte Freidemokrat in der Ampelkoalition. Während Justizminister Marco Buschmann gegenüber rot-grünen Wünschen so durchsetzungsfähig ist, wie ein Yorkshire-Terrier auf Leckerli-Entzug und Christian Lindner Christian Lindner ist, vertritt Wissing noch Positionen der FDP. Zum Beispiel, dass es zwar richtig ist, in die Schiene zu investieren, aber Straßen und Brücken für den Autoverkehr auch nicht verfallen dürfen. Erlöst sich die FDP irgendwann von Lindner, gehört Wissing zu den wenigen, die das Format haben, Parteivorsitzender zu werden.

4) Julia Klöckner
2021 war politisch ein Horrorjahr für Julia Klöckner. Zuerst fuhr ihr CDU-Landesverband in Rheinland-Pfalz eine historische Niederlage ein. Sie selbst war als Landesvorsitzende nicht mehr zu halten. Dann verlor Armin Laschet die Wahl und Klöckner ihr Amt als Bundesministerin für Landwirtschaft. Doch die ehemalige Weinkönigin hat sich gut erholt. Als wirtschaftspolitische Sprecherin gehört sie zu den wenigen, die der CDU wieder inhaltliches Profil verschaffen. Als es im Ausschuss um die Vettern- und Cousinenwirtschaft der Grünen ging, führte Klöckner Minister Robert Habeck und seinen Chef-Vetternwirtschaftler Patrick Graichen vor – in einer Art, die selbst politische Gegner beeindruckte.

3) Robert Sesselmann
Im Juni ist Sesselmann zum ersten Landrat gewählt worden, der zur AfD gehört. Die Wutschaumwellen der regierungsnahen Medien waren absehbar. Auch die Kartellparteien selbst reagierten panisch. Sesselmann musste sogar seine Verfassungstreue überprüfen lassen. Wer in Deutschland ein Amt bekommt, entscheidet schließlich nicht der Wähler, sondern der Verfassungsschutz – und die Kartellparteien, die über die Führung des Verfassungsschutzes entscheiden. Ein halbes Jahr später ist Sesselmann im Amt. Der Landkreis Sonnenberg ist seitdem nicht in Polen einmarschiert, hat kein Internierungslager angelegt – allerdings auch noch nicht den Zuschlag für die Olympischen Spiele erhalten.

2) Sahra Wagenknecht
Gegen Merkels Einwanderungspolitik durftest du nicht sein, sonst warst du ein Nazi. Gegen grüne Klimapolitik darfst du nicht sein, weil du sonst ein Klimaleugner bist. Wenn du dich skeptisch gegenüber Schulschließungen oder Impfungen gegen Corona gezeigt hast, warst du ein Covidiot. Sprichst du dich für Friedensverhandlungen aus, bist du ein Putin-Troll. Seit Jahren ist es die Masche der politischen Linke, alle mit anderer Meinung mit Schmähbegriffen zu brandmarken und gesellschaftlich zu vernichten. Eine Linke, die sich gegen diese Strategie der Linken ausspricht, ist Sahra Wagenknecht. Darüber kam es zum Streit mit der gleichnamigen Partei. Der hat Wagenknecht nun den Rücken zugekehrt und eine eigene Partei gegründet. Die ersten Umfragewerte sind vielversprechend. Wird sich zeigen, ob Wagenknecht 2024 bei den Gewinnern oder den Verlieren landet.

1) Hubert Aiwanger
Kurz vor der Landtagswahl deckt eine bundesweit erscheinende Tageszeitung einen Skandal auf. Du sollst als Schüler antisemitische Flugblätter verteilt haben. Eigentlich der sichere politische Tod. Doch Hubert Aiwanger überlebt die Kampagne der Süddeutschen Zeitung nicht nur, er geht gestärkt aus ihr hervor. Bei der Wahl legen seine Freien Wähler deutlich zu, werden hinter der CSU stärkste Partei – mit fast doppelt so viel Stimmen wie die SPD. Das hat viele Gründe: Weil ein SPD-naher Lehrer den Skandal losgetreten hat, der aus politischer Motivation einen schweren Vertrauensbruch begangen hat. Weil die SZ nicht wirklich wusste, was passiert ist, aber die vorhandenen Indizien in eine überzeichnete Rekonstruktion gepresst hat. Weil die Zeitung dabei einen Belastungseifer bewiesen hat, der von der ohnehin vorhandenen Abneigung gegen Aiwanger geprägt war. Und weil sie seit Jahren jeden in die rechte Ecke drängt, der nicht bei Drei für die Grünen schwärmt. Aiwangers Beispiel hat allen Mut gemacht, dass sich linke Kampagnen überleben lassen.


Wer sind Ihre politischen Gewinner des Jahres 2023? Senden Sie uns gerne Ihre persönlichen Favoriten mit einer kurzen oder auch gerne ausführlicheren Begründung: redaktion@tichyseinblick.de

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