Tichys Einblick

Das Grundrauschen der Diskriminierung und der konservativ-konstruktive Umgang damit

Die ganze Lebenswirklichkeit ist voller Diskriminierung. Mal klein subtil – mal heftig deftig. Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will keine realexistierenden Menschen. Welche kleinen Schritte können diese realexistierende Welt spürbar verbessern?

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Frauen werden von der Natur diskriminiert, weil sie unter Schmerzen die Kinder gebären müssen.

Männer sind diskriminiert, weil überwiegend sie in Kanalisation und Kläranlage arbeiten. Wann fordern die Grünen auch in diesen Berufen endlich eine Frauenquote?

Juden werden in Koranstellen diskriminiert; eine 80-jährige Jüdin mit silbernem Davidstern um den Hals erzählt mir, wie sie in einem Berliner Bus von Fremden mit dem Ausruf „Alahu akbar“ bespuckt wurde.

Die AfD und ihre Wähler werden als Nazis (= Massenmörder und Kriegstreiber) diskriminiert.

Deutsche mit Migrationshintergrund werden diskriminiert, wenn der gleiche Schulaufsatz schlechter benotet wird, wenn das Kind einen türkischen Vornamen hat.

Homosexuelle Paare sind diskriminiert, weil sie keine eigenen Kinder bekommen können.

Bei einer Bewerbung zur Miss Germany wird die zahnlose freundliche Seniorin aus dem Altenheim diskriminiert.

Der Witwer, der in seiner Trauer immer wieder in Tränen ausbricht, wird auf der feucht-fröhlichen Familienfeier von den anderen gemieden, also diskriminiert.

Unsere deutsche Sprache diskriminiert, wenn das schönste auf der Welt – DIE Liebe – weiblich ist, obwohl Männer doch hin und wieder auch ein bisschen Liebe empfinden können.

Rothaarige werden im Sommer diskriminiert, weil sie schneller einen Sonnenbrand bekommen.

Katholische Priester werden diskriminiert, weil sie mit der Sexualität auf ein Lebenselexier der 68er verzichten (sollen).

Polizisten werden diskriminiert, wenn der Bundespräsident der BRD eine Musikgruppe hofiert, die zu Gewalt gegen „Bullen“ aufruft.

Coronaviren diskriminieren Altenheimbewohner, weil sie dort besonders tödlich zuschlagen.

„Pfaffen“ (von Affe!) erleben Diskriminierung, wenn ihnen in Diskussionen die Kreuzzüge und Hexenverbrennungen aus früheren Jahrhunderten angehaftet werden.

Ich will Sie nicht weiter mit unendlichen Beispielen langweilen.

Kurz: Wo Menschen zusammen kommen, gibt es stets ein „Grundrauschen der Diskriminierung“. Menschen sind unterschiedlich. Schneller als gewollt schleichen sich Abwertungen und „Unterscheidungen“ (= lat. discriminatio) ein.

Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will keine realexistierenden Menschen.

Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will kein menschliche Sprache, da selbst jede noch so vermeintlich „gerechte Sprache“ voller Diskriminierung ist.

Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will keine heiligen Bücher, da heilige Bücher von Menschen geschrieben sind und darum immer auch ein „Grundrauschen der Diskriminierung“ enthalten.

Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will keine Geschichte, da es natürlich auch früher schon das „Grundrauschen der Diskriminierung“ gab. Puritanische selbstgerechte Geschichtssäuberer diskriminieren unsere Vorfahren und sind selber „Superspreader“ der Diskriminierung.

Und darum spitze ich in aller Schärfe zu: Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will nicht diese Welt.

Konservative dagegen erträumen sich keine heile Welt, kein Paradies ohne Diskriminierung am Sankt-Nimmerleins-Tag. Konservative gehen von der Realität aus. Und das heißt in diesem Fall: Konservative akzeptiven ein unberwindbares „Grundrauschen der Diskriminierung“. Ob uns das passt oder nicht.

Dabei bleiben Konservative aber nicht stehen. Nach einer nüchternen und ungeschminkten Analyse stellen sie die spannende Frage: Welche kleinen Schritte können diese realexistierende Welt spürbar verbessern? Und da liegt folgender Dreischritt auf der Hand:

Der erste Schritt der Verbesserung: Lasst uns gegenseitig von unseren Diskriminierungserfahrungen erzählen, damit wir sensibler füreinander werden. Und dabei hat jeder das gleiche Recht auf Erzählung: Der Schwarze genauso wie der Weiße. Der Muslim wie der Jude. Männer wie Frauen. Blonde wie Glatzköpfige. Homosexuelle wie Zölibatäre. Kinderreiche wie kinderlose.

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Bitte keine linke einseitige Diskriminierung bei dem Erzählen von Diskriminierungserfahrungen. Bitte keine einseitige Fixierung lediglich auf die eine gewollte Opfergruppe, die sich im Augenblick am besten politisch instrumentalisieren lässt. Wer hier unsensibel und doppelmoralisch vorgeht, der legt mit seinem Anti-Diskriminierungskampf lediglich die Wurzeln für neue Diskriminierungsverletzungen. Der Weg zur Hölle ist auch hier mit guten Vorsätzen und selbstgerechten Pharisäismus gepflastert. Wieviel aber ist schon gewonnen, wenn wir bei anderen UND bei uns selber ein wenig sensibler werden für das „Grundrauschen der Diskriminierung“.

Der zweite Schritt der Verbesserung: Das „Grundrauschen der Diskriminierung“ sollte Schritt für Schritt in der Rechtsprechung verkleinert werden. Vor dem Recht sind alle gleich. Die Justitia hat verbundene Augen, weil sie keine Unterschiede zwischen Menschen machen darf. Die Gesetzesübertretung eines Schwarzen und die Gesetzesübertretung eines AfDlers müssen vor Gericht gleich behandelt werden.

Der dritte Schritt der Verbesserung: Das „Grundrauschen der Diskriminierung“ darf niemals in Gewalt münden. An diesem Punkt muss die Grenze strikt und absolut gezogen werden. Ansonsten bekommt das „Grundrauschen der Diskriminierung“ eine Eigendynamik, die ganze Gesellschaften zerstören kann. Wer physische Gewalt ausübt, der muss mit aller Härte vom Gewaltmonopolisten Staat im Gefängnis diskriminiert werden.

Mit diesen drei Schritten können Konservative viel gegen Diskriminierung erreichen.
Anders als die lautstarken Marktschreier, die in ihrem fanatischen Kampf gegen das „Grundrauschen der Diskriminierung“ sich in heillosen Utopien verlieren und damit real nur neue Diskriminierungen und Gewaltorgien schaffen.

Konservative brauchen auch in diesem vermeintlich linken Politikfeld ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Sie können sich selbstbeweußt und offensiv in die Diskriminierungsdebatte einbringen mit der Kunst der kleinen effektiven Schritte hin zu einer etwas besseren Realität.

Wer eine Welt ohne Diskriminierung möchte, der will nicht diese Welt.
Wer eine Welt mit mehr Feingefühl für das weitreichende unauflösliche „Grundrauschen der Diskriminierung“ möchte, der will eine bessere Welt.

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