Tichys Einblick
750 Milliarden Lockdown-Euro

Dänemark, Niederlande, Schweden und Österreich sind der Last Man Standing der EU

Vier von 27 Mitgliedsstaaten sagen nicht brav ja. Das klingt wenig. Doch nur sie plus Deutschland, Luxemburg und Frankreich stehen für die Triple-A-Bewertung der Rating-Agenturen. Und Frankreichs Bonität hängt an der Zahlachse Berlin-Paris.

Bewertet man die Kreditwürdigkeit der EU mit der – eher neutralen– kanadischen DBRS (Dominion Bond Rating Service), so erreicht die Gemeinschaft ein AAA (Triple-A). Im Durchschnittswert aller Agenturen, den Trading Economics in TE-Werte umrechnet, reicht das für hoch respektable 98 von maximal 100 TE-Punkten. Von den amerikanischen Agenturen geben Moody’s und Fitch der EU ebenfalls ein Triple-A. Lediglich Standard & Poors zeigt sich mit einem AA vorsichtiger.

Die 750 Milliarden Euro zur Überwindung der Lockdown-Krise, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Kapitalmarkt aufnehmen will, sollten also leicht zu besorgen sein. Schließlich haben lediglich vier der siebenundzwanzig EU-Mitglieder Bedenken, 500 Milliarden davon einfach Richtung Süden zu verschenken. Es geht um Dänemark, Niederlande, Schweden und Österreich mit zusammen knapp 42 Millionen Einwohnern. Ansonsten gibt es viel Bereitschaft, die Beträge zu nehmen und über „viele Jahrzehnte“ hinweg zurückzuzahlen.

Schaut man jedoch genauer hin, dann geht es um vier von lediglich sieben EU-Staaten, die auch auf eigenen Füßen ein Triple-A bzw. 96 bis 100 TE-Punkte schaffen. Und es sind lediglich die sieben Triple A-Staaten mit ihren insgesamt 131 Millionen Einwohnern, die der EU eine Bonität von 98 TE-Punkten bescheren. Ohne sie tendiert der verbleibende Block aus 20 Staaten mit insgesamt 315 Millionen Einwohnern zu 70 TE-Punkten, wo man sich etwa mit Malaysia träfe. Man müsste darum kämpfen, um BBB bzw. 65 TE-Punkte auf Abstand zu halten, bei denen Probleme der Kreditbeschaffung hoch akut werden. Zwei 50er zusammen ergeben ja keinen 100er, sondern ein Fiasko. Selbst Frankreich hat seine 92 Punkte wahrscheinlich nur aufgrund der Zahlachse Berlin-Paris, auf die man sich bei den Agenturen verlässt.

Würden nur noch Deutschland und Luxemburg das Triple-A stützen, ginge es nicht nur für die Gesamt-EU, sondern auch für diese beiden Staaten verloren. Die Agenturen müssten umgehend neu berechnen, was ihre – vor allem in Deutschland bereits extrem belasteten Steuerbürger – bei EU-Zahlungsverzug noch aufbringen könnten. Die Lage würde brisant, weil vor allem die deutschen Papiere in zahllosen Investments, Reserven und Eigenkapitalen stecken. Würden sie notleidend, gäbe es Verluste auf allen drei Positionen gleichzeitig. Mündelsichere Mittel zum Glattstellen für das Vermeiden abendlandsweiter Bankrotte wären unaufbringbar.

Die Verantwortung der vier Triple-A-Verteidiger kann mithin nicht hoch genug veranschlagt werden. Sie stehen vor der ungemütlichen Alternative eines gemeinsamen Abrutschens oder des Londoner Weges.


Im Lexikon ökonomischer Werke (Düsseldorf: Wirtschaft und Finanzen 2006), das 650 wegweisende Texte seit Hesiod vorstellt, ist G. Heinsohn (*1943) – neben dem 1994er Nobelpreisträger Reinhard Selten (1930-2016) – als einziger deutschsprachiger Autor mit drei Werken vertreten.