Tichys Einblick

Corona-Politik-Krise und Widerstandsrecht

Nicht der Staat als gesetzgebende und rechtssetzende Gewalt, sondern nur der Bürger selbst kann sich das Widerstandsrecht verleihen: Es beruht ganz auf der ethischen Selbstermächtigung des Einzelnen. Von Rudolf Brandner

Demonstration von Querdenken 711 in Karlsruhe am 31.10.2020

imago images / Einsatz-Report24

Die geschichtliche Situation scheint sich in der Corona-Krise bedenklich zuzuspitzen: Das politische Handeln ergeht sich in einem Chaos von Verordnungen, die nicht nur zeigen, daß ihnen jede solide wissenschaftliche Erkenntnisgrundlage fehlt, sondern auch die Legitimität, indem sie durch die Judikative fortlaufend wieder aufgehoben werden. Eine wachsende wissenschaftliche und gesellschaftliche Opposition gegen diese Maßnahmen wird von der politischen Entscheidungsfindung ausgegrenzt, medial diffamiert oder totgeschwiegen, die breite Öffentlichkeit desinformiert und um die wahre Sachlage getäuscht; Demonstrationen durch Auflagen schikaniert oder unmöglich gemacht, die sich abzeichnenden wirtschaftlichen Kollateralschäden durch Aussetzung des Insolvenzrechts und verordnetem Optimismus nach Möglichkeit verdeckt. Von den gesundheitlichen Kollateralschäden redet keiner mehr – ein eisernes Schweigen legt sich über alles, was den verordneten Maßnahmen «negative» Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung attestieren könnte.

Wo die Politik ihr Legitimitäts- und Rationalitätsdefizit durch eine Übersteigerungsspirale aus Gefahrenbeschwörung und autoritäre Maßnahmen kleinzu spielen sucht und dabei von einer medialen Panikmache gegen alle Prinzipien intellektueller Redlichkeit unterstützt wird, geht der «Protest»: der öffentlich bekundete, «demonstrative» Widerwillen gegen die Corona-Maßnahmen über in den offenen Widerstand. Eine explosive Mischung entsteht, wo einer breiten Öffentlichkeit der informationspolitische Pandemie-Betrug durch PCR-Tests aufgeht und sich mit den realgeschichtlich angerichteten Schäden verbündet, die zahlreichen Bürgern die Existenzgrundlage vernichtet. Es droht die Gefahr eines allgemeinen Flächenbrandes, der der Legitimität der Politik allen Boden entzieht und die Rechtsordnung selbst: ihre Anerkennung und praktische Geltung – ins Wanken bringt. Der Bürger ergreift sein Recht auf Widerstand gegen ein das Allgemeinwohl zerstörendes Regierungshandeln. Wie aber steht es mit diesem Recht auf Widerstand?

1.«Widerstand» bezeichnet hier die Eskalationsstufe des demonstrierten, aber politisch ungehörten Widerwillens durch konkretes Handeln. Die Rede ist dann auch von «zivilem Ungehorsam» (civil disobedience), dem vorsätzlichen Nichtbefolgen gesetzlicher Vorschriften. Nur bleibt «Ungehorsam» ein schiefer Ausdruck paternalistischer Obrigkeit, die den «Rechtsgehorsam» als Pflicht ihrer Bürger verlangt. Dem modernen Verhältnis von Bürger und Staat aber ist das unangemessen. Denn nicht aus unterwürfigem Gehorsam, sondern aus vernünftiger Überzeugung in die Rationalität von Gesetzen handelt der Bürger «rechtskonform» im Rahmen der «Legalität», d.h. positiver Rechtsetzungen. Diese aber schöpfen ihr Recht, d.h. die Legitimität ihrer Rechtsetzung, aus dem Wahrheits- und Gerechtigkeitssinn der Allgemeinheit, ihrer ethischen Rationalität. Eben sie ist die Grundlage aller Legalität und verbürgt die praktische Geltung der positiven Rechtsordnung. Der Rechtsbegriff hat es so immer mit dieser Zwiefalt zu tun: der Legalität positiv gesetzten Rechts und der Legitimität der Rechtsetzung selbst, die im geschichtlichen Gemeinschaftsbewußtsein derer, für die diese Rechtsordnung gilt, verankert ist. Dass diese eine kultur- und entwicklungsgeschichtlich bedingte ist, begründet die menschheitsgeschichtliche Vielfalt von Rechtsordnungen.

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Das Recht auf Widerstand ist also kein positives Recht, sondern wäre als solches, wie schon Kant nachgewiesen hat, ein Selbstwiderspruch der Rechtsordnung und damit ihre Auflösung. Denn ein verbrieftes Recht, das Recht nicht zu befolgen, würde alle Rechtsetzung für Beliebigkeiten erklären, die ebensogut nicht gelten. Damit wäre die Rechtsgeltung positiven Rechts durch dieses selbst aufgehoben – was absurd wäre. Ein Recht, das ebensosehr gilt wie nicht gilt, ist kein Recht. Das Widerstandsrecht hat deshalb seinen Ort in der Rechtsbegründung: Die Legitimität der Rechtsetzung wird negiert – und damit das aus ihr folgende gesetzeskonforme («legale») Verhalten verweigert. Maßgeblich ist der «über-positive» Grund des Rechts – das Ethos der geschichtlichen Gemeinschaft. Diese hat ein unabdingbares Recht auf die vernünftige Einsichtigkeit positiver Gesetzgebung, das ihre Lebenspraxis bestimmt. Es ist der Grundsatz gesetzgeberischer Rationalität, mit den Worten Hegels: «Das Recht, nichts anzuerkennen, was Ich nicht als vernünftig einsehe, ist das höchste Recht des Subjekts». Dieses Recht schließt die Pflicht des Subjekts ein, seine Vernunft an den objektiven Sachlagen selbst auszubilden, ist also keine Geschmackssache subjektiver Beliebigkeiten, sondern das Bildungsresultat bürgerlichen Gemeinsinns (Rechtsphilosophie, § 132). Wo sich dieser im Widerspruch zur positiven Rechtsetzung erfährt, widersetzt es sich ihrer Durchführung: Der demonstrierte Widerwille geht, da ungehört, über in den Widerstand.

Aber indem der Widerstand selbst kein Gegenstand des positiven Rechts ist, lässt sich sein Recht auch nicht einklagen, im Gegenteil: Der Widerstand bleibt justiziabel ein Gegenstand rechtmäßiger Strafverfolgung. Im Rahmen positiver Gesetze kann keine Exekutive und keine Judikative ein Recht auf Widerstand verbürgen – denn er gehört der ganz anderen, zugrundeliegenden Sphäre der (über-positiven) Legitimität von Rechtsetzungen an. Diese ist keineswegs mit den gesetzgeberischen Verfahrensregeln zu verwechseln, sondern Sache des bürgerlichen Souveräns. Deshalb kann auch nicht der Staat als gesetzgebende und rechtssetzende Gewalt, sondern nur der Bürger selbst sich das Widerstandsrecht verleihen: Es beruht ganz auf der ethischen Selbstermächtigung des Einzelnen. Wer also die staatliche Rechtsordnung fragt, ob er Widerstand leisten darf, ist kein Bürger, kein politisches Subjekt, sondern ein Unterwürfling, kurz: ein Trottel. Und so bei allen «Darf man das denn…» Fragen.

2. Deshalb bleibt es auch eine leere Hohlformel, wenn in manchen Verfassungen (so z.B. auch GG § 20.4) ein Widerstands- oder gar Revolutionsrecht aufgeführt wird, das sich nicht auf einzelne Gesetze, sondern die Staatsgewalt im ganzen bezieht, wenn diese sich gegen «das Volk» und seine allgemeinwohlorientierte Verfassung kehren würde. Denn gerade dann, wenn dieser Fall vorherrschte, kann ein solcher Rechtsanspruch nicht mehr gewährleistet werden, da die ganze Staatsgewalt in den Händen derer liegt, gegen die er geführt werden müsste. Ein Recht, das nur unter Bedingungen seiner Unrealisierbarkeit gilt, ist kein Recht, sondern eine rein verbale Erinnerung an die ethische Gemeinschaft als «über-positive» Grundlage aller Legitimität: In Notlagen äußerster Bedrohung vermag sie als das wahre politische Subjekt sich selbst zum Widerstand gegen die herrschende Staatsgewalt ermächtigen. Nur wie und wann dies der Fall ist, darüber entscheiden die Bürger selbst aus ihrem Gerechtigkeitsempfinden heraus: Es ist der Augenblick bürgerlichen Widerstands gegen die Staatsgewalt – in extremis: Bürgerkrieg und Revolution: «Souverän (= rechtsetzend) ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet» (Carl Schmitt). Damit ist der Grund aller Rechtsetzung erreicht – die geschichtliche Gewalt: «Auctoritas, non veritas facit legem» (Hobbes) oder mit Hegel: «Die Weltgeschichte ist das Weltgericht».

3. Umso wichtiger bleibt das Widerstandsrecht auf der Ebene einzelner Gesetzgebungen, die nicht die Partikularinteressen einzelner Gruppen betreffen, sondern die ethische Verfassung der Gemeinschaft als solche. Gerade in der repräsentativen Demokratie, die dem Bürger während der Legislaturperioden keinerlei plebiszitäre Eingriffsmöglichkeiten durch Volksabstimmungen bietet, springt das Widerstandsrecht in diese Lücke demokratischer Repräsentation: Es garantiert dem Souverän (Volk) seine politische Partizipation, um elementare Grundsatzentscheidungen nicht gänzlich einer durch Wahlen turnusmäßig abwechselnden Regierungsdiktatur zu überlassen. Wie das Plebiszit dient das Widerstandsrecht der geschichtlichen Dynamik, die legale Rechtsordnung dem sich wandelnden Ethos der Gemeinschaft durch Reformen bildungsplastisch anzupassen; es dient also der Verhinderung von Revolutionen – dem gänzlichen Zerreißen von Staatsmacht und Gesellschaft, darin sich positives Recht und ethische Gemeinschaft, Legalität und Legitimität vollständig auseinander dividieren.

Die Praxis des Widerstandes ist deshalb auch eine selbst gewaltfreie: sie verweigert lediglich Anwendung und Vollzug von gesetzlichen Vorgaben, bleibt also im Kern passiv eine reine Verweigerungshaltung, die sich auch in Gebühren- und Steuerboykott, Generalstreik oder Befehlsverweigerung artikulieren kann. Sie zielt wesentlich darauf ab, durch eine breite Öffentlichkeitswirkung die Durchsetzung des Gesetzes und damit seine Geltung aufzuheben: Die Breitenwirkung legt durch Überforderung Exekutive und Judikative lahm und verdammt damit die gesetzgeberische Rechtsetzung zur Ineffiziens: Wo keiner der Rechtsetzung folgt, wird sie als nicht durchsetzungsfähig neutralisiert. Die im Widerstand anfänglich übernommene Bereitschaft, sich für das «illegale» Verhalten bestrafen zu lassen, löst sich von selbst auf: Die Straffälligkeit des Widerstandes entfällt. Die Durchsetzungskraft des Widerstandes hängt also immer davon ab, wieviele ihn praktizieren – seiner Breitenwirkung; erst dort, wo Exekutive und Judikative nicht mehr nachkommen, ist der kritische Punkt erreicht, an dem sich die Verhältnisse umkehren – das zuerst «Illegale» zum «Legalen» und die Legitimität der Rechtsordnung wieder hergestellt wird.

4. Fällt die Begründung des Widerstandes ins ethische Bewußtsein des Bürgers, dann ist sie «außerjuristisch», sofern eine rein «juristische» Opposition gegen eine Gesetzgebung den juristischen Institutionen selbst angehört, etwa um die Widerspruchsfreiheit des Rechtssystems gegen die Kollision von Rechten abzusichern und ihre Hierarchisierung in Vor- und Nachrangigkeit zu klären. Juristischen Beistand erhält das Widerstandsrecht lediglich durch das Verfassungsrecht, sofern die staatliche Verfassung einer Gemeinschaft ihre ethische Bildung widerspiegelt. Genau diese aber macht sich in der Selbstermächtigung des Bürgers zum Widerstand als konkrete Realität geltend. Aber Allgemeinheit und Auslegungsspielräume solcher verfassungsrechtlicher Bestimmungen, etwa auch der Menschenrechte, können den außerjuristischen Status des Widerstandsrechts nur sehr begrenzt kompensieren.

Denn schon im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren liegt das Ideal einer durch Kontroversen ausgetragenen, möglichst adaequaten Repräsentanz der Allgemeinheit, die durch ihre ethische Rationalität jedes Widerstandsrecht obsolet zu einer Sache partikulärer Interessen zu machen droht und damit delegitimieren würde. Die Begründung des Widerstandsrechtes ist deshalb gerade in Demokratien schwierig, zumal mediale Kontroversen, Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht der Eskalation zum praktizierten Widerstand vorbeugen und als Ventile des Widerwillens jede Breitenwirkung schon im Ansatz verpuffen lassen. Was zur Begründung von Widerstand bleibt, sind moralische und ideologische Besonderheiten, die dem irrationalen Subjektkern angehören, also nicht verallgemeinerungsfähig und damit politisch irrelevant sind.

5. Genau dies aber hat sich mit der Corona-Krise radikal verändert: Die parlamentarische Auseinandersetzung ist durch Ausrufung einer «Epidemie von nationaler Tragweite» und der Revision des Impfschutzgesetzes auf unbestimmte Zeit ausgeschaltet, das Gesundheitsministerium durch weitgehende Vollmachten ermächtigt, mit Verordnungen in die Grundrechte einzugreifen und das kollektive Leben lahmzulegen, die Öffentlichkeit durch mediale Gleichschaltung um das Rationalitätsprinzip betrogen, die auf den Grundlagen wissenschaftlicher Erkenntnisse die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu kontrollieren hätte.

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Besiegelt wird dieser Kollaps demokratischer Öffentlichkeit durch die diffamatorische Ausgrenzung jedweder Opposition, die auf der Grundlage der wissenschaftlichen Daten die Unverhältnismäßigkeit der Eingriffe in die Grundrechte anprangert. Die Begründung des Widerstandsrechts rekurriert damit also gerade nicht auf «moralische oder ideologische Besonderheiten», sondern auf das elementare ethische Rationalitätsgebot staatlicher Maßnahmen, das allein ihre Legitimität garantieren kann: Jedes Gesetz muss auf einer sachgemäßen Analyse der Probleme beruhen, die es zu lösen beabsichtigt; und muss in dieser Hinsicht auch nachweislich zielführend und durchsetzbar sein, ohne mit anderen Rechten zu kollidieren und der Gemeinschaft mehr Schaden zuzufügen, als es vom ursprünglichen Problembestand zu erwarten wäre:

Evidenzbasierte Sachanalyse, die soweit möglich von wissenschaftlichen Erkenntnissen geleistet wird, Verhältnismäßigkeit, Finalität und Effiziens (Durchsetzbarkeit), Abschätzung von Kosten und Nutzen in gesamtgesellschaftlicher und nachhaltiger Perspektive – all das gehört zum Rationalitätsprinzip rechtsstaatlicher Gesetzgebung, auf das der moderne Bürger einen unverzichtbaren legitimen Anspruch hat. In der Corona-Krise wurde und wird er gröblichst verletzt – darauf ist hier nicht mehr im einzelnen zurückzukommen. Damit aber begründet sich das Widerstandsrecht in der Corona-Krise rein rational – es fordert ein, was Politik offensichtlich nicht mehr zu leisten imstande ist: Ordnungspolitische Rationalität als Garant des Allgemeinwohls.

6. Wie das Widerstandsrecht in dieser Situation konkret umzusetzen ist, ergibt sich aus dessen eigener Finalität, eine möglichst breite Öffentlichkeit zum Boykott der irrational erfahrenen Maßnahmen zu gewinnen. Deshalb wird es zur vordringlichsten Aufgabe, die weitgehende Desinformation der Öffentlichkeit durch die Medien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzubrechen und durch den finanziellen Boykott einen entsprechenden Druck aufzubauen, sich auf der Grundlage des Rationalitätsprinzips wissenschaftlicher Sachlichkeit und intellektueller Redlichkeit zu reorganisieren. Wo immer dieses gröblichst verletzt wird, entfaltet sich der Widerstand durch Kündigung der Abonnements, dem Verzicht auf käuflichen Erwerb und Bedienen der Bezahlschranke, Werbung u.a.m. Ein namentlich geführter Gebührenboykott der GEZ durch ein Treuhandkonto vermag die eingereichte Petition gegenüber den ÖR tatkräftig unterstützen, sich auf das Rationalitätsprinzip neutraler Berichterstattung zu verpflichten und allen Seiten der wissenschaftlichen Fachwelt eine ausgewogene Repräsentation zu gewährleisten, um rein sachbezogene Lösungsansätze der Krise zu optimieren.

Erst aufgrund einer dadurch veränderten Situation des öffentlichen, allgemeinen Kenntnisstandes lässt sich auch ein analoger Druck in Bezug auf Geschäfte und Gaststätten aufbauen, die, solange sie die Befolgung der Corona-Maßregeln von ihren Kunden verlangen, nicht aufgesucht werden. Die Aufforderung, Corona-freie Tage (oder Stunden) einzuführen, könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Die Rationalität des Widerstandes muss auf Breitenwirkung berechnet weit über die private Verweigerungshaltung Einzelner hinausgehen, die angeordneten Corona-Maßnahmen zu vollziehen: Sie muß gerade auch auf Geschäfte und Gewerbe, Cafés, Gaststätten und Hotels, Künstler und Veranstalter, Unternehmen und Institutionen, öffentlichen Dienst und Exekutive (Remonstrationsrecht) übergreifen, um dem staatlichen Handeln kollektive Verweigerungsinstanzen entgegenzusetzen, die seine Anordnungen auf breiter Basis delegitimieren.

Was heute mehr denn je gefordert ist, ist eine redliche Presse und dieser Mut des Bürgers: seine so viel berufene «Zivilcourage», in den über-positiven Grund der Legalität zurückzukehren und sich selbst: seine ethische Rationalität – als Grund aller Legitimität gegen alle Verordnungswillkür und Unvernunft zu behaupten.


Rudolf Brandner

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