Tichys Einblick
Bahnt sich ein neuer Rüstungsflop an?

Problemfall „Tiger“: Bundeswehr will zivile Helikopter kaufen und bewaffnen

Am Beispiel „Kampfhubschrauber“ kann Minister Boris Pistorius beweisen, ob er der Macher ist, als der er sich gern gibt und als der er sich darstellen lässt. Es wird höchste Zeit, dass das seit sechs Jahren währende „Tiger“-Problem endlich gelöst wird. Einen weiteren Rüstungsflop darf sich das Verteidigungsministerium nicht leisten.

Kampfhubschrauber Tiger

IMAGO / Björn Trotzki

Das war schon damals, 2017, also vor sechs Jahren, nicht sonderlich lustig. Die Bundeswehr musste per Vertrag mit dem Automobilclub ADAC für 21 Millionen Euro 6.500 Flugstunden auf ADAC-EC-135-Hubschraubern einkaufen. Auf den ADAC-Hubschraubern sollte vor allem der Instrumentenflug geübt werde, nicht jedoch der Einsatz mit Waffen.

Grund für die Anleihe beim ADAC: Es waren zu wenige bundeswehreigene Hubschrauber einsatzklar, so dass viele Piloten Flugpraxis einbüßten, ja gar Fluglizenzen verloren. Vor allem aber war der relativ neue Kampfhubschrauber „Tiger“ anfällig. Es war die Rede von einem „Klarstand“ von nur 40 Prozent. Der „Tiger“ als deutsch-französisches Produkt war an die Bundeswehr
zwischen 2013 und 2018 (Stückpreis rund 35 bis 40 Millionen Euro) ausgeliefert worden.

Kampfhubschrauber „Tiger“: Problemfall und Auslaufmodell

Und nun das: Die 51 „Tiger“-Kampfhubschrauber sind jetzt schon ein Auslaufmodell. Ab 2025 habe der „Tiger“ nur noch „temporäre Fähigkeitseinschränkungen“, und die „Tiger“-Flotte solle ab 2027 reduziert werden, so heißt es. Ferner: Ab 2029 seien die Kampfhubschrauber der Bundeswehr nicht mehr für die Landes- und Bündnisverteidigung einsetzbar. Das heißt: Der „Tiger“ hat/hatte damit eine ziemlich kurze Halbwertszeit.

Als „Brückenlösung“ will die Bundeswehr nun 84 Stück vom Airbus-Hubschrauber H145M anschaffen. Das ist ein Hubschrauber, wie er etwa vom ADAC als Rettungshubschrauber genutzt wird. Kostenpunkt: rund 3,05 Milliarden Euro, also Stückpreis rund 36 Millionen. Zunächst soll lediglich ein Rahmenvertrag für 62 Hubschrauber aufgesetzt werden; 57 davon sollen an das Heer, fünf an die Luftwaffe gehen, heißt es in einem Papier, über das das Wirtschaftsmagazin „businessinsider“ berichtet. Der „Umfang orientiert sich am Sondervermögen“, und das gebe für den Rahmenvertrag eine Obergrenze von zwei Milliarden Euro vor. Die restlichen 22 Hubschrauber müssten dann aus dem herkömmlichen Verteidigungshaushalt bezahlt werden, heißt es weiter.

Nicht nur am Rande: Der Absturz eines „Tigers“ am 26. Juli 2017 in Mali hatte beide Piloten, Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller, das Leben gekostet. Der Hubschrauber war abrupt in einen unkontrollierten Flugzustand geraten, der von der Besatzung nicht abgefangen werden konnte.

Jetzt Hubschrauber für die Bundeswehr wie für den ADAC?

24 Stück H145M will man umbauen und unter anderem mit Stinger- und Panzerabwehr-Raketen bewaffnen. Diese Raketen könnten aber noch auf Jahre fehlen. Weiter: Für die angedachten 20-Millimeter- und 70-Millimeter-Geschütze könne zudem erst in circa fünf Jahren mit verwendbarer Munition gerechnet werden; bei der Eignung der 20-Millimeter-Kanone für Kampfhubschrauber bestehe ohnehin eine „hohe Störanfälligkeit/hoher Wartungsaufwand“. Auf Anfrage von „businessinsider“ wollte sich das Verteidigungsministerium nicht zu Details um die Beschaffung der H145M für die Bundeswehr äußern. Eine Sprecherin bestätigt jedoch, dass eine entsprechende Vorlage und ein sich anschließender Vertrag noch für dieses Jahr geplant seien. Alle Hubschrauber würden dann über die „erforderlichen Vorrüstungen zum Kampfeinsatz“ verfügen.

In der Abteilung „Strategische Fähigkeitsentwicklung“ des Verteidigungsministeriums gibt es laut vertraulicher Unterlagen überhaupt Zweifel an der „Gefechtstauglichkeit, Durchsetzungs- und Durchhaltefähigkeit sowie dem Schutz der Besatzung“. Noch grundsätzlicher heißt es: Die Beschaffung der Airbus-Modelle gehe am „operationellen Bedarf“ der Bundeswehr vorbei. Man zweifelt an Vorhaben wegen möglicher Lieferverzögerungen, einem Mangel an Infrastruktur, Problemen mit der Finanzierung und mit der Panzerung, das heißt, mit dem Schutz der Besatzung. Auf neue „Tiger“-Modelle, die Frankreich und Spanien aktuell entwickeln, will man nicht warten: Denn diese seien zu teuer und zu spät verfügbar. Auch der US-Boeing-Hubschrauber AH-64 („Apache“) sei zu spät verfügbar und zu teuer.

Zum Vergleich:

  • Ein Airbus-„Tiger“ wiegt leer 3,3 Tonnen, beladen bis 6 Tonnen. Er hat eine Reichweite ohne Zusatztanks von bis zu 800 Kilometern. Kostenpunkt: ca. 65 Millionen je Stück.
  • Ein Boeing-„Apache“ wiegt leer 5,2 Tonnen, beladen bis maximal 10 Tonnen. Seine Reichweite ist ohne Zusatztanks 450 Kilometer. Kostenpunkt je Stück: ca. 50 Millionen.
  • Ein ziviler Airbus-H145M wiegt leer 1,8 Tonnen, maximal kann er mit 3,5 Tonnen starten. Der Stückpreis liegt bei 36 Millionen. Reichweite hat er 650 Kilometer. Allerdings ist nicht bekannt, um wie viel schwerer dieser Hubschrauber mit Bewaffnung und mit Panzerung wird, welche Leistungen er dann ausweist und ob er bei gesteigertem Gewicht neue Triebwerke braucht. Nicht bekannt wurde bislang auch, ob im Stückpreis von 36 Millionen die militärische Ertüchtigung (Bewaffnung, Panzerung, stärkere Triebwerke) mit enthalten ist.

Jedenfalls sind jetzt politische Führung und baldige Entscheidung gefragt. Am Beispiel „Kampfhubschrauber“ kann Minister Boris Pistorius beweisen, ob er der Macher ist, als der er sich gern gibt und als der er sich darstellen lässt. Es wird höchste Zeit, dass das seit sechs Jahren währende „Tiger“-Problem endlich gelöst wird. Einen weiteren Rüstungsflop darf sich das Verteidigungsministerium nicht leisten.