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Brexit: Konsequenzen für Deutschland

Eine Studie zeigt klar: Während der französische Präsidenten Macron es auf einen harten Brexit ankommen lassen kann, stehen in Deutschland landesweit deutlich mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel.

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Der Brexit wirft seine Schatten voraus, doch Deutschland verweigert sich der Analyse. Falls in deutschen Medien der Brexit zur Sprache kommt, dann konzentriert  man sich auf eine Einschätzung der Situation für Großbritannien. Gerade im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wird dann gern darauf verwiesen, wie dumm dieser Brexit sei und wie viel Schaden die älteren Briten ihren jüngeren Mitbürgern antun würden.

Zum Teil dürfte das stimmen – zumindest kurzfristig wird der Brexit für Großbritannien sicherlich schmerzhaft werden. Wie aber sind eigentlich die Folgen für unser Land? Deutschland, und insbesondere Angela Merkel, trägt nach Angaben vieler Briten eine besondere Mitschuld am Ergebnis der Brexit-Abstimmung. Viele Bürger hätten sich Sorgen gemacht, daß die Politik der offenen Grenzen früher oder später dazu führen werde, daß viele der Migranten irgendwann deutsche Pässe bekommen und dann als EU-Bürgern nach Großbritannien umsiedeln könnten. Das Land ist aufgrund der Sprache und des kostenlosen Gesundheitssystems bei Migranten besonders beliebt. Bei vielen „Remainern“ gilt Merkel deshalb als die Schuldige, die die Waage zugunsten der „Brexiteers“ gekippt hat.

Die Folgen des Brexit für Deutschland sind schwer abzuschätzen:

  • Die regionale Bedeutung des Handels mit Großbritannien ist sehr unterschiedlich.
  • Die endgültige Einigung über die Trennungsmodalitäten steht noch aus.
  • Bisher ist der Brexit nur eingeleitet und nicht vollzogen.

Angesichts einer wachsenden Wirtschaft fallen negative Folgen zumindest bisher noch nicht auf. Trotzdem hat eine Gruppe von Forschern jetzt eine Studie vorgestellt, die die Risiken des Brexit für alle europäischen Regionen betrachtet. Die Studie untersucht, wie groß der Teil der Bruttoinlandsproduktes ist, der direkt vom Handel mit Großbritannien abhängt, und durch Handelsbeschränkungen gefährdet wäre. Die Zahlen stellen also keinen zu erwartenden Schaden da, sondern nur den gefährdeten Bereich der Wirtschaft.

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Am stärksten wird erwartungsgemäß Irland betroffen sein, das den Großteil seines Handels per Transit durch Großbritannien abwickelt. Die Belastung für Irland dürfte fast ebenso hoch ausfallen wie für Großbritannien selbst. Von allen Regionen auf dem Kontinent ist die Region Stuttgart am stärksten betroffen: 6,42% der Wirtschaftsleistung hängen vom Handel mit Großbritannien ab. Die Gefährdung deutscher Regionen insgesamt liegt zwischen 4,5% und 6,4% BIP, die niederländischer Regionen zwischen 3,5 und 5% BIP und die französischer Regionen zwischen 1,8% und 2,7% BIP.

An dieser Statistik zeigt sich, wie überproportional groß der Schaden für Deutschland sein dürfte: Kein anderes Land auf dem Kontinent hat einen so intensiven Handel mit Großbritannien. Sogar viele küstenferne Regionen im Osten Deutschlands werden stärker betroffen sein als etwa Küstenregionen in Frankreich. Dabei berücksichtigt diese Darstellung nicht die möglichen Verzerrungen, die der Brexit durch Verwerfungen im Finanzsystem anrichten kann.

Aus der wirtschaftlichen Gefährdung kann man auch das politische Risiko ableiten. Während der französische Präsidenten Macron es auf einen harten Brexit ankommen lassen kann, stehen in Deutschland landesweit deutlich mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel. Es ist umso unverständlicher, warum gerade die deutsche Regierung nicht mehr getan hat, um einen Brexit zu vermeiden. Sie hätte es mit ein bisschen Entgegenkommen können.

Die gesamte Studie finden sie hier.

Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete (Liberal-konservative Reformer).