Tichys Einblick
Dazugehören oder nicht

Berlin: Verhalten von Muslimen während der Corona-Krise

Vor einer Moschee in Berlin gelang es den Behörden nicht, die Kontaktsperre für 300 Personen durchzusetzen. Zeigt das Verhalten von Muslimen während der Corona-Krise Defizite bei der Integration auf? Von Alfred Schlicht

© Imago Images / Olaf Wagner

Es erklang der Ruf des Muezzins über Berlin-Neukölln, am 3. April von der Dar as-Salam-Moschee aus. Schnell bildete sich eine unerlaubte Versammlung von 300 Teilnehmern vor der Moschee. Den Behörden gelang es nicht völlig, die Kontaktsperre durchzusetzen. Vielleicht war es kein Zufall, dass dies gerade bei einer Moschee geschah, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Dass Beatrix von Storch (AfD) hier „Parallelgesellschaften“ sah, die „den Zusammenhalt der Gesellschaft schwächen“ , ist nicht weiter verwunderlich. Doch auch der Grüne Cem Özdemir, selbst türkischstämmig und gewiss kein Rechter, fand scharfe Worte und forderte „spürbare Strafen“. Die Stadt verbot darauf den öffentlichen Gebetsruf.

Werden Muslime die Vorschriften einhalten?

Jetzt will man in den Medien in mehreren Sprachen die Corona-Regeln verbreiten, denn der Beginn des Ramadan steht unmittelbar bevor und gibt Anlass zu Besorgnis. Werden Muslime soviel Solidarität mit der Gesellschaft, in – und in vielen Fällen von – der sie leben, zeigen, dass sie diszipiniert und verantwortungsvoll die Corona bedingten Vorschriften einhalten? Nach dem 3. April haben wir Grund zur Skepsis. Von „massiven Verstössen“ sprach Bezirks-Gesundheitsstadtrat Liebcke , es sei „der Öffentlichkeit nicht zumutbar, dies weiter hinzunehmen“. Der Journalist Ibrahim Naber sprach gar von „unbelehrbaren Provokateuren“. Gerade zu Beginn des Fastenmonats gehen die Emotionen hoch und den ganzen Ramadan hindurch könnten Muslime darauf pochen, ihre Religion in gewohnter Weise zu leben.

Von „Religionsfreiheit“ wird gesprochen werden, die in Gefahr sei. Schon im ZDF-Morgenmagazin vom 20. April strapazierte Heribert Prantl, Kolumnist der Süddeutschen die bedrohte Religionsfreiheit, wenn man Gottesdienste in Corona-Zeiten nicht mehr abhalten dürfe. Zwar bezog er sich nicht expressis verbis auf die Muslime und den Ramadan, aber der Bezug wird sich automatisch ergeben.

Beispiel deutet auf tiefere Probleme

Ist das Verhalten der Muslime, die sich in Neukölln versammelten, ein Zeichen mangelnder Integration? Ja – denn es war kein singuläres Ereignis. Integrationsdefizite beginnen nämlich nicht erst, wenn ein islamistischer Terroranschlag verübt wird oder wenn orientalische Clans schwerstkriminell werden. Sie zeigen sich bereits, wenn in Brennpunktschulen Lehrerinnen als „Schlampen“ bezeichnet werden, wenn es zu sexuellen Übergriffen in Schwimmbädern und bei Volksfesten kommt, wenn die Beamten bei polizeilichen Maßnahmen zu hören bekommen „das ist unsere Straße“ oder wenn es im öffentlichen Raum zu Ausschreitungen kommt. Mangelnde Integration manifestiert sich in vielen Formen. Sie ist auch ein ganz spezifisch islamisches Problem, wie der gebürtige Syrer Bassam Tibi, jahrzehntelang Professor in Deutschland, deutlich gemacht hat.

Wer aus einer Religion kommt, die ihre Anhänger lehrt, sie seien die beste Gemeinschaft (Koran Sure 3, Vers 110) und sie ausdrücklich vor Freundschaften mit Nichtmuslimen warnt (Koran Sure 5, Vers 51), wer aus Gesellschaften kommt, in denen die Diskriminierung von Nichtmuslimen, da im Koran als Gottes Wort niedergelegt (zum Beispiel Koran Sure 9, Vers 28), tägliche Praxis ist, wird sich nur schwer in unsere Welt der Religionsfreiheit und Toleranz einfügen können. Integrationsresistenz wird für Menschen, die in dieser Weise geprägt sind, fast schon zur Selbstverständlichkeit, wenn nicht gar zur religiösen Pflicht.

Der Staat muss sich durchsetzen können

Wir haben, da haben Jurist Prantl, Muslime und Katholiken übereinstimmend recht, Religionsfreiheit in unserem Rechtsstaat als hohes Gut. Wenn aber, wie in dieser speziellen Ausnahmesituation, Menschenleben durch mangelnde Disziplin oder fehlende Solidarität und nicht vorhandenes Verantwortungsgefühl in Gefahr geraten, kann man sich nicht mehr auf eine falsch verstandene Religionsfreiheit berufen. Menschenleben haben Vorrang. Das müssen Muslime und auch ihre nichtmuslimischen Fürsprecher akzeptieren, diese Einsicht ist Teil der Integration. Wenn sie es nicht verstehen (wollen), muss der Staat es notfalls mit Gewalt durchsetzen – allen rechtstheoretischen Erwägungen und Sonntagsreden zum Trotz.


Alfred Schlicht ist Islamwissenschaftler und hat als Diplomat u.a. im Nahen Ostern gearbeitet. 2017 erschein von ihm „Gehört der Islam zu Deutschland“ (Orell Füssli)


Dieser Beitrag erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.