Tichys Einblick
Die Kirche und Marx

Appell an Kardinal Marx: Fallen Sie nicht vor Karl Marx auf die Knie

Nach dem unendlichen Leid als Folge von Marxens Gesellschaftstheorie ist die Sympathie für Karl Marx und die Mitwirkung der Kirche an den Feierlichkeiten eine Verhöhnung der Opfer.

© Alexander Hassenstein/Getty Images

Die katholische Kirche gehört zu den Mitorganisatoren des Karl-Marx-Jubiläums 2018 in Trier, und ihr oberster Repräsentant in Deutschland, Kardinal Marx, gibt seinem Namensvetter in Teilen recht. Angesichts des fundamentalen Unterschieds beim Menschenbild zwischen Christentum und Marxismus und des unendlichen Leides als Folge der Marxens Gesellschaftstheorie erscheint diese Sympathie für Karl Marx und die Mitwirkung an den Feierlichkeiten als eine Verhöhnung der Opfer.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat einen weltweit bekannten Namensvetter: den Gesellschaftstheoretiker Karl Marx. Letzterer wurde vor 200 Jahren in Trier geboren. Am 04./05. Mai 2018 wird dieses Ereignis groß gefeiert mit einem offiziellen Festakt und der Einweihung einer von China (!) gestifteten, 5,50 m (!) hohen, diktatur-würdigen Marx-Kollossalstatue. Eigentlich ist es sogar ein ganzes Marx-Jahr, mit dem der wohl bekannteste Bürger der Stadt (wenn er dort auch nur die ersten 17 Jahre verbracht hat) geehrt wird.

Mit dabei natürlich (!?) auch die katholische Kirche. Das Bistum Trier gehört mit dem Land Rheinland-Pfalz, der Stadt Trier und der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) zu den Mitorganisatoren des Marx-Jubiläums. Insofern ist anzunehmen, dass auch ranghohe Kirchenvertreter dem früheren Bürger Triers die Ehre erweisen werden. Ob auch Kardinal Marx, der frühere Bischof von Trier, an den Feierlichkeiten teilnimmt, ist nicht bekannt. Verwunderlich wäre es jedenfalls nicht. Denn wie er kürzlich äußerte, fühle er sich „ein wenig marxistisch“.

Diese Äußerung des Kardinals ist keiner spontanen Laune entsprungen. Denn Kardinal Marx hat sich mit Karl Marx durchaus intensiv befasst und sogar ein Büchlein mit dem „originellen“ Titel „Das Kapital“ veröffentlicht. Eigentlich – so sollte man meinen – hätte ihn die Beschäftigung mit seinem Namensvetter davor bewahren müssen, Dummheiten wie diese von sich  zu geben: „Marx hatte in einigen Bereichen in seiner Analyse durchaus recht.“ Schließlich war und ist die von Karl Marx mitbegründete Gesellschaftslehre die Grundlage unterschiedlicher Systeme, die unsägliches Unheil über die Menschen brachten und für  Abermillionen Tote verantwortlich waren/sind.

Karl Marx: Wegbereiter des Totalitarismus

Und Kardinal Marx sollte und dürfte wohl wissen:

  • Karl Marx war nicht der Anwalt der Armen und Unterdrückten, sondern ein Wegbereiter des Totalitarismus, der den revolutionären Terrorismus „predigte“ (Marx-Engels-Werke (MEW) Band 5, Seite 457),
  • einer, den man durchaus als Antisemiten und Rassisten bezeichnen kann  [siehe zum Beispiel: „Judentum als allgemeines gegenwärtiges asoziales Element“ (MEW 1, 372), Slawen als „Völkerabfall“ (MEW 6, 172), Lasalle „ein jüdischer Nigger“ (MEW 30, 257)],
  • einer, der Arbeiter als „Esel“ bezeichnete,
  • einer, der vom Parlamentarismus als „demokratischer Pissjauche“ und von „Menschendreck“ und „Menschenkehricht“ sprach (siehe hier)
  • einer, der die Religion mitsamt der Pfaffen, wie er sie nannte, abschaffen wollte und den Menschen, nicht Gott, als das höchste Wesen betrachtete,
  • einer, der offen Hass anmahnte: „Bei uns ist eher Hass nötig als Liebe“ (MEW 34, 170).
Menschenbild von Christentum und Marxismus fundamental unterschiedlich

Auch dürfte Kardinal Marx darum wissen, dass sich Christentum und Marxismus von ihrem Menschenbild kategorisch ausschließen. Der Marxismus betrachtet Menschen nicht als Einzelwesen, sondern als soziale Klasse oder Kollektiv, das Christentum hingegen zielt auf jeden einzelnen Menschen in seiner eigenen persönlichen Beziehung zu Gott. Während das Christentum den Menschen als für das eigene Tun verantwortlich ansieht, ist bei Marx „das menschliche Wesen kein dem Individuum innewohnendes Abstraktum“, sondern “das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (MEW 3, 534). Und während Ehe, Familie und Privateigentum integrale Bestandteile des Christentums sind (siehe nur die 10 Gebote), lehnte Marx diese Institutionen ab.

Was treibt einen Kardinal dazu, Karl Marx zuzustimmen?

Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wenn Kardinal Marx – diese fundamentalen Unterschiede ausblendend – Karl Marx dennoch zumindest in Teilen zustimmt. Ja wenn er sogar in einem Zeitungsbeitrag Gemeinsamkeiten zwischen Marxismus und Christentum darin zu erkennen vermag, dass beide angeblich “den Armen und Ausgebeuteten eine Stimme geben und ihnen zu ihrem Recht verhelfen“ wollen. Abgesehen davon, dass es eine ziemliche Anmaßung ist, für andere sprechen zu wollen, ist bei Karl Marx das Mittel dazu die Diktatur des Proletariats. Selbst wenn man diese Diktatur nicht als totalitäre Herrschaft einer verbrecherischen Clique versteht (wie es später die Praxis war), sondern neutral als Herrschaft der Arbeiterklasse, ist es doch nur ein System der Machtausübung einer Klasse über andere. Und sowohl die Erreichung dieser Macht als auch deren Sicherung ist zwangsläufig mit Gewaltausübung verbunden, wie sie Karl Marx ja auch propagierte. Insofern mag man darüber philosophieren, ob Marx für die spätere verbrecherische Umsetzung in die Tat haftbar gemacht werden kann; nicht leugnen lässt sich jedenfalls, dass die realen Diktaturen etliche seiner Forderungen – wenn auch nicht 1:1 – verwirklicht haben. Für Marx war die Arbeiterklasse letztlich nur Mittel zum Zweck der Erreichung des Endzustands, der klassenlosen Gesellschaft. Eine Sichtweise, die mit dem Christentum und auch dem deutschen Grundgesetz ganz und gar nicht vereinbar ist. Denn die Menschenwürde verbietet es, den Menschen zum Objekt oder zum Mittel fremder Zwecke zu machen.

Was Kardinal Marx über seine Namensgleichheit hinaus dazu treibt, Karl Marx mit einem gewissen Wohlwollen zu betrachten, bleibt unklar. Er ist ganz sicher kein Marxist, sondern ein ausdrücklicher Befürworter der sozialen Marktwirtschaft. Möglicherweise will er mit seiner vermeintlich differenzierenden Betrachtung von Karl Marx nur dem medialen Mainstream gefallen. Angesichts des unendlichen Leides, das die Gesellschaftstheorie von Karl Marx über die Menschen gebracht hat, ist diese Relativierung nicht zu rechtfertigen und erscheint als Verhöhnung der Opfer, die die Umsetzung der Theorie in die Praxis erleiden mussten.

Den Mythos vom humanistischen Anspruch des Marxismus endlich ad acta legen

Karl Marx hat die Welt nicht besser und menschlicher gemacht, sondern Tod und Vernichtung den Weg bereitet. Der Mythos vom eigentlich humanistischen Anspruch des Marxismus, der in der Praxis lediglich pervertiert worden sei, ist zwar weit verbreitet, aber dennoch falsch und sollte endlich ad acta gelegt werden. Die Mitwirkung des Bistums an den Karl-Marx-Feierlichkeiten wirkt da wie eine Wiederbelebung dieses Mythos. Da hilft auch nicht die Ausflucht des Bistums, man wolle mit der Teilnahme am Marx-Jubiläum auch die Unterschiede zwischen Marxismus und Christentum thematisieren. Um (wissenschaftliche) Kritik an Marxens Theorien zu üben, muss man sich gewiss nicht zum Mitorganisator aufschwingen und an Feierlichkeiten teilnehmen, die nicht der Kritik dienen, sondern der Ehrung.

Appell an Kardinal Marx: keine Ehrung für Karl Marx

Deswegen abschließend ein Appell an Kardinal Marx und alle anderen Bischöfe und Kirchenvertreter, ja an alle Christen: Fallen Sie nicht (symbolisch gesprochen) vor Karl Marx auf die Knie, indem sie ihm mit Ihrer Teilnahme an Festakt und Denkmalsaufstellung die Ehre erweisen.

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