Tichys Einblick
Eine Außenministerin von gestern?

Wie Annalena Baerbock nun die Südafrikaner belehrt

Dass Baerbock in der südafrikanischen Sunday Times einen Namensartikel unter dem Titel „Ein Blick aus Deutschland auf Krieg und Klimakrise“ publizierte, dürfte in Südafrika als Belehrung verstanden worden sein, denn in der Frage des Krieges in der Ukraine liegen die Positionen Südafrikas und Deutschland weit auseinander. Wie so oft zeigte Baerbock auch hier, dass ihre diplomatische Kunst darin besteht, nicht diplomatisch zu sein. Nicht gelernt, ist eben nicht gelernt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock trifft die Außenministerin von Südafrika, Grace Naledi Pandor in Pretoria, Südafrika, 27.06.2023

IMAGO / photothek

Ursprünglich wollte die Außenministerin der Ampel, Annalena Baerbock, schon am Montag nach Südafrika reisen, doch die Ereignisse in Russland, Prigoschins Marsch auf Moskau, den er dann unvermittelt abbrach, schienen sie in Berlin und Luxemburg festzuhalten. Jedenfalls strich sie einen Besuchs-Tag und flog erst am Dienstag nach Pretoria. In Pretoria dürfte man verstanden haben, dass Südafrika für die deutsche Außenministerin nicht allzu wichtig ist und man alles in Afrikas Süden auch an einem Tag erledigen könne, Gespräch mit Präsident Südafrikas, Gespräch mit Außenministerin Südafrikas, shake hands, schöne Phrasen, schöne Bilder einer in der ganzen Welt geschätzten Außenministerin. Doch, wie jetzt bekannt wird, wollte wohl der Präsident nicht so recht kostbare Zeit opfern, zumal er sich von Annalena Baerbock keine neuen Aufschlüsse erwartete. Alles, was sie ihm mitzuteilen hatte, hatte sie ihm ja schon vor ab via südafrikanischer Zeitung mitgeteilt.

Baerbocks universellen Werten, die sie vertritt, fehlt die Einsicht, dass es nur ihre Werte sind, die nicht unbedingt auch die Werte anderer Politiker, anderer Staaten, anderer Völker sein müssen. Bildung könnte helfen, doch wie es um den Bildungsstand der deutschen Außenministerin bestellt ist, dürfte man leider inzwischen in der ganzen Welt wissen. In Brasilien wollte sie nicht einmal der Außenminister sehen, geschweige denn der Präsident.

Zunächst sollte Baerbock nicht nur wissen, sondern auch wirklich verstanden haben, dass Südafrika zur Staatengruppe der BRICS (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) gehört, die eigene wirtschaftliche Interessen verbindet und die eine immer enger werdende Kooperation auf den Gebieten der Wirtschaft, des Finanzwesens und der Politik verfolgen. Der französische Präsident, der schon länger seine Außenpolitik verändert hat, hat das begriffen, denn der schickte seine Außenministerin Catherine Colonna letzte Woche nach Pretoria mit der Bitte Macrons, am nächsten Gipfel der BRICS-Staaten teilzunehmen, „um den Dialog zu vertiefen“.

Macron weiß, dass man mit Eurozentrismus weltpolitisch nicht weiterkommt. Die BRICS lehnen es ab, sich länger vom Westen, vor allem von den USA dominieren zu lassen. Frankreich hat sich auf den Weg begeben, seine Rolle in der Welt neu zu definieren, Deutschland nicht.

Die BRICS arbeiten auch daran, die Dollar-Dominanz zu brechen. Noch ist der Dollar die wichtigste Reservewährung der Welt, die wichtigste Rechnungswährung im internationalen Handel und die führende Währung der globalen Finanzinstitute. Doch inzwischen bildet sich ein Anti-Dollar-Kartell heraus. Als Reaktion der durch die Obama-Regierung verhängten Sanktionen 2014 schufen die Russen als Alternative zu Visa, Mastercard, American Express etc. ein eigenes nationales Zahlungssystem und, was noch wichtiger ist, ein Gegenstück zum Finanznachrichtensystem SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) nämlich das russische SPFS (System for Transfer of Financial Messages). Es existiert also ein alternatives und schließlich konkurrierendes Finanznachrichtensystem, das im Aufwind ist.

Derzeit verhandeln die Russen mit dem Chinesen über Chinas Beitritt zum SPFS, womit das russische System in die Lage versetzt wird, eine echte Alternative und eine wirkliche Konkurrenz zum SWIFT zu werden. Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, dass die Chinesen eines Tages auch westliche Handelspartner dazu nötigen könnten, ihre Geschäfte über SPFS, statt über SWIFT abzuwickeln.

Südafrika hat weder Putin, noch Russland für den Überfall auf die Ukraine verurteilt und sich stattdessen für neutral erklärt, sehr zum Ärger der Ampel-Regierung. Es kam sogar zu einem rhetorischen Schlagabtausch während des Südafrika-Besuchs des Bundeskanzlers im Mai 2022 zwischen Olaf Scholz und dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa.

Südafrika wird sich nicht gegen Russland, aber auch nicht gegen Deutschland stellen, sondern eine Schaukelpolitik betreiben, denn das Land im Süden Afrikas hat u.a. ein veritables Stromproblem. Hinzu kommt, dass in Südafrika Strom zu 80 % aus Kohlekraftwerken gewonnen wird. Häufige Stromausfälle behindern die Wirtschaft und erhöhen auch nicht die innere Sicherheit.

Warum soll man die EU vor den Kopf stoßen, wenn sie 8,5 Milliarden Euro in Südafrika für die Energiewende investieren will. Gern empfing Präsident Ramaphosa den niederländischen und den dänischen Ministerpräsidenten, die gemeinsam vorschlugen, einen Investmentfonds von einer Milliarde Euro zu gründen. Deutschland hat sich verpflichtet 1,1 Milliarden Euro deutscher Steuergelder außer Landes, und zwar nach Südafrika zu bringen. Und dabei bleibt es nicht, denn der Ampel-Minister Habeck hat versprochen 11 Milliarden Euro in Namibia zu investieren, um dort mithilfe sogenannter Erneuerbarer Energien Wasserstoff zu produzieren, der dann mit Tankern als Ammoniak nach Deutschland verschifft wird. Es dürfte klar sein, dass Südafrika beim Geldsegen für Namibia nicht leer ausgeht. Der in Namibias Nationalpark produzierte Strom wird wohl nicht nur zur Wasserstoffproduktion genutzt, sondern wird auch Namibias und Südafrikas Stromknappheit mindern. Wie viel Strom für die Wasserstoffproduktion übrig bleibt, kann zur Stunde wohl noch niemand belastbar benennen. Sicher ist jedenfalls nur, dass Deutschland, dass der deutsche Steuerzahler zahlt. Was die Niederlande und die Dänen von ihrem Investmentfonds haben, kann man sich leicht ausrechnen, welchen Vorteil die Deutschen aus den 12 Milliarden Euro ziehen, ist höchst fraglich.

Gründe genug für die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor und dem Präsidenten Südafrikas Cyril Ramaphosa sich ausgiebig mit Annalena Baerbock zu unterhalten. Dennoch wollte, wie jetzt bekannt wird, Cyril Ramaphosa Annalena Baerbock ursprünglich nicht empfangen, nicht aus Gründen der Etikette, weil er nun einmal nicht der Außenminister, sondern der Präsident ist, sondern weil Annalena Baerbocks Kompetenz international nicht überzeugt. Andere Außenminister wie den Russen Lawrow, die Französin Catherine Colonna, den Inder Jaishankar u.a. hatte er schließlich auch empfangen.

Dass Baerbock am Sonntag in der südafrikanischen Sunday Times einen Namensartikel unter dem Titel „Ein Blick aus Deutschland auf Krieg und Klimakrise“ publizierte, dürfte in Südafrika als Belehrung verstanden worden sein, denn in der Frage des Krieges in der Ukraine liegen die Positionen Südafrikas und Deutschland weit auseinander. Wie so oft zeigte Baerbock auch hier, dass ihre diplomatische Kunst, dass ihre feministische Außenpolitik nur darin besteht, nicht diplomatisch zu sein. Nicht gelernt, ist eben nicht gelernt.

Baerbock schreibt mit Blick auf die UN-Charta: „Russland hat diese Regeln gebrochen.“ Doch in Südafrika versteht man nicht, wie sich Baerbock auf die UN beruft und dabei ignoriert, dass die Sanktionen eine Angelegenheit des Westens, nicht aber der UN sind, die keine Sanktionen beschlossen haben. Geradezu herablassend formuliert Baerbock weiter: „Ich verstehe, dass in einem Land, dass etwa 9000 km entfernt ist, einige Fragen könnten: Warum erwarten Sie, dass wir uns engagieren?“ Meint Baerbock, dass man dort zu dumm ist, zu verstehen, was in Europa vor sich geht? Warum soll sich ein Land, das 9000 km entfernt ist, sich nicht engagieren, sofern es die Notwendigkeit einsieht. Doch die sieht man in Südafrika nicht. Ansonsten klimpert Baerbock auf den Themen Klimakrise, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus herum.

Nach Lektüre des Artikels dürfte man sich in Pretoria die Augen gerieben und erkannt haben, dass Baerbock in einer vollkommen ideologischen Welt, in der Welt von gestern lebt, unfähig die Veränderungen in der Welt zu begreifen. Natürlich ist Rechtsextremismus ein Thema, wie Linksextremismus und islamischer Extremismus auch, doch, was hat das mit der Klimakrise und dem Krieg zu tun?

Baerbocks Welt ist wirklich die Welt von gestern, eine Welt, in der höchste Staatsämter an abgebrochene Studenten gehen, wenn sie nur fest genug von den Veränderungen in der Welt die Augen verschließen und häufig genug mit Phrasen um sich werfen, die sie in Politikwissenschaftsseminaren aufgeschnappt haben, von Leuten, deren Lebenserfahrung am Katheder endet.

Schließlich gelang es wohl, wie man so hört und liest, dem Auswärtigen Amt, um die Peinlichkeit kleinzuhalten, doch noch einen Termin zwischen Ramaphosa und Baerbock zu arrangieren, der nun sehr laut, über laut geradezu als großer Erfolg Baerbocks vom Auswärtigen Amt kommuniziert wird. Ach Gott.

In der Russland-Frage kam Baerbock allerdings nicht voran, selbst ihr peinlicher Versuch, die Südafrikaner zu belehren, indem sie fix als Negativbeispiel eine deutsche Schuld aus dem Ärmel zog, half nicht weiter. Baerbock sagte nämlich zum Erstaunen aller: „Ich möchte sehr ehrlich sein: Westdeutsche Regierungen haben viel zu lange darin versagt, den Kampf gegen die Apartheid zu unterstützen.“ Als wolle sie sagen, dass Deutschland auf der falschen Seite gestanden und daraus gelernt habe, so wie jetzt Südafrika, das heute auf der falschen Seite steht, durchaus aus den deutschen Fehlern lernen könnte. Besser wäre es allerdings, wenn Baerbock nicht „ehrlich“, sondern sachkundig wäre und von schiefen Vergleichen und von ahistorischen Postkolonialismus-Attitüden die Sprache ließe. Die DDR übrigens stand auf Seiten des ANC, mithin kann Baerbock in ihrem schiefen Gleichnis auch nicht von Deutschland reden.

Indes wurden Baerbocks pädagogische Versuche nur mit mildem Lächeln quittiert.

Übrigens heißt es in Baerbocks verspätet vorgelegter Nationaler Sicherheitsstrategie: „Die Bundesregierung erarbeitet eine Wasserstoffimportstrategie, auch mit Blick auf das Ziel, kritische Abhängigkeiten zu vermeiden und bestehende abzubauen. Sie wird diese mit der bestehenden Nationalen Wasserstoffstrategie verzahnen.“
Zum Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine fand vor den Küsten Südafrikas, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem der neue schöne, deutsche Wasserstoff-Hafen entstehen soll, ein gemeinsames Marinemanöver Russlands, Chinas und Südafrikas unter dem Namen „Operation Mosi II“, was in der Tswana-Sprache „Operation Rauch II“ bedeutet, statt. Das Manöver werde, hieß es von der südafrikanische Armeeführung, die „bereits blühende Beziehung zwischen Südafrika, Russland und China stärken“.

Deutschland wird Baerbocks und Habecks Engagement im Süden Afrikas 12 Milliarden Euro Minimum kosten, denn die Staatsgarantien sind noch nicht eingerechnet, 12 Milliarden Euro also für eine neue, teils alte Abhängigkeit? So geht eine wertegeleitete Außenpolitik, die von Interessen nichts weiß, die sich von Abhängigkeiten lösen will, indem sich nur tiefer in Abhängigkeiten verstrickt.

Warum kann Annalena Baerbock nicht Landrat im kleinsten Landkreis Deutschlands werden, wenn sie denn unbedingt ein Amt haben muss, warum schickt Olaf Scholz sie in die Welt hinaus?

Ansonsten verlief der Südafrika-Besuch Annalena Baerbocks wohl ohne weitere und größere Peinlichkeiten, was inzwischen immerhin auch schon eine Meldung wert ist.

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