Tichys Einblick
Die Kirche im Dorf lassen

„Ali Baba“ und die neue Sensibilität

Spielplätze sind ein Refugium für aktive Kinder, wichtig für ihre körperlich-motorische und soziale Entwicklung. Ihr Lärm gilt nicht als störend und ein Spielplatz sollte kein Schauplatz politischer und religiöser Auseinandersetzung sein. Die Realität ist eine andere.

Symbolbild

© Getty Images

Ein neuer Spielplatz in Berlin schafft es, Schlagzeilen in den Medien und wilde Diskussionen in sozialen Netzwerken zu verursachen. Der Berliner Bezirk Neukölln vergab einen Auftrag für einen Themenspielplatz an eine Thüringer Firma. Vorherige Abstimmungen gab es mit zwei Kitas in der Gegend und auch einem Kinderladen in der Nähe. Dessen Leiterin Güldane Yilmaz und viele andere verstehen die Aufregung nicht, wenn auf dem zum Thema Ali Baba und seine Räuber gestalteten Spielplatz auch eine kleine orientalische Festung mit einem Halbmond auf der Kuppel gebaut wird.

Die öffentliche Diskussion, befeuert von Äußerungen aus CDU und AfD, wird sehr emotional geführt und zeigt bekannte Standpunkte von islamängstlich bis tolerant. Erstaunlich ist, wie sensibel nicht nur Anwohner aus dem Stadtgebiet auf den hölzernen Halbmond reagieren. „Absurd und an den Haaren herbeigezogen“ findet Bezirksbürgermeisterin Giffey die Diskussion, viele teilen diese Ansicht und formulieren drastischer. Andere sehen durchaus ein islamisches Symbol, manche das Ende des Abendlandes heraufziehen.

Viel bedeutendere und größere Bauwerke mit deutlicherem Bezug zum Islam stehen außerhalb jeder Diskussion. Seit 1843 schmückt an einer Havelbucht in der preussischsten aller Städte, in Potsdam, ein in Form einer Moschee gebautes Dampfmaschinenhaus das Stadtbild. Friedrich der Große ließ es bauen, um seine Fontänen im Schlosspark Sanssouci zu betreiben. Zunächst war die Anlage technisch ein Flop, aber als Denkmal der Architektur- und Technikgeschichte ist sie heute ein bedeutendes Wahrzeichen der Stadt.

In Dresden steht seit 1909 ein Bürohaus im Stil einer Moschee, das einst als „Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze“ gebaut wurde. Die Kuppel ist immerhin 62 Meter hoch, der Schornstein hat die Form eines Minaretts. Auch dieser Bau ist ein absoluter Hingucker und verursacht keine Diskussionen.

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Inzwischen befindet sich das Berliner Stadtschloss im Wiederaufbau, initiiert von der Stiftung Humboldt Forum. Worauf in diesem Fall besonders hingewiesen werden sollte: Das Projekt liegt im Zeit- und Finanzplan. Weil seine ehemalige Funktion mangels eines Monarchen nicht wieder hergestellt werden kann, wird das Ergebnis das „Humboldt-Forum“ sein, eine Heimstatt für mehrere Museen, mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen und als Begegnungsstätte. Natürlich ist es eine Kopie und man kann trefflich streiten, ob dieser Wiederaufbau kulturell und historisch sinnvoll ist und ob das Geld nicht an anderer Stelle besser verwendet worden wäre. Aber so ist es entschieden und entsprechend dem Baufortschritt soll denkmalgerecht und geschichtsbewusst die Kuppel wieder mit einem Kreuz gekrönt werden. Seit 1854 trug die Schlosskuppel ein Kreuz, weil darunter die Schlosskapelle eingerichtet war.

Ohne Diskussion geht das heute nicht ab. Linke und Grüne beklagen eine „Hierarchisierung der Religionen“, angeblich aus Respekt vor den Religionen sollte auf das Kreuz verzichtet werden. Kultursenator Lederer (Linke) versteigt sich sogar zu der Behauptung, dieses Bekenntnis zum Christentum gefährde das Zusammenleben und die Toleranz in der Stadt. Der katholische Erzbischof Koch hingegen beklagt: „Es hat mich erschreckt, dass im Laufe der Debatte Aussagen aus einer nicht-christlichen Haltung heraus immer mehr zu anti-christlichen Stellungnahmen wurden.“

Linke und Grüne in Berlin knien nieder vor der sie beseelenden falschen politischen Correctness. Ihr Verhalten zeigt ein plakatives Heidentum, in dem sie sich mit den ganz Rechten treffen.

Der Zentralverband der Muslime in Deutschland hat sich deutlich für das Kreuz auf dem Schloss ausgesprochen. Es wird weder Juden, Buddhisten oder andere daran hindern, das Humboldt-Forum ab 2019 zu betreten. Und der nichttolerante Teil der Leute, der sich davon abhalten lässt, ist ohnehin falsch in unserem Land. Die Entscheidung pro Kreuz ist gefallen – und der Senat will weiter darüber reden. Warum eigentlich?

Der Vorgang um das Stadtschloss lässt ahnen, welche Diskussion losbrechen würde, käme der Thüringer Spielplatzbauer auf die Idee, einen Themenspielplatz unter dem Motto „Nussknackerdorf im Erzgebirge“ zu konzipieren, mit lustigen kleinen Holzhäuschen, Scheunen, einer Dorfschmiede – und einer kleinen Kirche mit Türmchen und Kreuz in der Mitte. Aber selbst wenn der Spielplatzdesigner auf die Idee käme, ein Auftrag aus Berlin wäre nicht zu erwarten.

Die Berliner Kinder werden auf allen Themenspielplätzen toben ohne Hintergedanken. Die Plätze sind durch andere Gefahren in Verruf geraten. Vandalismus, Graffiti, Scherben, gebrauchte Drogenspritzen und Hundekacke sind typische Beigaben und eine größere Gefahr für die Kinder als ein hölzerner Halbmond. Die Kinder halten es unbewusst mit dem Großen Kurfürsten und dem Edikt von Potsdam, das auch den Minderheiten zusicherte, nach ihrer Art und Religion ungestört leben zu können. Einhaltung der Spielregeln vorausgesetzt.

Dies funktioniert allerdings nicht mehr in einer Gesellschaft der Intoleranten, zu der Deutschland politisch, kulturell und medial tendiert. Beachtlich an dem neuen Spielplatz ist schon wieder, worüber sich niemand mehr wundert: Dass dieses Designerstück stolze 220.000 Euro Steuergeld kostet und drei Monate Bauverzug zu Buche schlagen. Da lehnen sich alle zurück und sagen einfach: „Dit is halt Berlin!“