Tichys Einblick
Klöckners Gassi-Pflicht

Ach du dicker Hund: Bunte Gedanken im Ernährungsministerium

Künftig sollen Struppi und Kollegen zweimal täglich für mindestens eine Stunde Auslauf haben, um das Grundbedürfnis nach Bewegung zu erfüllen und einen ausbalancierten Lebensstil zwischen der Aufnahme und dem Verbrauch von Kalorien herzustellen. Und der Mensch?

Faule Hunde, die auf dem Sofa abhängen und zusätzlich zu den Mahlzeiten auch noch mit Leckereien verwöhnt werden, bringen mehr als die jeweils arttypischen Kilos auf die Waage. Sie werden zu dicken Hunden. Gemächlichen Schrittes trotten sie lustlos über das Trottoir, verursachen Stau und erwecken Mitleid. Frauchen oder Herrchen stehen ihren Vierbeinern beim Übergewicht oft nicht nach, weil ihr Lebensstil zumeist dem des Hundes entspricht. Sie bekommen dafür kein Mitleid. Eigene Schuld.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, naturverbunden, vital, intelligent und mit guter Figur ausgestattet, hat das Problem erkannt. Die Bedürfnisse der Haustiere müssen stärker berücksichtigt werden. Bislang war für den Tierschutz in der Hundeverordnung lapidar nur ausreichend Auslauf im Freien vorgeschrieben. Im Interesse des gesunden Hundes soll das jetzt konkreter und verbindlicher werden. Die Gassi-Pflicht kommt. Künftig sollen Struppi und seine Kollegen zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf haben, um das Grundbedürfnis nach Bewegung zu erfüllen und einen ausbalancierten Lebensstil zwischen der Aufnahme und dem Verbrauch von Kalorien herzustellen.

Nachdenklichkeit drängt sich auf. Warum wird des Menschen bester Freund mit mehr Sachverstand und Fürsorge behandelt als der Mensch selbst? Warum spricht die einsichtige Abteilung Tierwohl nicht einmal mit der orientierungslosen Abteilung Menschenwohl im Ministerium? Julia Klöckner sollte zwischen den Experten vermitteln.

Die für den Menschen zuständigen Strategen setzen auf Essen nach Farben, um den lautstarken Forderungen von Foodwatch und anderen populistischen Unternehmen nachzukommen. Wenige Tage vor der Präsentation einer artgerechten Gassi-Pflicht ist vom identischen Ministerium eine Verordnung auf den Weg gebracht worden, die die Verbreitung der Nährwertampel Nutri-Score fördern soll. Eine fünfstufige Ampel vom grünen A bis zum roten E auf Nahrungsmitteln soll Übergewicht und Krankheiten verhindern und Gesundheit bringen. Sie wird es nicht tun. Im Gegenteil.

Der Nutri-Score, der Fertigpommes und Design-Pizza mit grünem A auszeichnet, ist sogar ein Risiko, weil er zusätzlich die Ursachen, die für Gesundheit oder Krankheit wesentlich sind, kaschiert. Nicht die individuelle Entscheidung für oder gegen ein Lebensmittel im Supermarkt bestimmt die Gesundheit, sondern der Lebensstil des Menschen. Wir sitzen im Auto, im Büro vor dem Computer und die zur Schule gebrachten und dort wieder abgeholten Kinder sind in der Freizeit vor der Spielkonsole oder im sozialen Netzwerk sehr aktiv, aber bewegungslos. Viele Menschen kommen heute nach alarmierenden Studien nicht einmal mehr auf 500 Meter Gehstrecke täglich.

Das Ministerium von Frau Klöckner hat sich um die Gesundheit verdient gemacht. Zumindest um die der Hundehalter, die künftig der Gassi-Pflicht unterworfen werden sollen. Da der Hund am anderen Ende der Leine Frauchen oder Herrchen mitführt, werden diese zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf haben. Dann müssen sie nicht Design-Food nach Farben essen, sondern können das genießen, worauf sie Appetit haben.


Detlef Brendel, Wirtschaftspublizist

Anzeige