Tichys Einblick
Politikinstrument Deutscher Ethikrat

11 Gründe warum der Ethikrat abgeschafft gehört

Eine erste wichtige Aufgabe unabhängiger Ethik ist es, Machtinteressen aufzudecken, die sich hinter ethischen Begriffen verstecken. Eine zweite, Politik aus der Moralismusfalle zu befreien. Warum der deutsche Ethikrat überflüssig ist.

IMAGO / Christian Ditsch

1) Bei staatlichen Ethikräten geht es um die Frage, wer die politische Macht hat, die entscheidenden Posten und Pöstchen mit seinen eigenen Leuten besetzen zu können. Bei Ethikräten geht es also mehr um Macht als um Ethik.
Provozierend zugespitzt: Staatliche Ethikräte haben genausoviel mit Ethik zu tun wie Pferdeäpfel mit Obst.

2) In den Deutschen Ethikrat werden 26 Geistesgrößen je hälftig vom Bundestag und von der Bundesregierung (!) vorgeschlagen und dann vom Bundestagspräsidenten berufen. Bei dieser Besetzungsweise ist klar, dass der Deutschen Ethikrat regierungsnah ausgerichtet ist. Damit legt sich der Verdacht nahe, dass der Bevölkerung unter dem Etikett vermeintlich objektiver Ethik „Regierungsethik“ untergejubelt werden soll. Ist der Deutsche Ethikrat im Kern ein unethisches Täuschungsmanöver der Politik?

3) Selbstverständlich musste die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. Alena Buyx, einen regierungsnahen Kommentar zum Impfstatus des Fußballers Joshua Kimmich abgeben: „Kimmich ist einer Falschinformation aufgesessen und schlecht beraten worden … Es wäre natürlich schön, wenn Joshua Kimmich sich noch einmal gut beraten lässt und sich dann auch zur Impfung entscheidet.“
So simpel geht deutsche Ethikrats-Ethik: Die Regierung und ihre staatsethische Echokammer sind gut informiert und gut beraten. Andersdenkende und Oppositionelle sind falsch informiert und schlecht beraten.
Für diese simple Spaltung der Gesellschaft in Schwarz und Weiß hat Frau Buyx 2021 den mit 25.000 Euro dotierten Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung erhalten. Frau Buyx habe in der Coronakrise eine emotional geführte Debatte durch Expertise versachlicht und damit zum Zusammenhalt der Gesellschaft beigetragen, so hieß es bei der Preisverleihung; und das war wohl nicht kabarettistisch gemeint.

4) Brave Staatsethiker bekommen gerne Preise von braven Preisverleihungsorganisationen. Wer die Macht hat, Ethikräte mit eigenen Leut*Innen zu bestücken, der hat auch die Macht, die Organisationen mit seinen Leut*Innen zu bestücken, die Preise an wohlgesonnene Ethiker verleihen.
Das Problem ist nur: Irgendwann fangen Echokammern entsetzlich an zu stinken, wenn sie sich der Frischluft von außen verweigern.

5) Bei Fakten gibt es die sogenannten „Fakten-Checker“.
Im Vatikan residieren die unfehlbaren „Christentums-Checker“.
Im Deutschen Ethikrat sitzen die regierungszertifizierten „Moral-Checker“.
Bei allen dreien geht es um die Macht, gegen die Vieldeutigkeit der Lagebeurteilungen und Weltanschauungen die eigenen Interessen durchzudrücken.
Je mehr Macht, desto mehr Eindeutigkeit, aber desto stärker auch die Abwertung und Ausgrenzung Andersdenkender.

6) Wofür braucht eine Politik, die sich selber für „alternativlos“ hält, eigentlich einen Ethikrat?

7) Wenn der Staat sich der Ethik bemächtigt, dann wird es im besten Fall teuer und lächerlich; im schlechtesten Fall teuer, lächerlich, trügerisch und gefährlich.

8) Der Deutsche Ethikrat liegt voll und ganz im fatalen Trend des Zeitgeistes: Die freie Bürgergesellschaft wird geschwächt und die parteipolitische Staatsgesellschaft wird gestärkt. „Die Parteien machen sich den Staat (inklusive Ethik) zur Beute“ (Richard von Weizsäcker).

9) Wie ethisch verlottert musste die Bundesrepublik Deutschland von 1949-2001 gewesen sein, so dass 2001 die Etablierung des Nationalen Ethikrats nötig wurde?

10) Politiker, die sich mit einem Ethikrat, mit „europäischen Werten“ oder sonstigem moralischen Brimborium schmücken, verklären damit geschickt ihr eigenes Machtgebaren.
Eine erste wichtige Aufgabe unabhängiger Ethik ist es darum, die Machtinteressen aufzudecken, die sich hinter ethischen Begriffen verstecken.
Eine zweite wichtige Aufgabe unabhängiger Ethik ist es, die Politik aus der Moralismusfalle zu befreien, damit sie wieder zu mehr Sachlichkeit zurückfinden kann. Die sofortige Auflösung des Deutschen Ethikrats wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

11) ETHIKEN in einer offenen demokratischen Gesellschaft werden von den unterschiedlichsten bürgergesellschaftlichen Gruppen und Akteuren getragen und debattiert.
Die RECHTSWISSENSCHAFT hat die Aufgabe, ein Rechtssystem zu entwickeln, in dem möglichst viele Gruppenethiken friedlich miteinander leben und wirken können.
Die demokratisch gewählte POLITIK hat das Recht und die Macht, bestimmte Gruppenethiken begrenzt zu bevorzugen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
In diesem fragilen System von Ethiken, Recht und Macht stört jedoch ein Deutscher Ethikrat, der für eine unheilige Allianz von Macht und Ethik steht.
Es wäre fatal für unseren demokratischen Rechtsstaat, wenn sich das Recht auch noch in diese unheilige Allianz einreihen und beim Arbeitsessen im Bundeskanzleramt mit der Macht und mit der Staatsethik fusionieren würde.

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