Tichys Einblick
Nicht in diesen Zeiten

Der Rückzug ins Private als Lösung?

Ein Freund riet Achijah Zorn: „Mach es dir doch einfacher! Hör auf mit deinen Artikeln! Freue dich des Lebens! Genieße Wohlstand und Freunde! In diesen Zeiten kriegst du als offensiv Liberal-Konservativer nur Ärger.“

„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie. Denn wenn es ihr wohl geht, dann geht es auch euch wohl.“ (Jeremia 29,7)

Vor drei Wochen stand Tichys Einblick mal wieder in einem Shitstorm. Wer sich nicht an die politisch-korrekten roten Linien hält, der wird persönlich geschmäht und abgestraft. Selbst wenn er den Artikel nicht geschrieben, sondern nur herausgegeben hat. Es wird ungemütlich. Das haben wohl manche Autoren und wohl auch schon viele Leser von Tichys Einblick persönlich erfahren müssen. Zumal ich als ev. Pfarrer in einem Berufszweig arbeite, wo Liberal-Konservativ gefühlt noch nicht einmal die 5%-Hürde schafft.

Ein Freund riet mir deshalb: „Mach es dir doch einfacher! Hör auf mit deinen Artikeln! Freue dich des Lebens! Genieße Wohlstand und Freunde! In diesen Zeiten kriegst du als offensiv Liberal-Konservativer nur Ärger.“

Der Rückzug ins Private als Lösung?

Allerdings ist solch ein Rückzug in diesen Zeiten kaum möglich. Wo die Sprache politisiert wird („gendergerecht“), wo das Essen politisiert wird („vegan“), wo Freundschaften politisiert werden („Kontaktschuld“), wo Gesundheit politisiert wird („Impfzwang“), wo sogar das Atmen politisieriert wird („CO2“) – wo ist da noch das Private, in das man sich zurückziehen könnte?!

Selbst das eigene Bett ist hochpolitisch, weil dieses nur gut und richtig ist, wenn es „nachhaltig“ und „klimaneutral“ und „fair“ und nicht von „Rechten“ produziert wurde.
Provokant ausgedrückt: In Zeiten eines neuen politischen Absolutismus‘ brauchen wir unbedingt liberal-politisches Engagement, um freien Bürgern überhaupt erst wieder die Möglichkeit eines piviaten Raumes zurückzuerobern, in den er sich zurückziehen kann.

Außerdem zeigt der Jahrtausende alte Bibelvers: Wenn ich mich ins Private zurückziehe, aber der Staat vor die Hunde geht, dann ist davon auch mein Privatleben direkt betroffen. „Denn nur wenn es eurer Stadt wohl geht, dann geht es auch euch wohl.“ Die Politik ist selbst für mein Privatleben zu wichtig, um sie alleine den Politikern in ihrer Filterblase zu überlassen.

Darum will ich mich aktiv mitbeteiligen und für meine Stadt nach Antworten suchen:

  • Wie können wir eine wirtschaftliche Stärke erhalten, die fähig ist, einen Sozialstaat zu finanzieren?
  • Wie können wir gegen alle vermeintlichen Alternativlosigkeiten das Meinungsspektrum erweitern?
  • Wie können wir geschlechterfreundlich miteinander leben, ohne die deutsche Sprache zu verhunzen?
  • Wie können wir die Umwelt schützen, ohne dabei in apokalyptischer Panik die Grundlagen unserer Gesellschaft zu zerstören?

„Suchet der Stadt Bestes“ – das ist ein wunderbarer Slogan. Der geht nicht davon aus, dass eine wie auch immer geartete „political correctnes“ schon immer alles gefunden hat. Nein, bei links-grüner Dominanz brauchen wir unbedingt liberal-konservative Dialoganregungen, die weltweit bewiesen haben, dass sie erfolgreich sind.

Wenn aber heutzutage Liberal-Konservativ nur mit Tendenz zum Shitstorm geht, dann hilft mir mein Glaube und das Gebet. Immerhin glaube ich an DEN Gott, der sich mit dem einen Menschen identifiziert hat, der ständig im Shitstorm stand – der auf Golgatha sogar mit brutalster Gewalt einherging. Das christliche Kreuz als Symbol, dass Wege gut und richtig sein können, selbst wenn sie von der Mehrheit nicht toleriert werden.

Weil für mich Politik eine Sache der Vernunft ist, bin ich strikt dagegen, mir in meiner politischen Meinung göttliche Unfehlbarkeit anzumaßen. „Irren ist menschlich“ – das gilt gerade auch für unsere politischen Ansichten.

Aber in dem Anliegen, offen und ehrlich für meine Meinung einzutreten, mich jeder Diskussion und zur Not auch einem Shitstorm zu stellen – da weiß ich sehr wohl Gott auf meiner Seite. So wie auch Jesus keiner offenen und ehrlichen und gewaltfreien Debatte ausgewichen ist. Und gerade wenn der Wind mir entgegenbläst, darf ich mich Gott anvertrauen und darüber hinaus meine politischen Anliegen vor Gott bringen.

Und so freue ich mich, wenn andere Menschen über mich sagen:
„Herr Zorn geht nicht unbedingt den bequemsten Weg. Aber er ist eine ehrliche Haut. Und seine Ansichten sind nicht immer dumm. Selbst wenn inhaltlich manches Schräge dabei ist, selbst wenn manche seiner Formulierungen sich im Ton vergreifen – er macht Mut, sich menschlich-allzumenschlich zu engagieren; er macht Mut, in seinen politischen Ansichten mit Gott und den Menschen zu ringen. In einer Demokratie, die kein Ponyhof ist. Und er ist immer bereit, sich selbst mit seinen größten politischen Gegnern zusammenzusetzen oder sich auf Spaziergängen intensiv auch persönlich zu begegnen.“

„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie; denn nur wenn es ihr gut geht, dann geht es auch euch gut.“ Der Rückzug ins Private ist höchstens kurzfristig eine Lösung.

Anzeige