Tichys Einblick
Stinkefinger und Drecksack

Ramelow – Majestät sind leicht zu beleidigen und beleidigen schnell

Eine harmlose Anspielung auf seine vom Verfassungsschutz beobachtete Rolle als linker Strippenzieher und SED-Funktionär ließ den Thüringer Ministerpräsidenten Ramelow jede Besinnung verlieren. Seine Wortwahl erinnert an die dunkle Zeit ...

imago images / Jacob Schröter
Wie ist Bodo Ramelow, der SED-Ministerpräsident von Thüringen, wohl auf die Idee gekommen, sich für seinen Ausfall gegen einen AfD-Abgeordneten zu entschuldigen? Seine Blumenstreuerin Susanne Hennig-Wellsow war doch geradezu enthusiasmiert von Ramelows Entgleisung. „Die einzig anständige Reaktion“ sei das gewesen, was ihr toller Bodo da gemacht habe, und erwartungsgemäß übernahmen linke Medienbegleiter wie die Süddeutsche Zeitung Blumen-Suses Einschätzung als Titel der Berichterstattung (‘Mittelfinger: „Die einzig anständige Reaktion“‘), damit der Leser, der den ganzen Artikel nicht lesen mag, wenigstens die richtige Gesinnung im Kopf behält.

Was ist passiert. Hier zitieren wir die Süddeutsche (unter der Rubrik „jetzt“), diesen heiteren Begleiter (Selbsteinschätzung der SüZ) durch Merkelland:

„Dem Eklat (Duden: großes Aufsehen erregender Vorfall) ging eine hitzige Debatte voran: Im Landtag sollte eigentlich über Vorschläge beraten werden, wie es mit den Akten der NSU-Untersuchungsausschüsse weitergehen soll. Als Möller (AfD-Abgeordneter Stefan Möller) sprach, lenkte er das Thema allerdings in eine andere Richtung. Möller bezeichnete den Verfassungsschutz als „skandalgeneigte Behörde“ und sagte: „Wer da schon alles Tolles beobachtet wurde, nicht wahr, Herr Ramelow?“ Ramelow zeigte Möller daraufhin den Mittelfinger.“

Gott ja, schön ist das Zeigen des Mittelfingers nicht, aber inzwischen so weit verbreitet, dass es bereits einen Emoji dafür gibt. Aber, um etwaige, verharmlosende Missverständnisse zu vermeiden, gab Ramelow eine höchstamtliche Erklärung als Ministerpräsident, wie seine optische Form der Ehrverkürzung genau gemeint war: Möller sei ein „widerlicher Drecksack“.

Jetzt werden manche einwenden, ein Parlament sei kein Mädchenpensionat, und wer sich die Mühe macht, findet schnell Beispiele für in Parlamentarierkreisen gepflegten Gossenjargon. Die CDU würde künftig „in die Fresse kriegen“ versprach die ewige Juso-Vorsitzende Nahles. Der grüne Pöbel-Fischer informierte den Bundestagsvizepräsident Stücklen: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“. Eine ähnliche Kinderstube kann man Ronald Pofalla, jetzt bei der Bahn aktiv, bescheinigen, der dem Parteifreund Bosbach entgegenschleuderte: „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen“. Während TV-Übertragungen, bei denen Herbert Wehner, SPD, sprach, wurde in vornehmen Familien der Ton leiser gedreht, wenn der auf die Opposition losging: „Sie sind ein Schwein. Wissen Sie das?“. Gerechtigkeitshalber muss angefügt werden, dass Wehner auch Parteifreunde nicht schonte. Der Münchner Genosse Hans-Jochen Vogel war für den berühmtesten Nachkriegscholeriker nur ein „blau-weißes Arschloch“.

In einer ordnungsgemäßen Buchführung über Redensarten im deutschen Bundestag dürfen auch „Fieser Möpp!“, „unverschämtes Weib!“, „Gangster!“, „Stinktier“, „Lümmel!“ und „Terrorist!“ nicht fehlen, wie schon vor 20 Jahren fleißige Buchautoren zusammentrugen.

Aber, mit Verlaub, „Sie sind ein widerlicher Drecksack“ steht auf einem anderen Blatt Papier, auch, weil dieses Papier den Stempel des Ministerpräsidenten Thüringens trägt. Das klingt in seiner Schärfe und als „Obrigkeit“ nach unten ausgespuckt wie „Sie sind ja ein schäbiger Lump“ aus der dunklen Zeit, auf die Ramelow in seiner langatmigen und unglaubwürdigen „Entschuldigung“ sogar explizit eingeht. Hat er diese semantische Nähe selber bemerkt? Oder hat ihm seine Frau den Kopf gewaschen (Blumen-Suse war es ja nicht)?

Was Ramelow von der Verfassung und ihren Organen hält, zeigt seine larmoyante Erklärung, er habe dem Respekt der Verfassungsorgane (Parlament und Regierung) „nicht im gebotenen Umfang Rechnung getragen“. Tatsächlich aber sei die AfD Schuld. Und die Nazis, die bis vor 75 Jahren blablabla.

Schließlich jammert Ramelow, durch Möllers Aussage („Wer da schon alles Tolles beobachtet wurde, nicht wahr, Herr Ramelow“) sei bei ihm „ein Punkt erreicht“ gewesen, „bei dem ich auch menschlich nicht mehr kann“. Damit will er sich wohl schon mal einen Platz als Verfolgter des BRD-Systems sichern, denn in der Tat wurde Ramelow jahrelang unter anderem wegen seiner Kontakte zur DKP vom Verfassungsschutz beobachtet. Viele Gerichtsverfahren später erklärte das Bundesverfassungsgericht 2013 die Überwachung Ramelows und der Mitglieder seiner Bundestagsfraktion für unzulässig und verwies die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurück. Da liegt sie nun immer noch, die Sache.

Ramelows Reaktion auf die Sottise („nicht wahr, Herr Ramelow“) deutet eher auf einen schweren Fall von Wahrnehmungsstörung. Der Mann hält sich für eine Art Honecker und sieht in jeder zweideutigen Anspielung mindestens den Tatbestand der Majestätsbeleidigung. Damit ist er charakterlich für das Amt nicht geeignet.

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