Tichys Einblick
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Kopfgeldjäger Elmar Brok: Für ein paar Euro mehr …

Elmar Brok, 72, verlässt endgültig das EU-Parlament. Anlass, noch einmal kurz einen Blick in seine Bücher zu werfen. Bei Elmar findet sich doch immer was.

Karen Bleier/AFP/Getty Images

Es gehört zu den noblen Aufgaben eines Abgeordneten des EU-Parlaments, von Zeit zu Zeit den unmündigen Bürger (der aber gleichwohl eine Stimme zu vergeben hat) aus der Heimat in die Hauptstädte des Imperiums, nach Brüssel und Straßburg einzuladen, damit auch dieser einen Augenblick teilhaben kann an der Größe und Herrlichkeit der Europäischen Union. Dafür ist doch ein Kostenbeitrag von 150 Euro pro Kopf nun wirklich nicht zu viel verlangt!

Genau diese 150 Euro waren fällig, wenn, sagen wir mal eine Reisegruppe aus Paderborn nach Brüssel reisen wollte und nicht nur Zugang zum Allerheiligsten, dem EU-Parlament, wünschte, sondern womöglich auch zu Deutschlands bedeutendstem Beitrag hierzu, dem Abgeordneten Elmar Brok.

Alles hat seine Zeit
Selbst eingebrokt
Nie hat sich jemand über den kleinen Obolus beschwert, oder diesen in Frage gestellt, im Gegenteil, alle waren mehr als glücklich, der Macht einmal so nahe sein zu dürfen. Woher sollten die Gläubigen denn auch wissen, dass, wie eine EU-Parlamentssprecherin es ausdrückte, es keinen Anlass gebe, „bei dem vom Besucher Vorkasse für einen Besuch eines Abgeordneten zu leisten wäre.“ Im Gegenteil subventioniere das Parlament die Kosten für Reisen, Unterkunft und Verpflegung“ für eine bestimmte Anzahl Besucher eines Abgeordneten.

Gerade erst vor zwei Wochen hatten wir uns würdig von Elmar Brok verabschiedet, dessen Lebensweg Helmut Kohl einst mit den Worten „geboren, verheiratet, Europäisches Parlament“ treffend beschrieb. Wir hatten Elmar einen wohlverdienten Platz in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett Seite an Seite mit Schonklod Juncker gewünscht – trotz gewisser Unregelmäßigkeiten, Stichworte Bertelsmann, Ukraine. Nein, wir wollten die Akte Brok für immer beiseite legen, da flattern uns diese Nebeneinnahmen-Abrechnungen auf den Tisch, liebevoll und detailliert dokumentiert von der amerikanischen Zeitung „Politico“, die in Deutschland mit dem Axel-Springer-Verlag ein gleichnamiges Joint Venture betreibt.

  • So soll Brok bei vier Gruppenreisen 2016 und 2017 einen Profit von 18.000 Euro gemacht haben.
  • Die einträglichste Reise (für Brok) war eine Gruppenreise mit 47 Teilnehmern aus Paderborn vom 13. auf den 15. Dezember 2016. Das Parlament zahlte Brok 8.760, 80 Euro Zuschuss, die Teilnehmer noch einmal 6.150 obendrauf.
  • Andere Dokumente, aus denen „Politico“ zitiert, zeigen ein Plus von nahezu 5.000 € aus einer Gruppenreise nach Brüssel im Juni 2016, und eine weitere brachte immerhin knapp 4.000 € bei einem Straßburg-Trip im November 2016.

Die Dokumente belegen sogar Elmars Humor. So hatten einige Reisende der Gruppen keine 150 € zu zahlen, das waren die sogenannten „Gewinner“. In der Paderborner Gruppe gab es sechs „Gewinner“ plus den Busfahrer, aber das wäre ja auch noch schöner gewesen!

Elmar ist natürlich stinksauer über diese frechen Recherchen, die nur Wasser auf die Mühlen …, und er versichert, die Parlamentsgelder seien nicht annähernd ausreichend für die Kosten, die die Besucher verursachten. Daher die kleine abkassierte Unterstützung. Außerdem hätten seine Mitarbeiter den Landeiern geholfen bei Hotel- und Restaurantbuchungen und einem zünftigen Entertainment-Programm.

Nun ergeben die Nachprüfungen von „Politico“ trotzdem einen ordentlichen Überschuss aus Kopfgeld plus Inrechnungstellung an die Parlamentsverwaltung – immerhin 18.000 € für 2016 und 2017, zugleich wurde die einträgliche Regelung auch 2018 fortgesetzt.

Natürlich hätte der ehrliche Elmar seinen Gästen die Überschüsse erstatten können, aber hierfür fanden die Rechercheure von „Politico“ keine Belege. Ein Reiseleiter bestätigte, seiner Gruppe sei nichts erstattet worden, andere schwiegen stille. Denn der Mundraub blieb quasi in der Familie – die Geprellten waren fast ausschließlich CDU-Mitglieder. Was mit den „Überschüssen“ passiert sei – beim einfallsreichen Elmar darf man vermuten, dass er diese Einnahmequelle schon deutlich länger anzapft –, wollte sein Büro nicht sagen.

Der sonst so gerne sich reden hörende Abgeordnete gab sich an diesem Mittwoch wortkarg. Er könne zu dem Bericht nur drei Dinge sagen, sagte er gegenüber der NZZ : «Erstens, die öffentlichen Mittel des Parlaments sind korrekt verwendet worden, wie auch Prüfungen erwiesen haben. Zweitens, Teilnehmerbeiträge sind erhoben worden, um zusätzliche Kosten zu tragen, die von den Mitteln des Parlaments nicht getragen sind – zum Beispiel zusätzliche Übernachtungen, zusätzliche Programmpunkte, Essen und so was. Drittens, alle Unterlagen sind gestern an ein vom Parlament anerkanntes Steuerberaterbüro gegangen, um zu überprüfen, ob irgendwo ein Fehler ist, also ob bei den Teilnehmerbeiträgen ein Fehler ist.»

Auch Hanna Hartmann vom CDU-Gemeindeverband Hille (liegt ziemlich jottwede) lässt auch nach ihrer Reise zum EU-Parlament nichts auf den bedeutenden Brok kommen: „Ich kenne Herrn Brok seit vielen Jahren und kann mir nicht vorstellen“, dass er den Reisebeitrag für persönliche Zwecke missbrauche.

Broks Büro teilte zudem mit, Buchprüfungen des Europaparlaments hätten Broks Verwendung der Subventionen völlig in Ordnung gefunden. Was jetzt nichts mit dem Kopfgeld zu tun hat, aber geschenkt. Das EU-Parlament ließ ja auch den Sitzungsbetrüger Schulz davonkommen. Quod licet Schulzi etiam licet Broki!

(Wer nun ein politisches Attentat auf den verdienstvollen Elmar vermutet, liegt falsch. Die Co-Autorin der „Publico“-Geschichte war von Januar bis Juni 2017 Trainee im Brok-Büro – dumm gelaufen aber auch.)


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