Tichys Einblick
Mehrheit gegen Gendern

Vergesst das Gender-Gerede, es funktioniert einfach nicht 

Es gibt Grund zur Hoffnung auf die widerständige Vernunft der Normalen: Obwohl ihnen täglich, im Hörfunk oder im Fernsehen, vorgemacht wird, wie man korrekt gendert, wollen immer weniger von ihnen das Spiel mitmachen. 

Straßenschild der Thomas-Mann-Straße in Berlin

IMAGO / Future Image

Selbst die bis zur Selbstverleugnung toleranten Deutschen haben irgendwann die Nase voll von ständigen Ermahnungen zum Guten und Korrekten und werden rebellisch. Das sollte manchen von unseren politmedialen Influencern Sorgen bereiten. 

Mir nicht – mir macht das Hoffnung. Obwohl ihnen die so herrlich frische junge Annalena unaufhörlich und unerträglich aufdringlich als künftige Canclerette unter die Nase gerieben wird, lässt das Volk der Befragten der immerhin schon 40Jährigen nicht alles durchgehen. Und obwohl das Panikorchester täglich „Spiel mir das Lied“ vom Mutantentod aufführt, rebellieren selbst die Furchtsamen langsam gegen „Maßnahmen“, deren praktischer Nutzwert nicht erkennbar ist. Und jetzt das: Obwohl ihnen täglich, im Hörfunk oder im Fernsehen, vorgemacht wird, wie man korrekt gendert – man kann dort Spitzenleistungen wie die von ZDF-Hauptstadtkorrespondentin*innen Nicole Diekmann bewundern – wollen immer weniger von ihnen das Spiel mitmachen. 

Hielten im vergangenen Jahr 56 Prozent der Deutschen nichts davon, auch den Mördern ein -innen anzuhängen, so lehnen das heute 65 Prozent der Befragten ab – bei Frauen stieg die Ablehnung von 52 auf 59 Prozent, was man ja verstehen kann. Unsereins überlässt das eine oder andere durchaus gern den Männern. Selbst bei den Anhängern der Grünen ist eine knappe Mehrheit (48 Prozent) gegen das Gendern, bei den zur SPD neigenden sind es 57 Prozent, bei den Anhängern der Union 68 Prozent, bei der Linken sagenhafte 72 Prozent, bei der FDP 77, getoppt von der AfD mit 83 Prozent Ablehnung. Nur Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) versteht offenbar nicht, worum es sich beim generischen Maskulinum handelt: „Warum muss sich die Hälfte der Bevölkerung mitgedacht fühlen, wenn nur die männliche Form verwendet wird?“, klagt sie. Die muss sich gar nicht mitgedacht fühlen, sie ist ebenso inkludiert, wie beim Wort „Publikum“ auch die Männer gemeint sind. Vielleicht muss man als Justizministerin nichts von Grammatik verstehen? 

Ja, aber … Wie ist es denn mit den Diversen? Fühlen die sich nicht womöglich ausgeschlossen, sowohl beim generischen Maskulinum als auch beim generischen Femininum und brauchen deshalb ein Sternchen oder den berüchtigten „Glottisschlag“? Dann hätte Nicole Diekmanns gewiss mühsam antrainierter Sprechakt sein Ziel verfehlt: Einer bedeutenden Gruppe der Gesellschaft ist keine Gerechtigkeit widerfahren.

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Bedeutend? Ja! Schließlich wurden, um nicht zu kränken, Behördenformulare und Personalbögen geändert und dicke Papierpakete namens „Diversity-Landesprogramm“ aufgelegt, weil man „diversitysensibel“ sein will. Um wie Viele es sich handelt, die Wert darauf legen, derart sensibel behandelt zu werden, weil sie das „binäre“ Modell männlich/weiblich beleidigend finden? Nun, man hat sich bei der Bemessung der Größe des Problems wohl nicht auf eigene Ermittlungen, sondern auf die Diversity-Lobby verlassen, deren Interesse verständlicherweise darin besteht, die Problemlage möglichst aufzublasen, schon all der Stellen für Diversitybeauftragte und Diversity-Professor*innen wegen. Außerdem brauchen solche umfangreichen Programme Expert*innen, die das Sensible auch behördengemäß, also möglichst unverständlich zu formulieren verstehen. 

Bereits 2019 hatte Martin Spiewak für die Zeit zu ermitteln versucht, wieviele „Betroffene“ es wohl gibt – anhand der Zahlen derjenigen, die ihren Eintrag ins Geburtsregister auf „divers“ hatten ändern lassen. Als das Bundesverfassungsgericht im Herbt 2017 intersexuellen Menschen dieses Recht zusprachen, sind die Richter von 160.000 potentiell Betroffenen ausgegangen. Diese Zahl bezweifelte Spiewak schon damals. Und seine aktuelle Recherche ergab: 2019 veränderten in den zehn größten deutschen Städten 42 Personen ihren Eintrag auf „divers“, 2020 waren es 31. Spiewak schließt auf 0,00043 Prozent der volljährigen Bevölkerung. Und, schlimmer noch: Die meisten Menschen, die „intergeschlechtlich“ geboren werden, wünschen Zugehörigkeit zum entweder weiblichen oder männlichen Geschlecht und lehnen es ab, sich als „divers“ zu bezeichnen.

Wer also muss sensibel behandelt werden? Offenbar vor allem jene, die meinen, hier die passende Minderheit gefunden zu haben, für deren Rechte sie lautstark kämpfen können. Und natürlich jeder, der glaubt, Geschlecht sei ein bloßes Konstrukt, das man an- und ablegen könne wie die Kleidung. Könnte es sein, dass hier jemand eine Minderheit, deren Leid man nicht unterschätzen sollte, für seine eigene ideologische Agenda missbraucht?

Die entscheidende Frage dabei ist: Warum fallen so viele Meinunghabende darauf rein? Weil es sich so gut anfühlt, sensibel zu sein und damit seine Beliebtheitswerte zu steigern? Dann zeigen die aktuellen Umfragewerte ziemlich deutlich: Vergesst es. Es funktioniert nicht. 

Das Volk, der freche Lümmel, denkt schon längst beim Lesen von Stellenanzeigen, das m/w/d stehe für männlich, weiblich, deutsch. Und das können die moral classes doch nun ernsthaft nicht beabsichtigt haben, oder?