Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Abschied von der SPD

Der Niedergang der SPD ist vor allem selbstverschuldet. Mit Olaf Scholz, Saskia Esken und Nancy Faeser in den Untergang – das ist kein schöner Anblick. Noch schlimmer aber sind die Folgen für Deutschland. Eine Mehrheit der Bürger wünscht sich Neuwahlen.

IMAGO / IlluPics
Sie war mal eine große Bewegung und eine starke Partei, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts entstandene Sozialdemokratie – mal abgesehen vom Irrtum des Marxismus. Sie gab im Kaiserreich all denen eine Stimme, die mit dem Bürgertum nichts gemein hatten. Später war sie die Heimat aller, denen die Kommunisten zu radikal waren und die sie überdies als Handlanger der Sowjetunion fürchteten. Dafür wurde die SPD wiederum von Stalin als „Flügel des Faschismus“ denunziert und ab 1930 unter der Bezeichnung „Sozialfaschismus“ zum Hauptfeind erklärt.

Pikanterweise hätte ein Bündnis von KPD und SPD im November 1932 die NSDAP verhindern können – sie erreichten zusammen unter der Führung der SPD eine Mehrheit von 37,3 Prozent vor der NSDAP mit 33,1 Prozent. Andererseits: Wäre es dem Land unter der Ägide des Massenmörders Stalin gut gegangen? Auch die Furcht vor kommunistischer Herrschaft begünstigte die NSDAP.

All das sollte eine Sozialdemokratin eigentlich wissen, die sich stolz als „Antifa“ bezeichnet. Doch warum sollten Saskia Esken und Nancy Faeser etwas von der Geschichte ihrer Partei wissen, wo sie doch auch sonst nicht über den Tellerrand schauen können? Der die Partei dominierende linke Flügel interessiert sich offenbar wenig für die einstige Kernklientel der Partei, die „kleinen Leute“. Stattdessen läuft man den ach so „progressiven“ woken Minderheiten hinterher. Wer sich auf Identitätspolitik verzwergt, wird die Menschen nicht erreichen, deren Interessen die Sozialdemokratie vor Olims Zeiten einst zu vertreten behauptete.

Wolfgang Thierse ist im Frühjahr 2021 für sein Insistieren auf den berechtigten Interessen der weniger bunt-diversen, sondern stinknormalen Mitbürger von der SPD-Parteiführung verächtlich gemaßregelt worden – die SPD-Basis aber hat seiner Äußerung weitgehend zugestimmt: „Menschen, die andere, abweichende Ansichten haben und die eine andere als die verordnete Sprache benutzen, aus dem offenen Diskurs in den Medien oder aus der Universität auszuschließen, das kann ich weder für links noch für demokratische politische Kultur halten.“

Daraufhin luden Saskia Esken und Kevin Kühnert ausgerechnet Vertreter der Buchstabensekte zu einem Gespräch ein, die sich erwartungsgemäß „verstört“ zeigten angesichts des „rückwärtsgewandten“ Bildes der SPD. „Beschämt“ reagierten auch Esken und Kühnert. Dass Thierse damals nicht aus der SPD ausgetreten ist, zeugt von erstaunlicher Treue.

Es ist schon verblüffend, wie wenig sich nicht nur die Führungsspitze der SPD mit dem beschäftigt hat, was man vom Erfolg Donald Trumps und der Niederlage Hillary Clintons hätte lernen können. Wenn sie als Deklassierte behandelt werden, als „basket of deplorables“ (Hillary Clinton), streiken die „Normalos“. Wenn Weltoffenheit weit offene Portemonnaies bedeutet, wollen mittlerweile auch hierzulande die wenigsten Normalverdiener noch in Willkommensjubel ausbrechen.

Die AfD verdankt ihre Wahlerfolge mittlerweile nicht nur in der ostdeutschen Provinz, sondern seit den Landtagswahlen in Bayern und Hessen auch in zwei westdeutschen Industrieregionen der Dekadenz der woken Hauptstädter, die ihren Kampf gegen die weiße und heterosexuelle Mehrheit mittlerweile mit harten Bandagen austragen.

Wer es gut meint mit Minderheiten, sollte es vermeiden, sich alle anderen zum Feind zu machen. Im Übrigen: Das Mehrheitsprinzip ist die Grundlage der Demokratie.

In der Führungsriege der SPD scheint man den Schuss noch immer nicht gehört zu haben. Man beauftragt nun ausgerechnet Nancy Faeser mit „Sondierungen“ – für eine Koalition mit der CDU in Hessen. Boris Rhein wäre lebensmüde, täte er sich mit der abgehalfterten SPD zusammen.

Der Niedergang der SPD ist vor allem selbstverschuldet. Mit Olaf Scholz, Saskia Esken und Nancy Faeser in den Untergang – das ist kein schöner Anblick. Noch schlimmer aber sind die Folgen für Deutschland. Eine Mehrheit der Bürger wünscht sich Neuwahlen.