Tichys Einblick
Bracelet mit 28 Kügelchen für ein Hallelujah

Gemeinsam menstruieren!

„Menstruation darf kein Tabu sein!“: Eine Bundesministerin und ihre Staatssekretärin rufen mit Armbändchen dazu auf, „die Stigmatisierung rund um das Thema“ zu durchbrechen.

IMAGO / ZUMA Wire

Eigentlich dachte ich, mich könnte nichts mehr erschüttern. Was konnte nach Angela Merkel schon noch kommen? Falsch gedacht. Schlimmer geht immer. Die Zahl der Zumutungen steigt beinahe täglich an. 

Jüngster Höhepunkt, der gewiss bald überboten wird: ein Bild von Svenja Schulze, auf dem sie mit ihrer Parlamentarischen Staatssekretärin breit lächelnd den Arm vorstreckt, am Handgelenk ein Armbändchen. Welches Zeichen damit wohl gesetzt werden soll?

Man muss nicht lange raten. Es geht um Blut. Blut, das nicht von Soldaten oder Männern beim Rasierunfall, sondern um das, was monatlich von Frauen vergossen wird. Und es handelt sich nicht um ein neckisches Armbändchen, sondern um etwas Höherwertiges: „Zum internationalen Tag der Menstruation rufen meine parlamentarische Staatsekretärin (…) und ich mit dem Bracelet dazu auf, die Stigmatisierung rund um das Thema zu durchbrechen. Menstruation darf kein Tabu sein!“

Ein Bracelet mit 28 Kügelchen für ein Hallelujah!

Nun, die beiden Damen dürften sich der Menopause nähern. Da muss man keine Stigmatisierung mehr durchbrechen, dann findet Menstruation nämlich schlicht nicht mehr statt, worüber manch eine ganz und gar tabulos nicht wirklich traurig ist. Vor allem: Wann und wo haben die beiden dieses Tabu in der westlichen Welt wahrgenommen? Ich bin die Ältere und habe eine „Stigmatisierung“ von Menstruation in unseren Breiten nie erlebt. Haben die beiden womöglich eine Kultur mit einem gewissen anderen Hintergrund als der unseren gemeint, eine Kultur, in der Frauen während ihrer Tage als unrein gelten? Aber sind die beiden als Botschafterinnen in Länder wie den Sudan gereist, um ihre Handgelenke dort in die Kameras zu halten – oder im Rahmen der WM nach Katar? Nein.

Und sind sie nicht ein wenig spät dran mit ihrem Bekenntnis zur vorbehaltlosen Menstruation? In den USA und in Großbritannien ist diese Kampagne ein schon etwas älteres Rotkäppchen. „Plan International UK“ etwa will das Leid beenden, dass Mädchen überall auf der Welt erdulden müssten, weil sie wegen ihrer Periode gemieden oder gehänselt werden.  

Bravo! Wo Leid war, soll Freud‘ herrschen.

Denn die segensreichen Wirkungen von Menstruationsblut überwiegen die kleine Unbequemlichkeit alle vier Wochen. Es hat magische Kräfte. Man kann es als Gesichtsmaske einsetzen. Und selbstredend kann man damit wunderbar malen! Nicht schamvoll verstecken, sondern mutig vorzeigen, gern auch im Fernsehen, lautet die Devise.

Die beiden Sozialdemokratinnen sind nicht auf dem hohen Niveau der Debatte. Statt eines „Bracelets“ wäre es mutig und tabudurchbrechend gewesen, die beiden hätten sich das Blut ins Gesicht geschmiert oder wenigstens eine befleckte Hose vorgezeigt. Diskret ist vorbei! Vorbei auch Hygieneprodukte, die damit werben, dass sie die Periode unsichtbar machen. Jetzt wird öffentlich geblutet! Auch beim Marathonlauf. Auch die blaue Ersatzflüssigkeit dem neuen Normal entsprechend: längst passé. Und zum Zeichen der Solidarität tragen jetzt alle, Männlein und Weiblein, ein Tampon, sichtbar. Am Ohr oder in der Nase. So geht Enttabuisierung!

Und so geht Politik. Die Forderung, Hygieneartikel für Frauen kostenlos zu machen, bietet endlich wieder ein Thema, an dem man zeigen kann, wie sehr Frauen benachteiligt sind. Nur Böswillige erkennen darin das übliche Rumgeopfere, das beim Zugang zu Staatsknete so hilfreich ist.  

Die toxische alte weiße Frau in mir nörgelt natürlich. Wird hier nicht wieder mal das Kind mit dem Menstruationsblut ausgeschüttet? Es reicht doch völlig aus, wenn Mütter ihren Töchtern etwas anderes mitgeben als „Na, jetzt hast du die Schweinerei auch!“ – und man den Sportunterricht schwänzen darf, was schon in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gang und gäbe war. 

Vor allem aber: Wieso muss wirklich jedes feministische Geschwätz von Politiker:Innen geheiligt werden, deren Zeit womöglich mit anderen Aufgaben weit besser verschwendet wäre? Svenja Schulze ist immerhin seit dem 8. Dezember 2021 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. Gibt es da wirklich keine anderen Themen? So ganz ohne Tabu, Stigma und Bracelet? 

Die Entwicklung der Bundesrepublik etwa, die das dringend nötig hätte?