Tichys Einblick
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Mit dieser CDU wird das nichts mehr

Laschet? Die CDU bräuchte nicht ihn, sondern einen Aufmischer, der sich für das Land mehr interessiert als für seine Parteikarriere. Eine Laschet-CDU braucht niemand jenseits der Parteifunktionäre. In jedem anderen Land wäre die naheliegende Konsequenz: eine neue Partei.

imago Images/Ralph Peters

„Wir brauchen sie noch, die CDU“, habe ich kürzlich in einem unbedachten Moment behauptet. Stimmt ja irgendwie auch – wenn es um die Bildung einer mit einer anständigen Mehrheit ausgestatteten Regierung geht. Noch immer ist die CDU die stärkste der Partei’n. Aber brauchen wir sie als Steigbügelhalter für die Grünen? Als Merkel-ist-alternativlos-Partei? Als zeitgeistgetriebene „Wir schaffen das“-Lobby? Als Club von Frauenverstehern?

Gut: Mit Armin Laschet wird diesmal wenigstens keine Frau mehr an Merkel scheitern, das wollen wir als Geschlechtergerechtigkeit verbuchen. Doch was kann man sonst noch von ihm erwarten? Gewiss nicht das, was dringend nötig wäre: eine Politik, die auf Fakten basiert und nicht auf Ideologie. Ergebnisorientiert. Pragmatisch. Eine Politik, die sich vom Besitzstandsdenken der Funktionäre unabhängig macht. Die nicht nur auf die konservative Parteibasis hört, sondern auch auf all die anderen Menschen, denen das Vertrauen in Regierung, Politik und Medien mittlerweile gründlich verloren gegangen ist. Bescheiden gesagt.

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Unbescheidenes traut man sich ja kaum noch zu denken: Wagemut. Das tun, was Merkel 1999 getan hat. A bisserl Tyrannenmord, sozusagen. Und dann Rolle rückwärts: Weg mit der Euro“rettung“, der Energie“wende“, der Muttimerkelmigrationspolitik, der Coronapanik mit ihrem autoritären Zugriff auf die Grundrechte der Bürger. Europapolitik ohne moralingesättigten deutschen Alleingang. Ein neues Bündnis mit Großbritannien, statt sich von Frankreich vorführen zu lassen, wie jüngst beim Impfstoffdesaster. 

Kurz: Ende der Ära Merkel mit all ihren desaströsen Folgen für das Land. Neuanfang. Wiederaufbau. Das haben wir doch schon mal geschafft, mehr als einmal.

An den Hoffnungsbringer Friedrich Merz habe ich nie recht geglaubt. So erfreulich das auch ist, dass hier mal ein Kandidat zur Verfügung stand, der noch etwas anderes kennt als eine Parteikarriere: Er hat wie ein echter Politiker bis zum Schluss taktiert, voller Rücksicht auf die Delegierten und die Merkelianer unter ihnen, ohne den nötigen Mut, den man sich an der Parteibasis gewünscht hat. Nicht in den Vorstand wollen, zugunsten der Frauen? Was für eine peinliche Anschleimerei. 

Insofern: Lasst alle Hoffnung fahren. Mit dieser CDU wird das nichts mehr. Sie bräuchte einen Aufmischer, einen Populisten, einen, dem man anmerkt, dass er sich für das Land mehr interessiert als für seine Parteikarriere. Der (die, das) sich um den parteiinternen Comment nicht schert und dem die Zustimmung der Medien egal ist. Einen aus der Tiefe des Raumes. Mit guter Laune statt „verbitterter Bevormundung“. Das mag naiv sein, schreibt Susanne Gaschke. „Aber vielleicht ist Naivität langsam das einzige, was noch hilft.“

Doch was ist, wenn die CDU die Kurve nicht kriegt, was nach dieser Wahl noch wahrscheinlicher ist? Dann blüht ihr das, was auf der linken Seite des Parteienspektrums längst geschehen ist. Abwanderung und Spaltung. Denn es fehlt etwas in einer Demokratie, wenn es keine starke konservative Kraft mehr gibt, weil alle links zusammenrücken. Nicht nur an der Parteibasis sieht man das schon lange so – und dort artikuliert sich der Zorn auf das System Merkel mittlerweile unüberhörbar. 

Nicht nur deshalb hat sich die CDU als Volkspartei erledigt, egal, wie lange die Kranke noch vor sich hinsiecht. Dafür gibt es viele Gründe. Einer der vielen ist eine Politik, die allein auf Koalitionsoptionen setzt und keine erkennbar eigene Agenda mehr verkörpert.

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Ob sich ein Teil der unzufriedenen Basis bei der FDP wiederfinden wird? Unwahrscheinlich, wer sattelt schon eine todkranke Mähre. Bei der AfD? Ebenfalls eher unwahrscheinlich, solange sich die AfD nicht zurechtgerüttelt hat und solange sie der üblen Nachrede gegen sie an der Medienfront immer wieder Futter gibt. Eine neue Partei? In jedem anderen Land als Deutschland wäre das die naheliegende Konsequenz, und selbst in unserem Unordnung fürchtenden Land ist das ja bereits zweimal geglückt. Das wäre dann ein neues Spiel, das die Verhältnisse wieder zum Tanzen bringen könnte – auch um den Preis, dass damit das Regieren wieder schwieriger würde. Doch ist eine „stabile“ Regierung ein Wert an sich, wenn sie starres Festhalten am Falschen heißt, Stillesitzen im ewigen Lockdown mit „Zügel anziehen“ und „harten Maßnahmen“?

Ich bitte um ein Ende des Schreckens. Ich bin mir sicher, dass es den vielen Normalen im Lande nicht anders geht. 


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