Tichys Einblick
Unmutige Bürger und extreme Klimakids

Die Sorge der Regierenden vor einem kalten/heißen Winter

Die Sorge geht um vor dem Herbst und Winter – einerseits vor dem möglichen Unmut frierender, unter immer zusätzlichen Kostensteigerungen leidender Bürger, andererseits vor wütenden und teils extremen Klimaaktivisten. Wie damit umgehen? Offenbar vertraut man in manchen politischen Kreisen auf bewährte Mittel.

IMAGO / Björn Trotzki

Eigentlich müsste man sie auch mal loben, unsere Innenministerin Nancy Faeser. Sie will die Polizei stärken und 1000 neue Planstellen für die Bundespolizei schaffen. Eine gute Idee. Man scheint also endlich begriffen zu haben, dass man sie braucht, die Polizei, der man ansonsten doch stets zutraut, irgendwie mehr oder weniger latent rechtsextrem und Nazi zu sein. (Kluge Staatspersonen sind das natürlich nicht, die ihre Ordnungskräfte erniedrigen und beleidigen, deren Loyalität man womöglich bald dringend braucht.)

Und es gibt weiß der Himmel genug zu tun. Die Gefahr durch Kriminalität und Verletzungen durch Angriffe mit Messern nimmt nicht ab, Auswüchsen der zuletzt immer offener zutage getretenen Clankriminaltät muss man endlich Herr werden und überhaupt ist es dringend mal geboten, zu kontrollieren, wer aus welchen Gründen ins Land einreist.

Doch darin sieht die Innenministerin weniger ein Problem. Worin denn dann? Soll die Bundespolizei etwa wieder dazu verdonnert werden, mit dem Zollstock in der Hand den Corona-Mindestabstand der Bürger voneinander zu überprüfen und Menschen mit Buch aber ohne Maske von der Parkbank zu vertreiben?

Die Gefahrenlage scheint eine andere zu sein. Die Ministerin fürchtet: „gezielte Attacken auf den Energiesektor oder der Versuch von Extremisten, legitimen Protest zu missbrauchen wie in der Corona-Krise“. Und sie zeigt sich „alarmiert durch den Versuch von Linksextremisten, Klimaproteste zu instrumentalisieren“. Auch links lauert neuerdings Gefahr? Jetzt nur nicht anfangen, „die Gefahr von rechts“ geringzuschätzen, den Rechten ist schließlich zuzutrauen, auch noch den kleinsten Anflug von Unmut der Bürger zu „funktionalisieren“ und auf ihre dumpf mahlenden Mühlen zu leiten, oder? Thüringens Innenminister Georg Maier jedenfalls fürchtet eher eine Mobilisierung, hinter der „Neonazis, ‚Reichsbürger‘, ‚Querdenker‘ – bis hin zur AfD“ stecken. „Diese Kräfte wollen der Bevölkerung noch größere Angst einjagen.“ Noch größere Angst, als sie von Seiten der Regierungspolitik nicht erst seit Corona geschürt wird?

Es gehe ihnen, meint Maier, nicht um legitimen (immerhin!) Protest gegen höhere Energiepreise. „Sondern darum, die Regierung und unsere Demokratie verächtlich zu machen.“ Letzteres erledigt die Regierung in den letzten Jahren aber auch ganz ohne Hilfe anderer Kräfte. 

Aber sei’s drum: Die einen warnen vor einem kalten Winter, die anderen fürchten einen heißen. Die einen halten die Bürger zum Frieren an, die anderen verspüren bereits den heißen Odem des „Volkszorns“. Und darauf muss man sich natürlich vorbereiten, um Wutbürger notfalls niederhalten zu können – jedenfalls, wenn man derart autoritär denkt wie ausgerechnet diese beiden wackeren Sozialdemokraten, die sich in der Geschichte ihrer Partei offenbar ganz und gar nicht auskennen. 

Nun, kalter oder heißer Winter – wahrscheinlich bekommen wir beides. Und ja: Die Regierung wird von mehreren Seiten in die Zange genommen. Da sind die vielen, die Gas und Elektrizität demnächst nicht mehr bezahlen können, sofern es noch etwas davon gibt. Und da sind die Anhänger der Dunkelflaute, die keinerlei Lösung des politisch verursachten Energieproblems zustimmen wollen, weshalb sie jüngst in Hamburg Brücken und Bahngleise blockiert haben – aus Protest gegen die Nutzung fossiler Energien und gegen den geplanten Bau von Flüssiggasterminals. Was werden die erst anstellen, wenn die Regierung gezwungenermaßen die Kernkraftwerke weiterlaufen lassen will?

Es könnte also in der Tat ungemütlich werden – hier die unmutigen Bürger, dort die wütenden und teils extremen Klimakids. Wie damit umgehen? Offenbar hat man in manchen politischen Kreisen dazu nur eine Vorstellung: diffamieren und verbal draufhauen, wenn jemand kritisiert oder sich per friedlicher Demonstration bemerkbar macht, was oder wer auch immer.