Tichys Einblick
König Charles III. in Deutschland

Der König zu Besuch in der würdearmen Hauptstadt

Charles III. ist zu Besuch in Deutschland, zum ersten Mal als König. Verglichen mit unserem politisch repräsentierenden Personal zeigt die britische Monarchie trotz aller Skandale und Peinlichkeiten immer wieder ihre Vorzüge.

Die britische Flagge weht zum Staatsbesuch von König Charles III. am Brandenburger Tor, 29.03.2023

IMAGO / Frank Ossenbrink

Dass König Charles der III. seine Antrittsreise in Deutschland beginnt und nicht, wie zunächst geplant, in Frankreich, liegt durchaus nahe. Den Franzosen ist ja der Königsmord nicht fremd und sie scheinen derzeit so recht in der Stimmung zu sein, auch einem ausländischen König einen anständigen Regizid zuteilwerden zu lassen, wie der Fachbegriff für diese Sitte lautet.

Obwohl – naja: Auch die Briten verstehen sich aufs Köpfen königlicher Häupter. Das Haus Stuart, ursprünglich Haus der schottischen Könige mit bretonischem Migrationshintergrund, stellte ab 1603 in Personalunion auch die Könige von England und Irland. Bis Oliver Cromwell kam, ein puritanischer Rebell, der dafür sorgte, dass Charles der I. am 30. Januar 1649 vor seiner Residenz in Whitehall wegen Verrats, Mordes und Hochverrats hingerichtet und England zur Republik erklärt wurde.

Später gab es noch einen Charles, der II., der durch Vielweiberei bekannt war, bevor 1714 das Haus Hannover übernahm. Seither ist das britische Königshaus fest in deutscher Hand, auch wenn man sich während des Ersten Weltkriegs statt Haus Sachsen, Coburg und Gotha in „Windsor“ umbenannte, später in Mountbatten-Windsor.

Doch zurück zu Charles III., ein Name, zu dem man angesichts des Schicksals der Vorgänger Mut braucht. Tatsächlich hatte Charles kurze Zeit erwogen, sich angesichts des Leumunds der anderen als König George zu nennen. Mut braucht man im Übrigen auch dazu, die Nachfolge der Queen anzutreten, worauf der Erstgeborene der Queen dank der Langlebigkeit seiner Mutter bis in sein 73. Lebensjahr warten musste.

Nun ist also der britische König in Berlin, der Hauptstadt des Landes, aus dem der größte Teil seiner Ahnen (die Dynastie Windsor hieß bis 1914 „Hanover“) stammt. In einer Hauptstadt, die nicht gerade als besonders würdevoll gilt.

Am Mittwochnachmittag werden King und Queen Consort Camilla vorm Brandenburger Tor mit militärischen Ehren und von Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau begrüßt, dort dürfen auch die Bürger Anteil nehmen, Fähnchen schwingend oder auch nicht. Nur Flaschen dürfen sie nicht mitbringen. Aber die stehen ja bereits da und einer von ihnen wird abends eine Rede halten, die deutsche Vorbildlichkeit unter Beweis stellt: Ansprache des Bundespräsidenten bei einem Empfang zum Thema „Energiewende und Nachhaltigkeit“.

Danach muss man sich gewiss erholen. Das Hotel Adlon ist gerüstet für den royalen Besuch. Übung hat man dort, die Queen hat schon zweimal in der Royal Suite übernachtet, 185 Quadratmeter samt Kingsize-Bett und Sauna. Von Klagen ist uns nichts bekannt.

Nun, ich gebe alles zu: Ich war ein Fan der Queen, hielt überhaupt nichts von der „Königin der Herzen“, der narzisstischen Diana, und mag Camilla, die Jugendliebe von Charles, die er nicht heiraten durfte, weil er zu Diana genötigt wurde. Immerhin hat er mit ihr „a heir and a spare“ gezeugt, einen Erben namens William und dessen Bruder als Ersatz oder auch Ersatzteillager, worüber Harry bekanntlich bitter klagt, ein wahrhaftiger Sohn seiner Mutter.

Ja, man kann lachen über das royale Spektakel, über die Unpassenden wie Charles’ Bruder Andrew und die Unangepassten, wie die Schwester der Queen, Princess Margaret, alle für deftige Schlagzeilen in der Boulevardpresse gut.

Und doch: Je länger ich mir so unser demokratisch legitimiertes politisches Personal betrachte, desto mehr neige ich zur konstitutionellen Monarchie. Denn das Argument, die Geburt qualifiziere nicht automatisch fürs Amt, hat sich erledigt, wenn auch die Wahl nichts Qualifiziertes hervorbringt. Der Vorteil der konstitutionellen Monarchie aber ist, dass so ein König nicht in die politischen Niederungen abtauchen darf, kein Gegenstand von parteipolitischen Intrigen ist, sich nicht dem verlogenen Wahlkampfritual unterwerfen muss. Außerdem bietet er das geradezu überhistorische Symbol für die nationale Identität, auf die nur die Deutschen glauben, verzichten zu müssen.

Die woken Großstädter dürften es schwer haben mit Charles dem III. Ich glaube nicht, dass es dort viele gibt, die ihren Kaiser Wilhelm wiederhaben wollen oder Royalty für mehr halten als einen kostümierten Witz. Doch Charles ist irgendwie auch einer von ihnen: ökobioklima bis unter die Haarwurzeln. Er lässt auf seinen Latifundien ökologisch Lebensmittel produzieren, setzt sich für den Schutz des Regenwaldes ein und steht auf Homöopathie. Sicher würde er gendern, spräche er deutsch. Er müsste also ihr König der Herzen sein.

Doch seine wahren Getreuen finden sich nicht in den biodynamischen Großstädten, sondern im eher provinziellen Nordhessen. Denn Charles ist ein echter Battenberger, wie die Mountbattens einst hießen. Zur Krönung wird Battenberg im Kreis Waldeck-Frankenberg Charles dem III. jedenfalls eine Karte schicken.

Ein bisschen Royalty haben wir also auch.