Tichys Einblick
Reden unserer Staatsoberen

Da brüllte die Maus …

Der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe und Bürgerpflicht zugleich – nicht nur für deutsche Staatsbürger, sondern für „alle Menschen in unserem Land“, betont der Bundespräsident. Deutschland wird „jüdisches Leben überall und zu jeder Zeit schützen und verteidigen“, verspricht der Kanzler. Vielleicht sollten sie erstmal gar nichts mehr sagen, bis klar ist, welche Taten den großen Reden denn folgen sollen – oder auch nur folgen können.

Bundespräsident Steinmeier, Brandenburger Tor, Berlin, 22. Oktober 2023

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Ja, neuerdings zeigen sie Mannesmut vor Mullah-Thronen, unsere Führer. Jetzt geht es um die Staatsräson, und die heißt, ob das die Israelis wollen oder nicht: unverbrüchliche Solidarität mit dem Land. Nicht etwa, weil es der Vorposten des Westens im Nahen Osten ist, nicht etwa, weil die Israelis innovativ erfolgreich sind, nicht etwa aus unserem ureigenen Interesse, sondern aufgrund historischer Schuld.

Ich mag das nicht. Die Zionisten warteten ja nicht die Shoah ab, um sich in Israel niederzulassen. Und wenn man schon von historischer Schuld redet, dann möchte ich ganz sanft an die Mandatspolitik der Briten erinnern: Erst versprach man im November 1917 den Juden eine „Heimstatt“ (keinen Staat!) in Palästina, weil man sich davon die Unterstützung jüdischer Amerikaner versprach. Ab Februar 1940 ging es dann mit dem „Weißbuch“ rückwärts: Jetzt nahmen die Briten Rücksicht auf die Araber, die sie gegen Deutschland zu brauchen glaubten, untersagten Juden nicht nur den Landkauf, sondern vor allem den weiteren Zuzug, die just zu diesem Zeitpunkt eine Heimstatt besonders nötig hatten. Schiffe mit fliehenden Juden durften nicht landen. Eine Tragödie besonderer Art.

Auf heute bezogen: Man sollte kein Versprechen geben, das man nicht halten kann.

Was genau also meinte der Bundeskanzler, als er kürzlich in Dessau versicherte: „Jetzt gilt es, meine Damen und Herren. Jetzt muss sich zeigen, was ‚Nie wieder!‘ bedeutet. Jetzt müssen wir zeigen, was unser ‚Nie wieder!‘ bedeutet. Deshalb wird unser Staat jüdisches Leben überall und zu jeder Zeit schützen und verteidigen.“

Überall? Immer? Und womit? Mit einer Bundeswehr, die blank dasteht und im Übrigen für die Ukraine im Obligo ist? Mit einer Bundeswehr, in der die Bataillone der Buchstabenlobby darüber bestimmen, wann ein Generalmajor gehen muss? Markus Kurczyk soll einem ihm gut bekannten Soldaten im Rahmen einer Abschlussfeier zu den Invictus Games spontan einen Kuss auf die Wange und zwei leichte Schläge aufs Gesäß gegeben haben, ohne vorher dessen Einwilligung eingeholt zu haben. Vor einer solchen Truppe, in der das Führungspersonal jederzeit mit geradezu lächerlichen Vorwürfen zu Fall gebracht werden kann, muss sich wirklich niemand fürchten.

Irgendwie so etwas muss sich auch Bundespräsident Steinmeier gedacht haben, als er intonierte: Der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe und Bürgerpflicht zugleich. Nun ist der Schutz des Lebens seiner Bürger genuine Staatsaufgabe, was Steinmeier den staatlichen Organen offenbar nicht mehr zutraut. „Alle Menschen in unserem Land – also nicht nur deutsche Staatsbürger – sollten diese Pflicht annehmen.“ Ach! Jetzt wird es interessant. „Jeder, der hier lebt, muss Auschwitz kennen und die Verantwortung begreifen, die daraus für unser Land erwächst.“ Also Busfahrten nach Auschwitz für alle, die noch nicht so lange hier sind?

Ist das naiv oder berechnend, weil man es ja so lesen könnte, als wolle er nun alle ausweisen, die weder Auschwitz kennen noch irgendeine Verantwortung dafür übernehmen wollen? Seit Jahrzehnten wächst der Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung, sie bleiben unter sich, konsumieren arabische Medien, sprechen kein Deutsch und halten Israel für die Inkarnation des Teufels. Die dürften sich keine Sekunde verpflichtet fühlen, jüdisches Leben zu schützen, ganz im Gegenteil.

Lasset alle Hoffnung fahren. Es ist alles hohles Gerede. Ich würde mich freuen, wenn es nicht so wäre. Milde Gestimmte dürften einwenden, dass das Kind ja nun einmal in den Brunnen gefallen sei und man es kaum wieder herausholen könne, was also soll so ein armer Grüßaugust anderes sagen?

Vielleicht eine Weile mal gar nichts, bis klar ist, welche Taten den großen Reden denn folgen sollen – beziehungsweise auch nur folgen können. Viel wird das nicht sein. Und all jene, die auf unseren Straßen ihre israelfeindlichen Parolen brüllen, wissen das längst.