Tichys Einblick
Aus der misanthropischen Bewegung

Baerbock gegen Palmer: Ein Ausschlussverfahren, das heiter werden kann

Das Parteiausschlussverfahren der Grünen gegen ihren bekanntesten Oberbürgermeister Boris Palmer dürfte das ganze Ausmaß der misanthropischen Verbotskultur dieser Partei offenlegen. Die Wähler sehen dann, was sie erwartet, wenn die Bundesregierung noch woker und grüner wird als unter Merkel.

Boris Palmer

IMAGO / ULMER Pressebildagentur

Ich freue mich auf den künftigen Streit zwischen Boris Palmer und den Grünen, der sich mindestens bis zur Bundestagswahl hinziehen wird. Ich prophezeie mal – Wetten werden entgegengenommen! –, dass das von Palmers Landesverband beschlossene Parteiausschlussverfahren den von der Presse herbeigeschriebenen Höhenflug der Grünen schneller beenden könnte als gedacht. Denn dieser gewiss mit harten Bandagen ausgetragene Kampf wird die Frage am Köcheln halten, wieviel misanthropische Verbotskultur wir von einer noch grüneren Regierung als der Merkels erwarten dürfen. Und was das betrifft, sollte man sich nicht auf eine besonders woke Empfindlichkeit einer substanziellen Wählergruppe verlassen, die im Zweifelsfall jetzt erst recht gegen den grünen Anstand verstoßen wird. 

Viele der wahlentscheidenden Älteren, einst durch die Harald-Schmidt-Show gestählt, sind diese ganze dünnlippige Anstandsdämlichkeit gründlich leid. Auch, weil er (und sie!) mittlerweile weiß, dass man gegen die Behauptung vom „systemischen Rassismus“ schlicht und ergreifend nicht anstinken kann. Wenn die Weißen eh nichts gegen ihren Rassismus tun können und es noch nicht einmal hilft, wenn sie sich auf den Knien rutschend zu dieser Sünde bekennen und Besserung schwören, ist es im Grunde egal, was sie sagen. Und eigentlich hätte es allen, übrigens vorneweg Boris Palmer, ebenso egal sein können, was sich zwei Fußballer gegenseitig einschenken. Das ist Kindergarten.

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„Quotenschwarzer“ hat ein Ex-Torhüter namens Jens Lehmann (in einer privaten Nachricht) einen Ex-Kicker namens Dennis Aogo genannt? Hat nicht der Berliner Senat monatelang über die Einführung einer Migrantenquote im öffentlichen Dienst diskutiert? Aogo aber glaubte einen Spielvorteil zu haben, als er diese ungeheuerliche Schmähung öffentlich machte, gab ihn jedoch sogleich aus der Hand, indem er einem Fußballverein „Trainieren bis zum Vergasen“ ankreidete. 

Sicher, sowas sagte man früher, ohne dabei an den Holocaust zu denken und womöglich nicht einmal an den Gaseinsatz im Ersten Weltkrieg. Sondern an das, was Chemiestudenten meinten, wenn sie glaubten, „bis zum Vergasen“, also zuviel pauken zu müssen – sie verstanden darunter das, was im Vergaser eines Verbrennungsmotors passiert: der Wechsel von einem Aggregatzustand (flüssig) in einen anderen (gasförmig). 

(Disclaimer: Ich kenne diesen Ausdruck aus meiner Jugend und benutze ihn nicht, weil man unweigerlich an das eine denkt. Aber vielleicht dachte Aogo eben nicht an das eine?) 

Boris Palmer nun verteidigte beide bösen Buben. Gut so, denn im Zweifelsfall haben sich unsere woken Medien weit mehr über diesen Kindergartenstreit aufgeregt als etwa der mit dem Qu- und Schw-Wort Verunzierte selbst. Übrigens: Man liest öfter, es sei in Wirklichkeit nicht das Schw-, sondern das N-Wort gewesen, und das ist natürlich weit schlimmer. (Wer immer noch nicht weiß, worum es geht, erhält bei der Welt sensible Aufklärung: „Mit dem Begriff N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.“ Nicht nur in Deutschland, liebes Qualitätsmedium. Sogar John Lennon sang es, Schande seiner Asche.)

Doch dann schickte Boris seiner Verteidigung der beiden des Rassismus und Antisemitismus schuldig gesprochenen und deshalb entlassenen Jens Lehmann und Dennis Aogo etwas hinterher, worauf er besser verzichtet hätte. Und jetzt wird’s noch ein wenig komplizierter, liebe Leser: Er kombinierte das rassistische N-Wort mit dem sexistischen Schw…Wort, das in diesem Kontext ein gewisses Körperteil bezeichnet – und bezog sich damit auf eine eher dubiose Quelle, derzufolge Aogo diese Kombi einst in Form eines freundlichen Angebots an eine Frau eingesetzt habe. (Verstanden?) Er habe das ironisch gemeint, verteidigt Boris sich – ja klar, wie auch sonst? 

Egal: Bum Bum Boris!

Damit ist es passiert. Palmer, Tübingens erfolgreicher Oberbürgermeister, der in der Coronakrise pragmatisch statt ideologisch gehandelt hat, muss nun auf Baerbocks politische Unterstützung verzichten, denn „das Ganze reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen.“

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Womöglich hat sie dabei an Palmers Kritik an einer Werbekampagne der Deutschen Bahn von 2019 gedacht. Die zeigte auf bunten Plakaten glückliche Menschen, weit überwiegend mit nichtweißer Hautfarbe. Palmers „provokante“ Frage: „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“ Die Deutsche Bahn verteidigte sich damit, dass ihre Werbeikonen „repräsentativ“ seien. Das aber waren sie genau nicht: Die deutsche Bevölkerung ist weit mehrheitlich weiß und vor allem sind die wenigsten so prominent wie die Abgebildeten. Die Werbekampagne zeigte, was man sich bei der Deutschen Bahn wünscht – nicht das, was ist. 

Und genau das nervt nicht nur Boris Palmer. Wer eigentlich gutwilligen Menschen permanent mit dem Generalverdacht mangelnder Toleranz oder gar des „systemischen Rassismus“ kommt, läutert sie nicht, ganz im Gegenteil – es macht sie lediglich widerspenstig. Die Mücke, zum Elefanten aufgeblasen, platzt irgendwann. Schon jetzt lacht ganz Deutschland – jedenfalls alle, die noch normal im Kopf sind. 

Wie gesagt: Ich freue mich auf Palmer gegen Baerbock. Vielleicht wird das ja doch noch ein heiterer Wahlkampf.