Tichys Einblick
In NS-Deutschland 100/80/40

Mit Tempo 60 auf der frauenfeindlichen Autobahn

Für die Attacke aufs Auto und die dazugehörige Industrie ist kein Argument abwegig genug. Die Autobahn spielt dabei eine ganz besondere Rolle.

Autobahn A7 bei Hannover im Januar 1985

IMAGO / Rust

Autobahnen gewinnen keinen Schönheitswettbewerb. Sie zerschneiden Landschaften, versiegeln den Boden, sind vor allem in Deutschland krumm und buckelig. Ihnen werden Hambis und Bambis geopfert, ganz zu schweigen von all den Menschenopfern dank schwerer Unfälle. Gibt es etwas Schlimmeres als eine Autobahn mit freier Fahrt für freie Bürger?

Gut, die Zahl der Verkehrstoten nimmt immer weiter ab. Und gefährlicher als eine Autobahn kann schon mal eine idyllische Landstraße sein. Aber der Lärm! Die Luftverpestung! Das Klima! Und ist das nicht eigentlich völlig widernatürlich, die schnelle Fortbewegung? 

Wie sagte noch Mylord zu seinem Chauffeur: „Johann, wie schnell fahren wir?“ „30 Stundenkilometer, der Herr.“ „Fahren Sie 31, ich möchte dem Tod ins Auge sehen.“ Ok, ein Witz vergangener Tage. Doch für die Attacke aufs Auto ist kein Argument blöd genug. Und für die Attacke auf Deutschlands einst mächtige Autoindustrie erst recht nicht. Im Grunde soll das Autofahren abgeschafft werden, wie der Chef der Deutschen Umwelthilfe 2018 offenbarte: „Diesel-Fahrverbote bieten die Chance, jetzt die kollektiven Verkehre auszubauen und zu stärken”.

Umstieg auf Elektroautos? Das ist reines Augenpulver, denn dafür gibt es nicht genug Strom, wie sich jeder ausrechnen kann. Wie also die Deutschen „kollektiven Verkehren“ zuführen, wenn die Bahn sich derzeit gründlich blamiert und nicht jedes Kuhdorf eine Bushaltestelle hat?

Nun, dann muss man eben ein paar Umwege gehen. Die Erhöhung des Benzinpreises ist ein Schritt in die richtige Richtung, zweifellos. Aber da geht noch mehr – und siehe da: die Wissenschaft hilft gerne aus.

Da gibt es etwa einen klimasensiblen „Mobilitätsprofessor“ namens Vincent Kaufmann, der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne forscht und lehrt – und der hat „Lösungen“, wie man eine Überlastung des Schienenverkehrs und Staus auf den Straßen verhindert. Das Straßennetz ausbauen? „Auf keinen Fall! Das würde zu neuen Verkehrsströmen führen. Es ist bekannt, dass ein Teil des Verkehrs verschwindet, wenn man die Kapazität eines Straßenabschnitts reduziert. Mein Vorschlag wäre, die Geschwindigkeiten auf den Autobahnen zu senken.

Geniale Lösung! Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 oder 100 Stundenkilometer? Nein. Der Experte schlägt vor, die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h zu reduzieren. „Damit könnten wir den Verkehr flüssiger machen. Und die Menschen dazu bringen, in ihrem Alltag weniger weit zu fahren – etwa zur Arbeit. Wenn wir heute wirklich schnell sein wollen, müssen wir uns nur in den Computer einloggen, um in die Ferne zu kommunizieren.“ Homeoffice also. Pech für alle Werktätigen, die nicht lediglich am Computer arbeiten. 

Ich sag‘s ja: „die” Wissenschaft. Immer hilfreich. So auch ein anderer Meisterdenker, der Soziologe Conrad Kunze von der FU Berlin, ebenfalls Kämpfer für „Klimagerechtigkeit”. Er hat das ultimative Argument gegen Autobahnen: sie sind voll Nazi. Nun hat zwar nicht Hitler die erste Autobahn bauen lassen, sondern der unverdächtige Konrad Adenauer hat im August 1932 die heutige A 555 eröffnet. Das unterschlägt der Wissenschaftler, denn sein Punkt ist ein ganz anderer: Hitler „machte vor allem Männern mit der Autobahn ein emotionales Angebot, sich wieder stark und mächtig zu fühlen“ – zumal die weiße Reichsautobahn auch noch extrem gut ausgesehen habe. „Der Automobilismus war Hitlers Antwort auf die beschworene Krise der Männlichkeit.“ Das Auto war also frauenfeindlich! Schon die italienischen Futuristen wollten die „Geschwindigkeit besingen und die Frau verachten“. Die verachteten Frauen fanden allerdings schnell ebenso Geschmack an Schnelligkeit und Mobilität: das Auto bedeutete ihnen individuelle Freiheit. 

Schlimm genug. Schlimmer noch: man hat in der Nachkriegszeit vergessen, die Autobahnen zu entnazifizieren. Ob man vielleicht über ihnen ein Weihrauchfässchen schwenken sollte, um den Teufel auszutreiben? Nun, Conrad Kunze hat eine bessere Lösung parat: da es auf der Reichsautobahn keine Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben habe, müsse man sie jetzt einführen. Mit 120 Stundenkilometern scheint dann die historische Schuld abgegolten. 

Das kommt mir ein wenig milde vor angesichts des Vorschlags des Kollegen Vincent Kaufmann. Mit 60 km/h wäre gewiss eine gründlichere Entnazifizierung zu erreichen!

Vor allem ist unserem Experten offenbar entgangen, dass Hitler selbst bereits mit der Entnazifizierung der Autobahn begonnen hatte. Bei der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung in Berlin im Februar 1939 wetterte er gegen die „Wahnsinnsraserei“. Die Reichsautobahnen seien nicht für 120 oder 140 Kilometer „Spitzenschnelligkeit“ gebaut, sondern für – sagen wir: „80 Kilometer Durchschnitt“. Außerdem müsse man Ressourcen schonen, also an Reifen und Brennstoff sparen.  Und so verfügte noch im gleichen Jahr die Reichsregierung ein Tempolimit von 100 km/h.

Hitler war also weit radikaler in Sachen Tempolimit als unsere heutigen „Wissenschaftler“. Aber egal: das Naziargument zieht halt immer. Dahinter verbirgt sich, wie bei all den Klimagerechten, der unverhohlene Wunsch, die Mobilität der Bürger einzuschränken. Sollen sie doch zuhause bleiben, wenn sie sich den Sprit nicht mehr leisten können! Am besten in ungeheizten und bereits Schimmel ansetzenden Gehäusen. Dann ist die Entnazifizierung perfekt.