Tichys Einblick
Deutsche Medien für Haltungsjustiz

Zur Nominierung von Amy Coney Barrett zum Supreme Court

Das Trommelfeuer deutscher Medien gegen Barretts Position lässt nur einen Schluss zu: Im linken Bewusstsein hat Justiz nichts mit Recht und Gesetz zu tun, sondern mit politischer Haltung.

imago Images/MediaPunch
Meldungen von Medien sagen oftmals mehr über die Gedankenwelt der Schreibenden aus, als sie vielleicht auf den ersten Blick verraten sollen. Ein Musterbeispiel dafür liefert gegenwärtig die Berichtserstattung über die Nominierung der Juristin Amy Coney Barrett zum Supreme Court der USA.
Der Hintergrund

Die langjährige Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg verstarb am 18. September 2020. Damit wurde ein Sitz in der auf Lebenszeit gewählten Richterschaft des obersten US-Gerichts frei. US-Präsident Donald Trump ließ wissen, er wolle die Nachbesetzung kurzfristig vornehmen, schlug deshalb dem US-Senat, der die Bestellung mit einfacher Mehrheit bestätigen muss, die anerkannte Juristin vor.

Dagegen nun laufen die US-Demokraten, die im Senat über keine Mehrheit verfügen, Sturm – und werden dabei kräftig unterstützt von den linken Medien der Bundesrepublik. Denn sowohl die US-Politiker, die darauf setzen, dass Joe Biden den ungeliebten Trump bei den Wahlen am 3. November ablöst, als auch die Medien betrachten Justiz nicht mehr als eine objektive Instanz der Rechtsprechung, sondern als Exekutivorgan gegen das, was ihrer Meinung nach „rechts“ ist. Damit wird Justiz zu einem Instrument des politischen Kampfes – im Zweifel losgelöst vom Recht.

Wie tief diese Auffassung der Ideologisierung der Justiz sich in deutschen Köpfen festgesetzt hat, dokumentieren nun anlässlich der Senatsanhörung der Juristin die deutschen Medien. Beispielhaft sei dieses an einer Meldung der ARD-Redaktion aufgezeigt, die sich inhaltsgleich oder inhaltsähnlich in zahlreichen anderen Medien ebenfalls findet.

ARD: Haltung vor Recht

Im ARD-Text vom 14.Oktober (11.07 Uhr, p114) ist folgendes zu lesen: „Die Kandidatin von US-Präsident Trump für den Supreme Court, Barrett, hat bei ihrer Anhörung im Senat keine Stellung zu zentralen Fragen wie Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Ehe genommen. Die konservative Juristin weigerte sich, ihre Position zu vorherigen Entscheidungen des Obersten Gerichts zu diesen Themen offenzulegen. Trump und die Republikaner im Senat wollen Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen Richterin Ginsburg noch vor der Präsidentenwahl am 3. November ins Oberste Gericht bringen.“

Was bedeutet diese Darstellung?

Die ARD behauptet, Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe seien „zentrale Themen“. Einen Beleg für diese Behauptung führt die ARD-Redaktion nicht an. Dabei ist festzuhalten:

• Abtreibung ist die legalisierte Tötung eines Menschen, denn der abgetriebene Fötus hat seit seiner ersten Zellteilung alle Voraussetzungen, aus dem befruchteten Ei einen eigenverantwortlichen Menschen werden zu lassen. Abtreibung ist und bleibt insofern ein verfassungsrechtlich nicht zulässiger Verstoß gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. Es sei denn, unser Grundgesetz würde das Menschsein erst mit der Geburt beginnen lassen und dem noch nicht geborenen Menschen den grundgesetzlichen Anspruch auf eine eigene Würde absprechen. Die Drei-Monats-Regel ist bewusste Willkür, die sich biologisch und ethisch nicht begründen lässt. Die Zulassung von Abtreibungen ist insofern legaler Mord, der das Selbstbestimmungsrecht der Mutter über das Lebensrecht des Kindes setzt – mit letaler Folge für das Opfer.
• Die gleichgeschlechtliche Ehe hat mit dem biblischen und dem biologischen Ehe-Zustand nichts zu tun. Ehe wird als Gemeinschaft von Mann und Frau definiert, die maßgeblich dem Zweck dient, gemeinsame Kinder großzuziehen. Dazu ist die sogenannte gleichgeschlechtliche Ehe auch dann nicht in der Lage, wenn die Partner Kinder adoptieren oder sich künstlich befruchten lassen. Die politische Entscheidung, die Lebenspartnerschaft von Homosexuellen – gegen die juristisch nichts einzuwenden ist – mit der Ehe gleichzustellen, ist ein spezifisches Minderheitenrecht, welches die klassische Ehe-Definition auf Betreiben eines Minderheitenanspruchs vorsätzlich außer Kraft setzt, um einem Nicht-Ehe-Zustand dieselben Privilegien wie der klassischen Ehe zuzuweisen.

Beide Themen sind unabhängig von ihrem aktuellen Gesetzescharakter juristisch höchst fragwürdig – um in der klassischen Links-Speech zu bleiben: umstritten. Das gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber aus für ihn höherrangigen Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen ist, das Entscheidungsrecht der Mutter über das Lebensrecht des Fötus zu stellen oder den kleinbürgerlichen Wunsch Homosexueller, ihre Partnerschaft als „Ehe“ bezeichnen zu können, zu befriedigen.

Wenn die ARD-Redaktion nun von „zentralen Themen“ spricht, belegt sie damit, dass für sie beide umstrittenen Rechtsinhalte von überragender und vorrangiger Bedeutung sind. Ob diese Bedeutung jedoch tatsächlich für eine Mehrheit der Bevölkerung eine ebensolche Relevanz und Priorität hat, ergibt sich aus dieser Sonderstellung selbst dann nicht, wenn es einer Bevölkerungsmehrheit im Wesentlichen egal sein sollte, ob das Entscheidungsrecht der Mutter über das Lebensrecht des Kindes gestellt wird oder ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich einen Ehe-gleichen Status erhalten. Die Redaktion unternimmt daher den Versuch, eine spezifische, umstrittene politische Position zur gesellschaftlichen Norm zu erklären. Das ist einem einzelnen Individuum jederzeit unbenommen – jedoch entspricht es nicht dem Auftrag der zwangsfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Medien.

Haltungsjustiz statt Unabhängigkeit

Neben dieser grundsätzlichen Positionierung einer Redaktion, die den Staatsauftrag objektiver Berichterstattung mit solchen Behauptungen bereits verlassen hat, ist es jedoch vor allem der anschließend behauptete Anspruch, Barrett müsse ihre Position zu solchen Fragen „offenlegen“.

Das müsste sie nur dann, wenn der gesellschaftliche Konsens von einer politischen Justiz auszugehen hätte. Tatsächlich aber muss ein Richter, der seinem Anspruch gerecht werden will, seine Entscheidungen nach der jeweiligen Sachlage auf den Grundlagen des geltenden Rechts treffen. Genau dieses betonte Barrett – auch unter Bezugnahme auf Ginsburg – in ihrer Anhörung.

Barrett wies darauf hin, dass es ihre Aufgabe als Richter sei, nach den vom Gesetzgeber – also der Legislative – verfassten Gesetzen zu urteilen. Wird der Supreme Court mit einer Situation befasst, so haben die Richter demnach auf der Grundlage bestehenden Rechts zu urteilen – nicht auf Grundlage persönlicher Auffassungen. Die Juristin, die durchgängig als „konservativ“ beschrieben wird – in systemüberwindender Sprache die erste Stufe auf der nach rechts offenen Skala der Ausgrenzung – , unterstrich daher: „Ich bin unabhängig. Meine persönlichen Ansichten haben nichts damit zu tun, wie ich Fälle entscheiden könnte.“ Sie werde die Verfassung und die Gesetze so interpretieren, wie sie geschrieben sind, unterstrich Barett auf wiederholte Versuche der Demokraten, ihr Haltungsaussagen zu früheren Entscheidungen der Supreme Courts abzuzwingen.

Deutschlands Weg in die Willkürjustiz

Diese Unabhängigkeit, die in einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung zwingende Voraussetzung für ein Richteramt sein muss, soll den Staat nicht in die Gefahr der Willkürjustiz geraten lassen. Genau das aber ist es, was den Demokraten und den deutschen Linken nicht gefällt. Sie erwarten, dass ein Jurist bereits vor der konkreten Befassung mit einer Rechtsfrage eine unzweideutige, haltungsbedingte Position einnimmt – also in seinem Richteramt nicht als Jurist, sondern als politischer Agitator fungiert.

Das Trommelfeuer deutscher Medien gegen Barretts Position lässt daher nur einen Schluss zu: Im linken Bewusstsein hat Justiz nichts mit Recht und Gesetz zu tun, sondern mit politischer Haltung. Wenn dann noch umstrittene Themen gleichsam zu Kernelementen möglicher Haltungspräsentation stilisiert werden, kann dieses nur bedeuten, dass deren Protagonisten selbst wissen, dass die von ihnen präferierten Inhalte fragwürdig sind. Denn wären sie dieses nicht, wären sie nicht umstritten. Wären sie nicht umstritten, müsste niemand darum fürchten, dass sie möglicherweise revidiert werden könnten, wenn ein objektives Gericht mit ihnen befasst wird.

Insofern liegt es auf der Hand: Für die Demokraten und deren deutsche Unterstützer geht es nicht um Recht, sondern um das Durchsetzen und dauerhafte Absichern von politischen Zielen, die für sie maßgeblich sind auf dem Weg der Umformung der bürgerlich-liberalen Gesellschaft in eine Minderheitendiktatur.

Früher sprach man in solchen Situationen von Klassenjustiz – einer „Rechtsprechung“, die sich nicht an Recht und Gesetz hält, sondern politische Auffassungen durchzusetzen hat. Jene, die nun gegen Barrett und deren Objektivitäts- und Unabhängigkeitsanspruch trommeln, belegen damit eindrucksvoll, dass sie überzeugte Vertreter einer neuen Form von Klassenjustiz sind. Womit sie – nüchtern betrachtet – nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Zumindest nicht auf dem, den das geschriebene Wort dieses Gesetzes beschreibt – sondern bestenfalls auf einer spezifisch-politischen, haltungsbedingten Interpretation desselben.

Anzeige