Tichys Einblick
FBI-Chef James Comey setzte den Startschuss

Trump – Rücktritt oder Impeachment?

Der Auftritt des FBI-Chefs James Comey hat dafür die öffentliche Basis gelegt. Die Impeacher verfügen über ein Bündel an möglichen Begründungen, die der Präsident selbst geliefert hat.

Vice president Mike Pence, President Donald Trump, and Secretary of State, retired United States Marine Corps general James Mattis

© Drew Angerer/Getty Images

Wer in den USA seine Ohren hinter die Fassaden der öffentlichen Politik steckt, dem rauscht dort immer häufiger ein Wort in den Gehörgang, welches den Deutschen im ersten Moment an einen Pfirsich erinnert und dennoch mit diesem geschmackvollen Kernobst so überhaupt nichts zu tun hat: Impeachment.

Impeachment – das ist ein US-amerikanisches Instrument, welches die Verfassung für den Fall vorgesehen hat, dass die Demokratie sich vor sich selbst retten muss. Impeachment bedeutet auf deutsch „Amtsenthebungsverfahren“. Es kann in den USA das Instrument sein, mit dem ein gewählter Präsident aus dem Amt gejagt wird.

Keine willkürliche Absetzung

Nun hat die US-amerikanische Demokratie allerdings dafür Vorsorge getragen, dass hier nicht willkürlich zufällige Mehrheiten den vom Volk gewünschten Chef im Weiße Haus ohne erhebliche Gründe zu ersetzen suchen. Um ein Impeachment in die Wege zu leiten, sind dem abzusetzenden Präsidenten in ihrer Tragweite bedeutende, kriminelle Verfehlungen vorzuhalten und nachzuweisen. So reichte bei Bill Clinton der erotische Umgang mit einer Praktikantin nicht aus – erst der Vorwurf des darauf folgenden Meineids und der Behinderung der Justiz ermöglichten 1999 die Einleitung eines solchen Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten aus der mittelwestlichen Provinz. Das Verfahren kam dennoch damals nicht voran – Clinton blieb bei einem Abstimmungs-Patt im Amt.

Das könnte bei Donald Trump anders aussehen. Die Ursachen dafür sind vielfältig.

Vorauszuschicken ist, dass die politische Klasse der Republicans zwar lautstark den Sieg der Konservativen über die ungeliebte Hillary Clinton feierte – aber dennoch an der Erkenntnis nicht vorbei kam, dass Trump die GOP letztlich gekapert hatte, um sein eigenes, nur wenig republikanisches Ding zu machen. Die Parteispitzen von Washington/DC bis zum Staat Washington an der Westküste fremdeln mit dem Eindringling. Vor allem jene, die seit der Erkenntnis der späten 40er, dass die USA den Rest der Welt nicht dem selbstverantworteten Chaos überlassen dürfen, eine enge Bindung an die Westeuropäer und die Ostasiaten haben und von denen darüber hinaus Wirtschaftsprotektionismus als Todsünde wider die calvinistischen Marktmechanismen verstanden wird, sehen ihre USA vor die Hunde gehen.

Auch absurde Szenarien wurden gedacht

Überlegungen, wie man den ungeliebten Präsidenten loswerden könnte, gibt es daher in republikanischen Kreisen bereits seit Trumps unerwartetem Durchmarsch. Das Dilemma: Zwar will man keinen Trump – aber die Macht im Weißen Haus soll auf jeden Fall gewährleistet bleiben. Auch ist man in Kreisen der Republicans weder über Michael Pence noch über die Ministerriege unglücklich, mit der Trump das verkrustete Establishment der Demokraten durcheinander gewirbelt hat. Und so träumen immer mehr Republikaner heimlich davon, dass Trump seinen Stuhl verlassen wird und der Vize Pence als Nachrücker eine etablierte, konservative Politik verwirklicht.

Einige wollten nun auf das Alter des frisch Gewählten vertrauen und hofften ansonsten darauf, dass der Immobilienmogul sein Wahlkampfgetöse im Weißen Haus in der Schublade verschwinden lassen würde. Letzteres allerdings erwies sich als Irrtum – und die Hoffnung auf einen natürlichen Abgang hat weder eine Deadline noch wäre sie angesichts der Unwägbarkeiten menschlicher Altersprozesse steuerbar.

Die sarkastisch mit Blick auf die radikalen Qualitäten US-amerikanischer Geschichte theoretisch angedachte Radikallösung eines am Ende nicht aufzuklärenden Attentats auf den Präsidenten ist tatsächlich nichts anderes als schlechte Phantasie. Und so bleibt auf Grundlage der US-Verfassung nur ein Impeachment, welches sich gezielt und ausschließlich gegen Trump richtet.

Trumps „Verbrechen“

Genau ein solches Verfahren wird derzeit vorbereitet. Trump muss dafür jedoch eines der folgenden „Verbrechen“ nachgewiesen werden:

  • Landesverrat, Konspiration mit einer fremden Macht zum Schaden der USA
  • Bestechung oder Bestechlichkeit
  • Meineid, Falschaussage

Genau  an diesen Begründungen wird derzeit fieberhaft gearbeitet. Und dabei gleich an einem Gesamtpaket.

Der Auftritt des FBI-Chefs James Comey hat dafür nun die öffentliche Basis gelegt. Sie nutzt die Unberechenbarkeit und Selbstüberschätzung des neuen Präsidenten, der nicht nur mit seinem Getwitter das Gewitter über seinem Haupt selbst beschworen hat.

Die Impeacher verfügen dank Trump über ein Bündel an möglichen Begründungen, um den Unberechenbaren aus dem Amt zu jagen:

  • Die Hacker-Attacken aus Russland zu Lasten der Democrats einschließlich der Veröffentlichung über Wikileaks erfüllen nach US-Recht letztlich den Tatbestand eines kriegerischen Angriffs auf die USA dann, wenn eine Verwicklung der russischen Administration in die Vorgänge nachweisbar ist. Unabhängig davon werden sie als Sabotage-Akte und Angriff auf die US-Demokratie gewertet. Sollte nun, wie von Comey angedeutet, nachweisbar sein, dass Personen aus dem Trump-Team während des Wahlkampfs mit russischen Verantwortlichen konspiriert haben und die Angriffe auf Clinton in irgendeinem Zusammenhang damit stehen, so wird sich Trump kaum aus dieser Schlinge ziehen können. Der Vorwurf des Landesverrats und der Konspiration gegen die USA wäre derart schwerwiegend, dass Trump, um der totalen Vernichtung zuvorzukommen, von sich aus sein Amt räumen müsste. Pence müsste übernehmen, würde die Extremisten wie Stephen Bannon aus dem präsidialen Umfeld entfernen und eine gemäßigt konservative Politik im Sinne des republikanischen Establishments umsetzen. Bei der Wiederwahl könnte er als alleiniger Spitzenkandidat der Republicans antreten – und die Herrschaft der Konservativen um eine weitere Amtsperiode verlängern.
  • Sollten aus Russland Gelder in den Trump-Wahlkampf geflossen sein, wäre damit die Bestechlichkeit Trumps nachzuweisen – strafverschärfend dadurch, dass angesichts der internationalen Situation Russland als Feindesland wahrgenommen wird und auch in diesem Falle Konspiration und Landesverrat im Raum stünde.
  • Die Attacken gegen seinen Vorgänger Barack Obama und vor allem das Beharren darauf, obgleich alle zuständigen Organe die Abhör-Vorwürfe in Abrede stellen, könnte sich angesichts der Tragweite und dem daraus resultierenden Angriff auf die Integrität seines Vorgängers für Trump zum politischen Selbstmordanschlag entwickeln. Wer nicht nur die Person des ausgeschiedenen Präsidenten mit einer offensichtlichen Falschbehauptung attackiert, sondern damit auch die Institution des Präsidentenamtes und der Justiz vorsätzlich in Misskredit bringt und beschädigt, ist nach amerikanischem Demokratie- und Rechtsverständnis untragbar. Rudert Trump nicht schnellstens zurück, wird sein Vorwurf zur Selbstvernichtung.
  • Comey hat mit der öffentlich inszenierten Attacke gegen Trump etwas fast Undenkbares gewagt. Es ist nicht üblich, dass sich die Chefs von Bundespolizei und Geheimdiensten im Zuge laufender, noch nicht abgeschlossener Ermittlungen derart eindeutig positionieren (lassen). Dahinter könnte auch die Überlegung stehen, den ungeliebten Trump in seiner Impulsivität derart zu reizen, dass er sich zu weiteren Boomerang-Würfen verleiten lässt. Nach seinen im Sinne der Gewaltenteilung bereits mehr als fragwürdigen Angriffen gegen die Unabhängigkeit der Justiz könnte nun eine weitere, noch schärfere Attacke auf die Justizorgane folgen. Spätestens ein Versuch Trumps, Comey abzulösen, würde derzeit den Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllen. Dem ungeliebten Präsidenten sind in Sachen FBI-Ermittlungen faktisch die Hände gebunden. Versucht er in seiner bekannten Manier, die von ihm erkannte Ursache des Übels zu beseitigen, liefert er sich zwangsläufig selbst an das Messer des Impeachments.

Die Demokraten als Hilfstruppe des Dream-Teams

Dass ein mit einem oder mehreren der möglichen Vorwürfe begründetes Impeachment-Verfahren erfolgreich wäre, davon sind führende Republicans überzeugt. Bei den Democrats setzen sie eine annähernd hundertprozentige Unterstützung voraus. Im politischen Geschäft der USA wäre diese Zustimmung beispielsweise durch weitgehende Zugeständnisse in Sachen Obama-Care zu flankieren. Weshalb der geneigte Zuschauer nun auch nachvollziehen kann, weshalb die entsprechenden Initiativen Trumps hier laut hörbar auf der Stelle treten: Die Republicans halten sich Verhandlungsmasse offen.

In den Reihen der Republikaner selbst wäre ein Team aus Pence, Paul Ryan und Milt Romney die ideale Kombination, um ohne den unberechenbaren Donald Trump konservative, amerikanische Politik in die Tat umzusetzen und die aus ihrer Sicht als Irrwege erkannten Fehlentwicklungen der Politik der Democrats zu korrigieren. Den Kahlschlag, den Trump insbesondere in den außenpolitischen Beziehungen bereits produziert hat, würden sie nutzen, um das „America First“ in geordnete Bahnen zu lenken. Die Frontlinie der Republikaner stünde in diesem Falle dennoch unverrückbar fest: Kanada und Mexiko bleiben Nachbarn, mit denen man letztlich zusammenarbeiten muss. Europa ist angesichts der globalen Bezüge ebenso notwendig wie die ostasiatischen Partner. Eine Konfrontation mit China bleibt zu vermeiden, wenn gleichwohl die kommandowirtschaftlichen Aspekte Pekinger Politik ebenso wie deren Expansionismus im Chinesischen Meer auf der Agenda der US-Politik verbleiben werden. Der von Obama beförderte Wiederaufstieg eines imperialen Russlands beleibt für die USA das Problem Nummer Eins.

Am Besten: Trump geht freiwillig

Fassen wir die Aspekte zusammen, so deutet vieles darauf hin, dass die Tage Trumps gezählt sein könnten. Der FBI-Vorstoß war gleichsam der offizielle Startschuss zur Eröffnung eines Impeachments. Die Fülle der unterschiedlichen Möglichkeiten, dem Präsidenten den einen oder anderen – oder am besten gleich mehrere – Verstöße gegen die amerikanischen Regeln nachzuweisen, könnte dazu führen, Trump vor die Alternative zu stellen, entweder in Ehren – beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen – aus dem Amt zu scheiden und den Staffelstab ohne den Gang aufs politische Schafott an Pence zu übergeben, oder aber über ein Impeachment-Verfahren öffentlich politisch hingerichtet zu werden.

Wobei ein Problem der künftigen Administration vorerst ungelöst bliebe. Teile der Anhängerschaft Trumps haben sich mittlerweile derart auf den New Yorker fixiert, dass dieser fast schon messianische Züge annimmt. Diese Bevölkerungsteile mitzunehmen, wird bei einer öffentlichen politischen Hinrichtung des Präsidenten schwer möglich sein selbst dann, wenn Trumps Anti-Obama-Care-Initiative bei dann doch erfolgter Durchsetzung seiner eigenen Wählerschaft die Krankenversorgung wegnimmt. Insofern laufen hinter den Kulissen die Drähte heiß – und ihr Ziel lautet: Trump zum freiwilligen Rückzug zu bewegen, bevor noch mehr Porzellan zerschlagen ist. Er könnte sich dann immer noch in dem Gefühl sonnen, es allen gezeigt zu haben – was sein Ego nachhaltig streicheln würde.

Die Ultima ratio des Impeachments wird dabei gleichwohl zum Schwert, das längst schon über dem Haupt des Präsidenten schwebt – das aber, wenn irgend möglich, nicht zum Einsatz kommen soll.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das Kalkül der politischen Klasse der Republikaner aufgeht – und ob das FBI seine Vorwürfe derart verdichten kann, dass notfalls auch eine unvermeidbare Absetzung Trumps zum Selbstgänger wird.