Tichys Einblick
144.307.600.000 Euro Gold

Trump und die aktuelle Gier nach Gold

Holt sich Donald Trump jene im Raum stehenden rund 300 Milliarden „NATO-Schulden“ durch Pfändung des Goldes der Bundesrepublik nach einem entsprechenden Gerichtsurteil in den USA?

© Karen Bleier/AFP/Getty Images

Deutschland ist ein reiches Land. Zumindest dann, wenn es um seine Goldreserve geht. Obgleich – genau genommen besitzt Deutschland diese Reserven nicht. Jedenfalls nicht so richtig und nicht komplett. Doch davon später. Blicken wir zuerst auf das edle Metall, das seit je als krisenfeste Ersatzwährung gilt.

3.377.987,8452 Kilogramm beziehungsweise 108.604.149,660 Feinunzen dieses Goldes lagen am 31. Dezember 2016 als deutsches Eigentum in den Tresoren. Über neuere Zahlen verfügt die Deutsche Bundesbank nicht, und rundet deshalb auf 3.378 t Gold auf.

Am vergangenen Sonnabend, kurz vor 22 Uhr, notierte der Goldpreis an der Frankfurter Börse mit 1.254,72 Dollar je Unze. Der Dollar wiederum lag bei 1,059 Euro. Womit wir bei einem Buchwert in Höhe von rund 144.307.600.000 Euro liegen. Das klingt nach immens viel – doch um es einzuordnen, hilft ein Blick auf den Bundeshaushalt. Der sieht für das laufende Haushaltsjahr Ausgaben in Höhe von knapp 330 Milliarden Euro vor. Mathematisch also könnte Deutschland mit seinem Gold für den Fall, dass alle Einnahmen wegbrächen, 157 Tage überleben. Ein solcher Fall allerdings wird kaum jemals eintreten, denn sollte dieses notwendig werden, befände sich die Welt in einer Katastrophe biblischen Ausmaßes – und dann würde das Gold auch nichts mehr retten.

Dennoch stellt ein solcher Berg Geld natürlich für die Politiker, von denen die meisten Meister im Ausgeben und nur die Wenigsten wenigstens Gesellen im Sparen sind, eine ständige Verlockung dar. Deshalb hat die Bundesrepublik etwas insgesamt sehr Schlaues gemacht: Das Gold ist dem Zugriff von Politik und Regierungen entzogen, befindet sich im Eigentum der Bundesbank. Das Grundkapital dieser Bundesbank – daher der Name – steht zwar laut §2 des Bundesbankgesetzes dem Bund zu, doch sind, darauf legt Bundesbank-Sprecher Moritz Raasch großen Wert, „Weisungen der Bundesregierung ausgeschlossen“.

Die Heimholung des Schatzes – heute nur noch „Target“

Tatsächlich – auch das steht im Bundesbankgesetz – ist die Bank bei der Verwaltung der Währungsreserven unabhängig. Und da Gold als Währungsreserve gilt, können weder Regierung noch Parlament der Bundesbank hinsichtlich der Goldreserven in die Tasche greifen. Was jedoch politische Einflussnahme nicht ausschließt. So kam es in der jüngeren Vergangenheit zu politischen Debatten insbesondere darüber, wo dieses Gold zu lagern sei. Denn der überwiegende Teil des Reichtums befand sich außerhalb der Republik. Die Bundesbank gab dem politischen Druck nach und verlagerte Teile des auswärtigen Edelmetalls nach Deutschland. Wohlbemerkt: Verlagerte. Denn auch darauf legt die Bundesbank Wert: Das deutsche Gold ist niemals aus Deutschland ins Ausland verlagert worden – es wurde vielmehr dort angeschafft und der Einfachheit halber dort belassen.

Es stammt aus der goldenen Zeit, in der Handelsüberschüsse noch mit Gold ausgeglichen wurden – und Deutschland daher Gold erhielt, etwa von den USA. Heute werden Handelsüberschüsse in der Euro-Zone nur noch als „Targetsalden“ ausgewiesen – wertlose Zahlen. Aber das ist Vergangenheit. Niemand braucht mehr Goldlager, um den Handel zu bezahlen. Und so verteilte sich Smaugs goldener Berg, nachdem im vergangenen Jahr die Teilverlagerung von 300 t aus den USA abgeschlossen wurde, am 1. Januar zu 47,9 Prozent oder 1.619 t auf den Bundesbank-Sitz Frankfurt am Main, zu 36,6 Prozent oder 1.236 t auf den Federal Reserve in New York, zu 12,8 Prozent oder 432 t auf die Bank of England in London und zu 2,7 Prozent oder 91 t auf die Banque de France in Paris. Diese letzteren sollen in diesem Jahr vollständig nach Frankfurt geholt werden, womit zum Jahreswechsel 2017/18 knapp über die Hälfte der Goldreserven in Deutschland liegen dürfte.

Bislang schien diese Regelung einschließlich der Lagerung des Reichtums bei befreundeten Ländern unproblematisch. Bei Licht betrachtet hatte sie sogar einen berückenden Vorteil, denn die Bewachung des Goldberges oblag jenen, bei denen das Gold gelagert war. Und wie verlockend Goldschätze auf Kriminelle wirken, ist spätestens seit Gerd Froebes unvergessenem Auftritt als „Goldfinger“ im dritten Film der James-Bond-007-Reihe aus dem Jahr 1965 bekannt. Die Teil-Heimholung des Goldes dürfte aus Sicht der Bundesbank insofern tatsächlich ausschließlich als Entgegenkommen gegenüber jenen ängstlichen Politikern zu verstehen sein, die ihre Barren lieber unter dem eigenen Kopfkissen als unter dem von Kumpels verstecken.

Milliarden-Abfindungen für Fehler der Vergangenheit

An sich, da ist sich die Bundesbank sicher, stellt die Lagerung in New York und London auch keinerlei Problem dar. Denn „der Verwahrer haftet dem Hinterleger auf Rückgabe des Verwahrgutes“, unterstreicht Raasch. Das könnte sich demnächst auch als notwendig erweisen, denken wir beispielsweise daran, dass die Herero und Nama jüngst in den USA eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht haben. 113 Jahre nachdem der Kolonialoffizier Lothar von Trotha ohne Weisung aus Berlin als Reaktion auf einen Aufstand geschätzt bis zu 100.000 Herero und Nama in der Omaheke-Wüste von Deutsch-Südwestafrika verdursten ließ, geht es nun ums Geld, dass die Nachkommen der Überlebenden als Entschädigung für dieses Kriegsverbrechen ebenso wie für die deutsche Landnahme insgesamt fordern.

Der Gerichtsort ist gut gewählt, denn die Anwälte der Vereinigten Staaten sind dafür bekannt, astronomische Summen zu fordern und einzuklagen. So hatte 2009 eine 1996 von 300.000 Indianern eingereichte Sammelklage zu einer Entschädigung in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar geführt. 2012 sah sich die US-amerikanische Unionsregierung gezwungen, nach einem nicht minder langwierigen Rechtsstreit rund eine Milliarde Dollar an 41 Indianerstämme zu zahlen. Bei all diesen Urteilen und Einigungen ging es noch nicht einmal darum, dass die US-Kavallerie und die überwiegend europäischen Siedler ungezählte Erstbesiedler des Kontinents abgeschlachtet und ihnen ihr Land geraubt hatten, sondern „nur“ um Misswirtschaft der Regierung bei der Verwaltung von Stammesgeldern und der Ausbeutung der Bodenschätze zu Lasten der indianischen Eigentümer.

Auch sind die US-Gerichte wenig zimperlich, wenn es darum geht, Staaten zu Zahlungen zu verurteilen. So erstritten 2014 mehrere US-Hedgefonds gegen die argentinische Regierung die umgehende Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar – innerhalb von 15 Tagen musste das Geld auf dem Tisch liegen. Es ging dabei um Forderungen, die aus dem Staatsbankrott Argentiniens resultierten. 2002 hatte das südamerikanische Land sich für zahlungsunfähig erklärt und mit 93 Prozent seiner Gläubiger Umschuldungsabkommen verhandelt, bei denen nur noch ein knappes Drittel des ursprünglich zu beanspruchenden Kapitals ausgezahlt werden musste. Die 1,3-Milliarden-Kläger hingegen hatten sich solchen Deals verweigert – die US-Gerichte stellte sich hinter sie.

Die Grundsätze des Völkerrechts

Hat das möglicherweise auch Relevanz für das deutsche Gold in amerikanischen Tresoren? Könnten US-Gerichte die Zahlung hoher Strafurteile durch die Beschlagnahme des deutschen Goldes absichern, vielleicht sogar finanzieren? Die Bundesbank sagt nein: „Nach den Grundsätzen des  Völkerrechts sind Währungsreserven vor Zugriffen der Vollstreckungsorgane des Gastlandes geschützt“, erläutert Raasch. Möglicherweise jedoch übersieht er dabei eine Besonderheit des US-amerikanischen Geldwesens.

Anders als in Deutschland, in dem sich die Bundesbank – wenn auch nicht weisungsgebunden – im Eigentum des Staates befindet, ist die amerikanische Federal Reserve – kurz Fed– eine reine Privatbank. Die Konstrukteure der US-Geldpolitik hatten seinerzeit den Weg gewählt, die Regierung von der Geldpolitik völlig abzukoppeln. Statt dessen übernahm ein Konsortium von etablierten Banken diese Aufgabe. Diese Privatbanken, zu denen auch JPMorgan und Goldman Sachs gehören, üben letztlich und trotz der Ernennung des siebenköpfigen Board of Governors durch Präsident und Senat insofern erheblichen Einfluss auf die Geldpolitik der USA und das Verhalten der Fed aus. Wer erwartet, dass die Fed als private US-Währungsbank etwas gegen die Interessen der Banker tut, dürfte sich enttäuscht sehen. Schließlich schneidet sich niemand selbst in den Finger.

Wie denkt Trump?

Nicht zu unterschätzen ist gleichwohl auch der präsidentielle Einfluss, den dieser über die Ernennung der Mitglieder des Boards ausüben kann. Diese Mitglieder werden nach Zustimmung durch den Senat auf 14 Jahre eingesetzt – und derzeit sind zwei Postern vakant. Der Blick auf die bisherigen Personalentscheidungen Trumps lässt erwarten, dass hier Personen aus dem Finanzkapital den Zuschlag bekommen, denen die von Trump patentrechtlch geschützte Formel „Make America Great Again“ durch die Adern fließt.

Womit wir nun beim Präsidenten der Vereinigten Staaten selbst sind. Sein Getwitter ebenso wie sein von vielen nicht erwartetes, hartes Vorgehen gegen den Syrer Assad – und damit gegen Russland – ebenso wie die zu erwartenden Aktionen gegen Nordkorea lassen Donald Trump unberechenbar erscheinen – oder um es anders zu formulieren: Berechenbar ist für den ungeschulten Betrachter bei Trump bislang nur die Unberechenbarkeit.

Dieser Donald Trump hat nun mehrfach darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik allein schon aus den NATO-Leistungen der USA einen erheblichen Berg Schulden bei den USA habe. Zwar kann man diese Forderungen – die Rede ist von über 300 Milliarden Euro – leichtfertig als reines Phantasieprodukt abtun, doch sollten wir vorsorglich davon ausgehen, dass Trump es ernst meint. Es entspräche seinem Geschäftsgebaren, vorgebliche US-Leistungen für die Bundesrepublik aufzulisten, einen Strich darunter zu ziehen und die so errechnete Summe als Forderung zu stellen. Zahlungspflichtiger wäre aus Sicht des US-Präsidenten Deutschland – und da böte sich das US-Rechtswesen und die spezifische US-Konstruktion des Geldwirtschaft förmlich an, vor einem Gericht einen entsprechenden Titel gegen den vermeintlichen Schuldner durchzusetzen.

Gold als Sicherheitsleistung

Selbstverständlich könnte die Bundesrepublik dagegen in Berufung gehen – doch nicht nur die Prozesse um die Entschädigungsforderungen der Indianer zeigen: Über so etwas gehen viele Jahre ins Land. Und bis dahin? Es würde in Trumps Geschäftsphilosophie passen, für seine Forderung – vor allem dann, wenn gerichtlich erstinstanzlich bestätigt – eine Sicherheitsleistung zu organisieren. An das Vermögen von deutschen Unternehmen und deutschen Privatleuten in den USA kommt er nicht heran – aber der bei der Fed schlummernde Goldberg könnte, als Bundeseigentum bezeichnet, diesem Zwecke dienen.

Dass Trump dringend Geld braucht, ist kein Geheimnis. Chinesen und Japaner haben in den vergangenen Jahren einen Großteil ihrer US-Staatsanleihen abgestoßen. Trumps Vorgänger Obama hatte regelmäßig große Mühe, die völlig überzogenen Haushaltsdefizite durch die Parlamentarier absegnen zu lassen. Trump dürft es da dank der republikanischen Mehrheit etwas leichter haben – aber am Ende steigen damit nur die Staatsschulden in exorbitante Höhen. Die Fed müsste wie in der Vergangenheit ähnlich dem EZB-Chef Draghi selbst als Käufer der ungedeckten Schecks der Regierung auftreten. Also werden kräftig Dollar gedruckt. Damit verschärft sich die US-Finanzproblematik weiter – und die Stimmen jener, die feststellen, dass die USA nur durch eine drastische Währungsreform zu retten seien, dürften immer lauter werden.

In einer solchen Situation, die weltweit zu erheblichen Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen müsste, ist die Möglichkeit eines Währungsrückgriffs auf Gold bislang immer noch die beste Medizin gewesen. Also wird Trump aus vielen Gründen damit liebäugeln, das vor seinen Augen deponierte Germanengold unter seinen Zugriff zu bekommen. „Nach den Grundsätzen des Völkerrechts sind Währungsreserven vor Zugriffen der Vollstreckungsorgane des Gastlandes geschützt“, sagt Rasch. Stimmt. Aber – kann sich die Bundesbank tatsächlich darauf verlassen?

Die Fed ist eben keine deutsche Bundesbank. Sie ist nicht Eigentum des Staates USA. Besitzer des im Eigentum Deutschlands befindlichen Goldes sind eben jene amerikanischen Privatbanken. Warum sollte für deren Geschäfte mit Dritten eine US-Regierung irgendwelche Haftungen übernehmen? Und warum sollte eine US-Regierung nicht Werte, die bei einer US-Privatbank eingelagert sind, pfänden können, wenn ein US-Gericht den Anspruch als rechtens abgesegnet hat?

Die Gier nach Gold

Einem Donald Trump, der die US-Präsidentschaft derzeit führt wie zuvor sein privates Immobilienunternehmen, ist die Logik von Anspruch und Pfändung alles andere als fremd. Da er angesichts des Aufbaus der US-Geldpolitik auch nicht das Geringste hat, womit er für bei der Fed eingelagerte Werte haften könnte, will die Idee, sich das deutsche Gold zu sichern, nicht mehr absurd erscheinen. Jene im Raum stehenden rund 300 Milliarden „NATO-Schulden“ sind der Einstieg in anstehendes Gefeilsche. Einigt man sich auf die Hälfte, dann entspricht das dem Doppelten der Summe, die nach heutigem Stand der Wert der bei der Fed als Goldreserven Deutschlands eingelagert ist. Und da die Bundesrepublik solch horrende Summen nicht mehr aus der Portokasse zahlen kann, würde es am einfachsten sein, das Eigentum am Fed-Gold einfach zu überschreiben. Dazu wäre dann nicht einmal mehr ein langwieriger Prozess von Nöten – Trump kann den Druck auf Deutschland nach Belieben erhöhen, um am Ende das Gold zu übernehmen.

Die Tatsache, dass er bereits mit dem Auflisten horrender Forderungen gegen Deutschland begonnen hat, deutet darauf hin, dass er genau dieses im Auge hat. Es ist ja auch zu verlockend, wenn man als der Staatspleitier nur noch zuzugreifen braucht, um etwas mehr Spielgeld in die leeren Portemonaies  zu bekommen.