Tichys Einblick

Taliban zu offiziellem Staatsbesuch in China

Wenn auch nicht auf oberster diplomatischer Ebene angesiedelt, wird durch den Empfang beim Pekinger Außenminister Wang Yi den Terroristen der diplomatische Segen als künftige Führung des Landes erteilt.

Chinese State Councilor and Foreign Minister Wang Yi meets with Mullah Abdul Ghani Baradar, political chief of Afghanistan s Taliban in Tianjin

IMAGO / Xinhua

Gilt hier die alte Regel „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – oder welchem Zweck sonst dient der Besuch einer neunköpfigen Delegation der Taliban bei der rotchinesischen Führung im nordchinesischen Tianjin?

Offiziell sollen bei dem zweitägigen Besuch der Islamterroristen, die seit der militärischen Niederlage der NATO auf dem besten Weg sind, ihre frühere Kontrolle über das Land am Hindukusch zurück zu gewinnen, Gespräche über die Sicherheitslage im vom Bürgerkrieg zerrütteten Afghanistan geführt werden. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass vor allem die chinesische Seite nach dem Rückzug der USA die Chance wittert, selbst als regionale Ordnungsmacht Einfluss an der östlichen Peripherie seiner Provinz Xinjiang zu gewinnen. So entspräche es der rotchinesischen Politik, die Radikalmuslime mit Zusagen über künftige Geschäftsverbindungen im Zuge des Kolonialprojekts „Seidenstraße“ zu ködern, um, wie bereits in Pakistan geschehen, exterritoriale Enklaven unter ausschließlich chinesischer Kontrolle einzurichten.

Obgleich zu erwarten ist, dass die sunnitischen Taliban solchen Ansinnen mehr als skeptisch gegenüberstehen werden, ist der Besuch in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Wenn auch nicht auf oberster diplomatischer Ebene angesiedelt, wird durch den Empfang beim Pekinger Außenminister Wang Yi den Terroristen der diplomatische Segen als künftige Führung des Landes erteilt. Wang Yi stellte in diesem Zusammenhang anlässlich des Besuchs am 28. Juli fest: „Die Taliban sind eine zentrale militärische und politische Kraft in Afghanistan und es wird erwartet, dass sie eine bedeutende Rolle im Prozess für Frieden, Versöhnung und Wiederaufbau spielen werden.“

China erwartet die radikalislamische Machtübernahme

Das soll offenbar heißen: China erwartet in Bälde die absolute Machtübernahme durch die Radikalmuslime und versucht nun bereits, die künftigen Beziehungen zu sortieren. Die Tatsache, dass die Taliban via Koran getreu ihrem archaischen Befehlsgeber Mohammed keinerlei Interesse an Menschen- und vor allem Frauenrechten haben, interessiert in diesem Zusammenhang in Peking nicht. Die westeuropäische Schimäre globaler Menschenrechte wird in der Verbotenen Stadt ebenso mitleidig belächelt wie in den Koranschulen der Taliban.

Bemerkenswert allerdings ist, dass der Besuch auch hinsichtlich der sunnitisch-islamischen Solidarität tiefe Einblicke gewährt. Denn während den islamischen Clanvertreter, die in China artig ihre Corona-Masken aufgesetzt haben, in Tianjin der Hof gemacht wird, und die Muslimkämpfer den Unbläubigen von der KP China ihre Aufwartung machen, geht der Kampf der chinesischen Führung gegen die Muslime der türk-mongolischen Uiguren-Minderheit ungehindert weiter. Die westlichen Staaten werfen den chinesischen Kommunisten vor, gegen die Uiguren-Minderheit einen Kultur-Genozid durchzuführen, während in China die Auffassung vorherrscht, man müsse die Uiguren vom „Virus Islam“ befreien. Dass nun die Taliban ausgerechnet jene Politiker mit ihrem Besuch beglücken, den seitens der islamischen Welt der Vernichtungsfeldzug gegen die uigurischen Glaubensbrüder vorgeworfen wird, hat durchaus seine eigene Qualität.

Ein Affront gegen die USA

Doch nicht nur das Verhältnis zwischen der VRC und dem künftig islamischen Gottesstaat Afghanistan machen den Besuch der Terroristen bemerkenswert. Denn dieser Empfang ist auch ein gezielt gesetzter Affront gegen die USA, die ihre Hoffnung auf ein demokratisiertes Afghanistan aufgegeben haben. So ist wenig verwunderlich, dass US-Präsident Joe Biden gleichen Tags bei einem Besuch des Nationalen Nachrichtendienstes ODNI die Möglichkeit eines „echten (bewaffneten) Krieges“ mit einer Großmacht – wobei er vorrangig an die Chinesen gedacht haben dürfte – als zunehmend wahrscheinlich bezeichnete. Hintergrund der deutlichen Ansage Bidens sind vorgeblich die ständig zunehmenden Cyberangriffe auf die Infrastruktur und die Administrationen der NATO-Staaten, für die sowohl Russland als auch die Volksrepublik verantwortlich gemacht werden. Jüngste Erkenntnisse, wonach die VRC massiv Silobunker für atomare Langstreckenraketen baut, tun allerdings ein weiteres, um in den USA Alarmstimmung zu erzeugen.

Wenig glücklich über den Taliban-Empfang wird auch der kleine Kalif in Ankara sein. Recep Tayyip Erdogan, Präsidialdiktator der Türkei, träumt davon, selbst als Ordnungsmacht in Zentralasien auftreten zu können. So hatte er erst jüngst seine islamischen Brüder von den Taliban aufgefordert, nicht gegen Bruderstaaten vorzugehen. Damit unternahm er nicht nur den Versuch, sunnitische Terroristen von Attentaten in der Türkei und den türkisch besetzten Gebieten abzuhalten – er wollte damit auch sicherstellen, dass die in Afghanistan trotz NATO-Abzug stationierten türkischen Einheiten vor Angriffen geschützt sind. Eine Annäherung der islamischen Brüder an die Muslimfeinde in Peking kann bei Erdogan, der sich auch als Schutzmacht der Uiguren sieht, nur auf Argwohn stoßen. In dessen Türkei startet die NATO dieser Tage an geheimem Ort ein Sonderausbildungsprogramm für afghanische Sicherheitskräfte – ein Vorgang, der die panislamischen Sympathien zwischen den Terrorkämpfern Mohammeds und dem kleinen Kalifen in Ankara kaum beflügeln dürfte.

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