Tichys Einblick
Kuschelversagen

Die Untauglichkeit der Bundes-Kita-Politik

Im ARD-Morgenmagazin fragt Anne Planken irritiert, warum denn die Ukraine den Bundespräsidenten ausgeladen habe, wo der sich doch entschuldigt habe?

IMAGO/photothek

Im ARD-Morgenmagazin fragt Anne Planken irritiert, warum denn die Ukraine den Bundespräsidenten ausgeladen habe, wo der sich doch entschuldigt habe? Andernorts ist zu lesen, die ehemalige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Anne Spiegel, habe sich auf bewundernswerte Weise zu ihren Fehlern bekannt.

In Berlin wählt das Parlament eine Frau zum Regierenden Bürgermeister, die eingestanden hat, bei ihrer Promotion betrogen zu haben.

Es sind nur einige Beispiele des alltäglichen mea culpa ohne Konsequenzen, mit dem sich Politiker und Medienvertreter aus den Konsequenzen ihres Totalversagens zu entziehen suchen.

Politik funktioniert nicht nach Kita-Muster

All das passt in dasselbe Muster. Um gleich auf Anne Planken zu antworten: Weil Politik nicht nach dem Vorbild einer linksalternativ-feministischen Kita funktioniert. Und damit sind wir beim Kernproblem dieser Alles-ist-gut-Philosophie, wo jede Untat sofort vergessen ist, wenn sich jemand entschuldigt hat.

Ich muss es leider so deutlich sagen: Ich habe dieses – man entschuldige meine Deutlichkeit – Weibergetue schon im Kindergarten und in der Grundschule nie nachvollziehen können. Da zieht ein Oskar seinem gleichaltrigen Spielkollegen Ben eine Schaufel über den Kopf – und statt den Täter mit seiner Tat zu konfrontieren und ihm zu verdeutlichen, dass solches Handeln ernsthafte, persönliche Konsequenzen zur Folge haben muss, wird auf Gutschi-Gutschi gemacht:

„Entschuldige Du Dich dafür beim Ben“, wird Oskar aufgefordert. Ben, immer noch heulend, will aber keine Entschuldigung. Er will, dass Oskar für seinen Angriff zur Verantwortung gezogen wird. Also wird nun Ben zum Opfer des Weibergetue: „Du nimmst jetzt die Entschuldigung an, und dann ist alles gut und ihr seid wieder Freunde!“

Die verheerende Botschaft dieser Kuschelpädagogik: Opfer und Täter lernen, dass man alles machen kann, was einem gerade durch den Kopf geht. Muss man Konsequenzen befürchten, reicht eine schlichte, zumeist nicht einmal ernst gemeinte Entschuldigung, um sich jeglicher Verantwortung zu entziehen. Und das Opfer lernt zudem noch: Als Opfer habe ich keinerlei Anspruch auf Genugtuung. Oskar zieht mir heute eins über die Rübe – und dann entschuldigt er sich, um morgen die gleiche Nummer zu wiederholen.

Kuschelversagen in der realen Politik

Genau das, was hier im Kinderladen oder in der Kita von den weiblichen Kuschelpädagogen praktiziert wird, soll nun auch in der großen weiten Welt der Erwachsenen gelten. Wobei – das mit den Erwachsenen sollten wir besser in Anführungszeichen setzen. Es ist schon einige Jahre her, dass ich bei TE Texte über die Kinderrepublik veröffentlicht hatte – und es ist seitdem nicht besser, sondern nur noch schlimmer geworden. Auch wenn nun scheinbar einige der Kita-Kinder in der Konfrontation mit der wirklichen Welt einen langsamen Lernprozess zu vollziehen scheinen – dieses im wahrsten Sinne des Wortes allverzeihend-dämliche Entschuldigungsgehabe feiert fröhlich Urständ. Weshalb nun manches beim Erwachsenwerden immer noch eher nach einer kindlichen Trotzreaktion aussieht, wenn übergangslos plötzlich das genaue Gegenteil von dem gefordert wird, was man jahrelang als alternativlos verkauft hat.

Doch zurück zu Steinmeier und Co. Dieser Bundespräsident, der von der Union in einem Akt des politischen Offenbarungseids auch noch mitgewählt worden ist, kuschelte in sozialdemokratischer Russland-Unterwerfung über Jahrzehnte durch seine schöne Welt der Politik.

Steinmeier ist einer der Architekten jenes Kotau, der maßgeblich von deutschen Politikern mit der Bezeichnung „Minsker Abkommen“ der Ukraine aufgezwungen wurde, als ein Aggressor völkerrechtswidrig Teile des mitteleuropäischen Landes annektierte und besetzte.

Steinmeier ist derjenige, der fest an der Seite jenes Gazprom-Schröder stand, der als Bundeskanzler Deutschlands Interessen für ein paar nette Aufsichtsratsposten verscherbelt hat.

Steinmeier hat an der Seite der Internationalistin Merkel Russlands Despoten die Taschen mit Gasgeld vollgestopft und alle Warnungen von Freunden in den Wind geschlagen.

Als Merkel 2008 den NATO-Beitritt der Ukraine verhinderte und dieses Land damit Putin ans Messer lieferte, war Steinmeier Vizekanzler und Außenminister.

Kurz: Dieser Mann, der von drei Politikern aus Union und SPD als Bundespräsident ausgeklüngelt worden war, ist maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass in der Ukraine mittlerweile Tausende von Menschen sterben.

Und dann, als die Konsequenz des jahrzehntelangen Totalversagens nicht mehr zu verheimlichen ist? Es kommt nichts als dieses Kuschelgetue aus dem Kindergarten: Man habe Russland falsch eingeschätzt! Und damit soll dann alles entschuldigt sein?
Nichts entschuldigt das! Vor allem nicht die Feigheit vor der eigenen Konsequenz.
Wer über Jahrzehnte einer politischen Schimäre hinterhergelaufen ist und dieses trotz zahlloser Warnungen und Analysen konsequent und unbeirrbar weiter getan hat, bis das Kind schwer verletzt im Brunnen liegt, der kann doch nicht allen Ernstes erwarten, für seine windelweiche Entschuldigung auch noch gelobt und getätschelt zu werden. Wer über Jahrzehnte in voller Erkenntnisfähigkeit der Realitäten eine realitätsferne Politik betrieben und verfochten hat, für den gibt es in einer solchen Situation nur eine ehrenhafte Konsequenz: Den sofortigen Rücktritt von allen politischen Ämtern und den finalen Rückzug aus der Politik wegen erwiesener Politikunfähigkeit. Die Tantiemen und Vergünstigungen, die ihm dann noch vom Steuerzahler für sein Dauerversagen hinterhergeworfen werden, sollten stattdessen besser an die Opfer seiner Politik gehen.

Scheinsolidarität von der Seitenlinie

Ja, die Absage aus Kiew mag als undiplomatisch verstanden werden. Aber ich sage es deutlich: Ich feiere Selenskyj für diese Konsequenz! Endlich hat es hier ein Politiker, der in der schwersten Prüfung seines Lebens steht, gewagt, diesem Selbstdarstellungs-Katastrophentourismus die Stirn zu bieten. Ohnehin: Was hätte die Ukraine davon gehabt diesem Totalversager auch noch einen medienwirksamen Presseauftritt zu gönnen?

Die hohlen Floskeln der Solidarität sind schon unglaubwürdig genug, wenn sie in Berlin oder in Warschau verbreitet werden. Kiew muss sich dafür nicht hingeben. Insofern: Gut getan! Wenn die SPD, die auch heute noch ihre internationalistische Nähe zu den nationalistischen Russen nicht zu überwinden in der Lage ist, tatsächlich mit der Ukraine solidarisch sein will, dann soll sie endlich das tun, was der Ukraine tatsächlich hilft. Und falls es dann nicht die schweren Waffen sein dürfen, die Kiew anfordert, dann könnte sich doch die solidarische Führungsriege der SPD ein Herz nehmen und sich persönlich in all die Städte von Charkiw über Mariupol bis Tschernihiw begeben, die gegenwärtig von Russlands Überfallkommando zusammengeschossen werden. Es bliebe abzuwarten, ob Putin immer noch die Totalzerstörung Mariupols befiehlt, wenn dort auf dem Marktplatz ein Olaf Scholz oder eine Christine Lambrecht steht und dem Russen zuruft: Bis hierhin und nicht weiter!

Einverstanden – wird niemals geschehen. Stattdessen klatscht man lieber scheinsolidarischen Beifall von der Seitenlinie und schaut zu, wie ein Nachbarvolk zerlegt wird. Und das eben auch deshalb, weil gemäß einem norddeutschen Sprichwort der Fisch am Kopf zu stinken beginnt. Deutschlands Kopf ist jener Frank Walter Steinmeier, der meinte, sich mit einer lächerlich schlappen Entschuldigung aus der Verantwortung für jahrzehntelanges Versagen entziehen zu können. Wen darf es da noch wundern, dass Giffey, Spiegel, und wie sie alle heißen, die Gräten sind?

Anzeige