Tichys Einblick
Globale Transportwege als Waffe?

Geht den Stinger der Nachschub aus?

Der Allround-Technologiekonzern Raytheon Technologies produziert in Kooperation mit Lockheed Martin die Javelin. Dem Unternehmen ist es nicht möglich, die Produktion vor kommendem Jahr hochzufahren – wegen Mangel an Bauteilen.

Übung mit einer FIM-92 Stinger-Rakete

IMAGO / ZUMA Wire
Die schultergestützten Stinger- und Javelin-Boden-Luft-Raketen sind eine der effektivsten Waffen der Ukraine gegen den russischen Überfall. Nicht zuletzt deshalb beliefern die USA und ihre Verbündeten die Verteidiger mit diesen auch von Laien zu bedienenden Systemen – nicht ohne Erfolg, wie die vom britischen Geheimdienst bestätigten Abschusszahlen zeigen.

Noch am Dienstagabend MESZ sagte US-Präsident Joe Biden zu Arbeitern der Lockheed-Martin-Werke, in denen die Javelins hergestellt werden: „Sie machen es dem Ukrainischen Volk möglich, sich selbst zu verteidigen, ohne das wir das Risiko eingehen müssen, in einen dritten Weltkrieg zu geraten, weil wir unsere amerikanischen Soldaten schicken.“ Doch die Sache hat einen Haken.

So geht das Center for Strategic and International Studies (CSIS) davon aus, dass die US-Army über 7.000 Javelins verfügt. Oder vielleicht sollte besser „verfügte“ gesagt werden. Denn US-Präsident Joe Biden soll der Ukraine seit dem Beginn der russischen Invasion 5.500 dieser leistungsfähigen Abwehrwaffen zugesagt und vermutlich auch geliefert haben.

Ähnlich soll es bei den Stinger aussehen. Laut CSIS haben die USA bislang ein Viertel ihres entsprechenden Bestandes an die Ukraine gegeben. Normalerweise ist das kein Problem. Erst jüngst hatte die Biden-Administration zugesagt, sowohl die Ukraine selbst mit rund 300 Millionen Dollar für eigene Waffenkäufe zu unterstützen, als auch für weitere 450 Millionen die Verbündeten zu finanzieren, die ihre Waffen an die Ukraine weitergereicht hätten. Den US-Militärhaushalt hatte der Kongress bereits im Dezember vergangenen Jahres auf über 770 Milliarden Dollar aufgestockt. Am Dienstag wies US-Verteidigungsminister Lloyd Austin darauf hin, dass die USA seit Beginn der russischen Invasion die Ukraine bereits sogar mit Militärhilfe in Höhe von 3,7 Milliarden Dollar unterstützt hätten. Geld genug, um hochleistungsfähige Rüstung zu kaufen, ist folglich vorhanden.

Zulieferprobleme treffen auch die Rüstungsindustrie

Doch nun tut sich ein Problem ganz anderer Natur auf. Bei einem Meeting mit Investoren wies Gregory Hayes, Chef von Raytheon Technologies, auf aktuelle Schwierigkeiten bei der Produktion hin. Der Allround-Technologiekonzern Raytheon Technologies ist unter anderem Hersteller der Stinger-Raketensysteme und produziert in Kooperation mit Lockheed Martin die Javelin. Hayes unterstrich, dass es dem Unternehmen nicht möglich sei, die Produktion vor kommendem Jahr hochzufahren, obwohl die Nachfrage deutlich gestiegen sei. Als Ursache nannte er einen Mangel an Bauteilen.

CSIS-Analyst Mark Cancian: „Kann das zu einem Problem werden? Die kurze Antwort lautet: Wahrscheinlich ja.“ Stinger- und Javelin-Raketen seien Systeme, bei deren Produktion knappe Lagerbestände und mangelnde Zulieferung besonders signifikant seien. Die Produktion beider Systeme sei deshalb bis auf Weiteres nur begrenzt möglich.

Die Rolle Chinas

Hier wirken sich die Globalisierung und die Abhängigkeit von Technologieankauf vor allem in der Volksrepublik China nun selbst auf die US-Rüstungsproduktion aus. Es scheint die Befürchtung zu geben, dass die VRC die Transportprobleme mittlerweile gezielt nutzt, um dem Westen zu schaden. Möglicherweise sind insofern auch diese Lieferengpässe ein Grund, weshalb die US-Administration am 2. Mai die Regierung in Peking davor warnte, Russland mit Kriegsmaterial zu unterstützen. In einem solchen Fall träfen China ähnlich harte Sanktionen wie Russland selbst.

In den USA selbst sind die Vorstellungen davon, worauf Russland und die Volksrepublik hinarbeiten, mittlerweile eindeutig: „Russland und China versuchen, die Weltordnung zu verändern“, so Armee-Stabschef James McConville. „Wir werden Zeuge der schwersten Prüfung für unsere Sicherheit und die Sicherheit Europas. Wir sind bereit, jeden in die Schranken zu weisen, der es wagt, uns oder unsere Alliierten anzugreifen.“ McConville fügte hinzu, man werde damit fortfahren, die militärischen Fähigkeiten weiter zu steigern, bis sie der Stärke von Russland und China zusammen gewachsen sind.

Anzeige