Tichys Einblick
Erdogan außen vor

Erneute Eskalation in Syrien

Offensichtlich soll die gestartete Offensive das letzte von Rebellen gehaltene Territorium wieder unter Assad bringen. Damit dürfte die Absprache zwischen der Türkei, Russland und dem Iran hinsichtlich einer Schutzzone für die Dissidenten obsolet werden.

ANAS AL-DYAB/AFP/Getty Images

Seit einigen Tagen setzt die syrisch-russische Koalition an, jenen den mit der Türkei verbündeten Rebellen verbliebenen Nordosten des Landes zu erobern. Das Vorgehen ist immer dasselbe: Die russischen, in H‘Meimim stationierten Kampfjets fliegen Luftangriffe gegen vermeintliche gegnerische Stützpunkte und zivile Einrichtungen. Es folgt das Bombardement durch reguläre syrische Kräfte – entweder mit den berühmt-berüchtigten Fassbomben oder durch Artilleriebeschuss. Anschließend erst rücken syrische Armeeinheiten vor.

Seit Freitagmittag erfolgt der geballte Angriff auf den Ort Al Habit, der am Montagabend mit Fassbomben belegt wurde. Der ursprünglich von den Rebellen gehaltene Südwesten der Provinz Idlib ist mittlerweile von der Assad-Armee besetzt und es deutet sich an, dass der Vorstoß in absehbarer Zeit nicht enden wird.

Auch westlich von Aleppo verstärkt die syrische Armee ihr Vorgehen, während östlich der von der Türkei besetzten Kurdenstadt Afrin offenbar syrische Einheiten im Verbund mit der kurdischen YPG aktiv sind. Dieses dürfte dem türkischen Präsidialdiktator Erdogan, der erst vergangene Woche erklärt hatte, seine Armee sei bereit, die westlich des Euphrat gelegene, von Kurden und USA gehaltene Stadt Manbidj zu „übernehmen“ und den Euphrat zur (vorläufigen) Ostgrenze seines Einflussgebietes in Syrien zu machen, nicht gefallen.

Auch der syrische Vorstoß in der Rebellenprovinz Idlib zielt genau zwischen zwei von den Türken eingerichteten Beobachtungsposten – und so scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der Beobachtungsposten bei Murak, gelegen an der bisherigen Demarkationslinie an der südlichen Straße zwischen Hama und Aleppo, vom türkischen Nachschub abgeschnitten ist. Offensichtlich – darauf deutet die massive Unterstützung der Aktionen durch die Russen hin – soll die jetzt gestartete Offensive das letzte von Rebellen gehaltene Territorium wieder unter die Kontrolle Assads bringen. Damit dürfte die Absprache zwischen der Türkei, Russland und dem Iran hinsichtlich einer Schutzzone für die Dissidenten obsolet werden. Ohnehin hatte Erdogan seinen Teil der Vereinbarung nicht durchsetzen können: Die beiden Hauptverkehrsstraßen durch die Provinz für syrische Verkehre zwischen Aleppo, Latakia und Hama vor Angriffen durch die Rebellen zu sichern.

Die Vertreter der EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben derweil in Brüssel am Montagnachmittag einmal mehr den ungehörten Appell an die kämpfenden Einheiten verlauten lassen, man möge bitte die Eskalation des Konfliktes beenden.

Eine deutlichere Position bezieht hingegen die US-Administration. Während am Golf der südliche Ring um den Iran enger gezogen wird und Außenminister Pompeo seine Visite bei den Verbündeten in Nahost beendete und überraschend noch kurz in Brüssel vorstellig wurde, um – erfolglos – die EU-Vertreter auf die Anti-Atomdeal-Linie der USA einzuschwören, ließ sich aus Washington hören, dass es das unbedingte Ziel der USA sei, jegliche in Syrien stationierten Einheiten aus dem Land bringen zu lassen, die unter iranischer Kontrolle stehen. Das könnte daher nicht nur die Einheiten der Revolutionsgarde betreffen, die an der Seite Assads kämpfen, sondern auch die libanesische Schiitenmiliz der Hizbullah. Sollten die USA dieses Ziel ernst meinen, dürfte dazu eine mit Israel abgestimmte Aktion unvermeidlich sein. Israel beklagt seit geraumer Zeit, dass der Iran eigene Einheiten in Syrien stationiert. In der Vergangenheit wurden bereit Luftschläge gegen iranisch-syrische Stützpunkte vorgenommen – und die Regierung in Jerusalem hat angekündigt, eine Präsenz des Iran, dessen Mullah-Regime ständig die totale Vernichtung Israels androht, in Syrien keinesfalls zu akzeptieren.